Cover des Buches Vom Suchen und Finden (ISBN: 9783791500409)
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Rezension zu Vom Suchen und Finden von Kenneth Oppel

Ein Rohdiamant, der erst noch von der Masse entdeckt werden muss!

von Benni_Cullen vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Ein Rohdiamant, der erst noch von der Masse entdeckt werden muss! UNBEDINGT LESEN!

Rezension

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Benni_Cullenvor 6 Jahren
Vor einiger Zeit besuchte ich in der Thalia-Filiale in Nürnberg ein Event, auf dem die Buchhändler aus der Jugendbuch-Abteilung ihre Highlights aus den letzten Monaten präsentierten. Es war ein wirklich großartiger Abend, bei dem wir viele unterschiedliche Bücher kennenlernen konnten. Wirklich alle klangen auf ihre Weise interessant, doch besonders dieses hier hatte es mir angetan: "Vom Suchen und Finden" von Kenneth Oppel aus dem Dressler Verlag. Die Buchhändlerin hat das Buch mit so viel Liebe vorgestellt und war so voller Inbrunst dabei, dass ich nicht anders konnte, als zuzugreifen. Genau deshalb habe ich es mir im November vorgenommen und war wirklich begeistert, denn: Die Buchhändlerin hatte recht. Mit was genau, das erfahrt ihr jetzt.

Wir begleiten Rachel und Samuel im Amerika des 19. Jahrhunderts. Ihre beiden Väter sind berühmte Archäologen mit komplett unterschiedlichem Background: Während Samuels Vater der Praktiker ist, der sich alles selbst beigebracht hat und nie auch nur irgendeinen universitären Weg eingeschlagen ist, ist Rachels Dad der Wissenschaft verschrieben und einer der bekanntesten Paläontologen des Landes. Beide stehen in großer Konkurrenz zueinander und wollen sich gegenseitig immer überbieten. Demnach wollen sie immer der Erste sein, der einen neuen Dinosaurier findet und ihn benennen darf. Dafür nehmen sie alles in Kauf, sogar Betrug und kriminelle Machenschaften. Rachel und Samuel lieben das Gebit der Paläontologie zwar auch, allerdings stellen sie schnell fest, dass sie etwas anderes noch sehr viel mehr interessiert: Die Liebe zueinander.

Ich war am Anfang total verliebt in die Atmosphäre des ganzen: Die beiden Archäologen, die sich nicht leiden können und sich gegenseitig ständig auf die Schippe nehmen und ihre Kinder, die eigentlich wissen, dass sie sich nicht mögen dürfen, aber trotzdem auf ihr Bauchgefühl hören. Ich mochte diese einzigartige Stimmung und habe mich ab der ersten Seite sehr wohl gefühlt. Samuel und sein Vater führen ein sehr chaotisches und emotionsloses Leben und man merkt schnell, dass die beiden viele Themen haben, über die sie sprechen sollten, es aber aus Angst nicht tun. Mir gefiel, wie der Autor Themen wie Familie, gescheiterte Beziehungen und Vertrauen darstellte und sich sehr intensiv damit beschäftigte. Ganz anders dagegen Rachel und ihr Dad. Dieser ist nur auf Erfolg aus und übersieht dabei, dass auch die persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen und Dinge wie Moral und Charakter zählen. Der Autor kritisiert somit subtil gesellschaftliche Systeme und zeigt dies anhand zweier sehr unterschiedlicher Familien. Großartig, wenn so etwas in einem Jugendbuch Platz findet.

Dabei war mir auch die Liebesgeschichte zwischen Samuel und Rachel genau richtig dargestellt. Die wird nicht verschönert und wirkte auf mich auch nicht allzu kitschig. Diese Balance gefiel mir sehr gut und ich hatte sofort eine emotionale Bindung zu den beiden. Vielmehr noch als ihre Liebe, steht aber die Suche nach sich selbst und seinen Werten im Vordergrund. Die beiden jungen Erwachsenen erkennen, dass man für seine Träume kämpfen und für seine Werte einstehen muss, um sein Leben zu bestreiten. Und auch das Eingehen des ein oder anderen Risikos gehört dabei dazu. Dass es genau diese Themen sind, die beide vereint und die sie nur durch ihre Beziehung erreichen können, macht die Liebesgeschichte umso schöner. Gegen Ende sogar so schön, dass ich wirklich traurig war, als ich mich von den beiden trennen musste - obwohl mein Herz so mollig warm war, aufgrund dessen, was passiert ist.

