Man muss „Die Seelen der Nacht“ zwischen den Zeilen, zwischen dem Alltäglichen der Geschichte suchen
von Bücherfüllhorn-Blog
Kurzmeinung: Man muss „Die Seelen der Nacht“ zwischen den Zeilen, zwischen dem Alltäglichen der Geschichte suchen.
Rezension
Diese Frage, die Addie Louis stellt, fordert eine gehörige Portion Mut. Den Mut zu haben, diese Frage auszusprechen. Das Risiko einzugehen, ausgelacht zu werden oder eine Abfuhr zu erhalten. Aber Addie setzt alles auf eine Karte. Sie ist 70 Jahre alt, sie ist doch frei. Oder? Was soll man sich mit 70 Jahren noch vorschreiben lassen? Aus einer ungewöhnlichen platonischen Idee und Freundschaft wächst sachte mehr.
Ich hatte mir die Erzählsprache irgendwie „beseelt“ und „lyrisch“ vorgestellt, aber das genau Gegenteil war der Fall: Die Sprache war so klar und scharf, dass sie genau den Finger in die Wunde legen konnte. Das macht auch den Reiz dieser Geschichte aus. Es gibt keine Schnörkel, die Geschichte zeigt das wahre Leben. Nüchtern, klar und deutlich. Und das ist nicht immer schön oder frei von Neidern. Im Gegenteil. Was für Unterstellungen und Überlegungen da von anderen angestellt werden, ist allzu menschlich. Nicht schön, aber menschlich.
So muss ich gestehen, dass mich gerade diese Sprache auch nicht in dem Sinn „packen“ konnte. Ich meine, mir ging es schon an Substanz, wie ehrlich die Szenen gerade in den ersten Nächten waren. Da ist man als Leser voll dabei, wenn alles noch so neu ist, und es genauso wie im echten Leben unrund läuft und man sich vielleicht auch einige Momente unbehaglich fühlt. Mir fehlten da einfach die Emotionen, die Seelen bei Nacht, die ich mir zwischen den Zeilen mühsam suchen musste. Es ist ein starker Kontrast, die harte und sterile Sprache und die „unausgesprochene Schönheit dieser Augenblicke“ zwischen diesen beiden Menschen. Deswegen lässt mich die Geschichte auch etwas ratlos zurück. Die Einfachheit der Sprache kann man vielleicht auf zweierlei Arten interpretieren. Zum einen, dass die Sprache einfach so ist und die Realität im realsten Licht erscheint, ohne irgendwelche heimlich verpackten Botschaften. Oder aber, das die Sprache im Kontrast zu der Handlung steht und jeder Leser angeregt werden soll, hinter die Erzählsprache zu sehen.
Insgesamt kam die Botschaft dieser Geschichte bei mir an, ich hätte sie mir allerdings doch schöner verpackt gewünscht. Aber ich kann anerkennen, dass durch diese einfache Sprache, die Geschichte ungerade im besten Sinne wird, also Ecken und Kanten hat, wo sie sonst wohl zu gefällig geworden wäre. Deswegen passt auch das „ungerade“ Ende irgendwie dazu.
Alles in allem: „Die Seelen der Nacht“ muss man zwischen den Zeilen, zwischen dem Alltäglichen der Geschichte suchen. Man findet sie in dem, was nicht geschrieben steht.
Sterne: Die Geschichte lässt mich ein wenig ratlos zurück, denn die Erzählsprache ist relativ einfach. Ich kann es drehen und wenden wie ich will und ich kann dazu zwei Arten der Interpretation herbeizaubern. Die Idee an sich hätte locker fünf Sterne verdient. Aber bei mir bleibt dennoch eine leichte Enttäuschung über die vordergründig einfache Erzählsprache. Und deswegen vergebe ich, trotz der Botschaft der Geschichte, nur drei Sterne.