Das Buch „Die Kurden“ gibt uns einen Einblick in das größte staatenlose Volk der Welt – 30 Millionen Kurden gibt es, in Teilen der Türkei, des Irans, des Iraks und in Syrien. Immer wieder hört man von Konflikten innerhalb der Region, doch – wie so oft – wird durch Fremdeinwirkung von außen dieser Konflikt noch verschärft.
Die beiden Autoren Kerem Schamberger und Michael Meyen spannen den Bogen weit zurück in die Geschichte und berichten von den Schwierigkeiten, die zum Großteil in der Vergangenheit entstanden sind. Schamberger ist politischer Berichterstatter und Kommunikationswissenschaftler an der LMU München. Meyer war ursprünglich Journalist und ist mittlerweile ebenfalls an der LMU in München.
Bereits im Vorwort heißt es:
„… Es [das Buch] erzählt, wie sich die Westmächte den Nahen und Mittleren Osten nach dem Ersten Weltkrieg zurechtgeschnitten haben und warum die neuen Staaten in der Region kein Interesse an einer kurdischen Nation hatten. Im Gegenteil. Sie haben alles getan, damit Sprache, Kultur und Identität verschwinden.“
Und so blieb es auch – kurdische Städte und Dörfer werden zerstört, ihre Sprache verboten. Bereits nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Ende des Osmanischen Reiches wurde den Kurden ein eigener Staat versprochen, doch die Grenzen wurden willkürlich gezogen und einen kurdischen Staat gibt es bis heute nicht. Auch die Rolle Mustafa Kemal Atatürks ist in dieser Hinsicht umstritten und wird in dem Buch hervorgekehrt.
Anfangs wird über die Verbindungen nach Deutschland berichtet, wird versucht die kurdische Frage zu erörtert, welche Probleme auch hier entstehen und warum die Symbole der PKK so brisant sind. Deutschland liefert nicht nur Waffen in die Türkei, sondern sieht sich als Verbündeten. Und so ist es für Erdogan ein Leichtes, das kurdische Volk auch weiterhin zu unterdrücken und zu bekämpfen.
Ein äußerst wichtiges Buch und ein besonderer Zugang der beiden Autoren: Schemberger (Deutsch-Türke), ein politischer Aktivist, dem die kurdische Frage am Herzen liegt und Meyer, der Neuland betreten hat und einen anderen Blickwinkel auf dieses Thema wirft. Dem Buch darf man viele Leser wünschen und hoffen, dass auch die Politik irgendwann mal einlenkt. Im Epilog findet man noch einen wichtigen Absatz, der die Probleme der Region sehr schön zusammenfasst:
„Demokratie ist der Schlüssel, um die Probleme dieses Landes zu lösen. In der Türkei leben mehr als 50 Minderheiten. Ein Staat, eine Sprache, eine Nation: Diese Formel kann nicht funktionieren. Die Kurden sind die größte Minderheit im Land. Dieses Volk lässt sich weder türkifizieren noch sonst irgendwie auf die Knie zwingen.“ Und weiter heißt es: „Demokratie ist etwas anderen als ein kurdischer Staat. Demokratie kann zunächst einfach nur ein bisschen weniger Zentralregierung heißen und ein bisschen mehr Autonomie.“
Man darf es der Region wünschen. Gerne vergebe ich für dieses wichtige Buch 5 Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.