Ein großes Kompliment außerdem für die Erzählstruktur. Der Autor bindet alte indianische Legenden ein und stellt das Amerika des 19. Jahrhunderts wirklich sehr authentisch dar. Zwar war ich am Anfang etwas verwirrt, es steht nämlich wirklich nirgendwo, dass die Geschichte in diesem Jahrhundert spielt, allerdings kann man sich das nach ein wenig Recherche denken (Darwin lebte schließlich zum Großteil des 19. Jahrhunderts und wird von den Professoren als Kollege bezeichnet). Das hätte man vielleicht etwas deutlicher machen sollen, nichtsdestotrotz war ich vom Aufbau der Kulisse und der Recherche dazu begeistert. Auch die familiären Geschichten wurden sehr gut eingebaut und konnten mich emotional mitnehmen. Doch nicht nur das: Die unterschiedlichen Erzählstränge (Indianische Legenden, 19. Jahrhundert und die Vergangenheit der Väter) kommen am Ende perfekt zusammen und ergeben somit ein komplexes Bild, was aber sehr gut erzählt und erklärt wird. Ein toller Abstecher also in ein faszinierendes Jahrhundert und in eine mindestens ebenso interessante Kultur.

Der Schreibstil war sehr flüssig, als toll empfand ich den Wechsel zwischen Samuel und Rachel. Es gibt Stellen, da erzählt Samuel aus seiner Sicht und dann gibt es stellen, da erzählt Rachel aus ihrer. Ich habe sogar das Gefühl, dass beide eine ganz eigene Art haben, ihre Gefühle zu beschreiben und die Dinge zu erzählen. Diese Unterschiede haben mich sehr fasziniert und machten die Figuren für mich lebendig. Schön auch, dass sich der Verlag dazu entschlossen hat, unterschiedliche Schriftarten für die beiden zu verwenden. Während Samuels Sichtweise mit einer relativ klassischen Schriftart versehen wurde, wirkt die von Rachel fast wie von einer Schreibmaschine getippt. Das fand ich großartig, da hier nochmal deutlich wurde, wer gerade erzählt. Einziger Kritikpunkt hier sind für mich die Stellen, in der der Autor im "Du" schreibt. An diesen Stellen beschreiben Rachel und Samuel ihre Gefühle füreinander. Der Autor wollte so wohl etwas Persönliches in den Roman bringen, allerdings war ich beim ersten Mal total verwirrt und dachte, das Lektorat hätte das übersehen. Beim zweiten Mal war es dann passender, aber immer noch irgendwie Fehl am Platz. Für mich hätten diese Stellen nicht sein müssen. Davon ausgenommen konnte ich der Schreibstil allerdings ebenso begeistern wie die Geschichte und die Figuren.

Mein Fazit:
Ich habe das Gefühl, die Rezension nimmt kein Ende. Aber ich bin wirklich so begeistert gewesen, dass ich einfach alles aufschreiben musste, was mir in den Sinn kam. Ich verstehe einfach nicht, wie dieses Buch so untergehen konnte, denn die Idee ist wirklich toll, die Ausführung klasse und die Geschichte mal was ganz anderes. Ja, auch ich hätte bei dem Cover nicht wirklich zugegriffen, aber es lohnt sich wirklich darüber hinweg zu sehen und der Story eine Chance zu geben. Anfangs dachte ich beim Thema Dinosaurier: "Oh, ich glaube, das ist nichts für mich", aber der Autor schafft es, dass man sich für das Thema interessiert und lässt die Figuren auch fast nur solche finden, die man als Leser, zumindest vom Hören aus der Kindheit, kennt. Die Begeisterung konnte so überschwappen und hat mich in eine Welt gerissen, von der ich niemals gedacht hätte, dass sie mich so faszinieren kann. Ja, es gibt Abzüge aufgrund dieser zwei Stellen im "Du" und auch aufgrund der fehlenden Jahreszahlen im gesamten Buch, aber das sind wirklich zwei Kleinigkeiten, die gar nicht so sehr ins Gewicht fallen. Ich finde, Jugendbuchfans sollten mal ins Buch reinschnuppern, denn es ist mal was abseits des Mainstreams - und davon gibt es ja schon genug. Deshalb vergebe ich auch 5 Sterne und hoffe, meine Begeisterung springt auf euch über (:
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