Cover des Buches Rubinrot (ISBN: 9783401063348)
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Rezension zu Rubinrot von Kerstin Gier

Rezension zu "Rubinrot - Liebe geht durch alle Zeiten" von Kerstin Gier

von Snjoka vor 12 Jahren

Rezension

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Snjokavor 12 Jahren
Die sechzehnjährige Gwendolyn Sheperd wohnt nebst Mutter und zwei jüngeren Geschwistern und einer mehr oder minder anstrengenden und stocksteifen Verwandtschaft in einem herrschaftlichen Anwesen mitten in London. Und Gwens Familie hat es ganz schön in sich: Tante Maddy hat Visionen, Cousine Charlotte besitzt angeblich ein Zeitreisegen und Gwen kann Geister sehen. Doch Gwen behält ihre Gabe meistens lieber für sich, denn im Mittelpunkt der Familie steht ihre gleichaltrige Cousine Charlotte, die zu allem Übel auch noch langbeiniger, charmanter, liebreizender ist. Charlotte wird schon von Kindesbeinen an mit Geschichts- und Mysterienunterricht und allem möglichem Primborium wie Fechten, Tanzen oder Reiten auf ihre bevorstehenden Zeitreisen vorbereitet und die ganze Familie wartet gespannt auf ihre erste Reise in die Vergangenheit, ist nahezu aus dem Häuschen. Doof nur, dass Gwendolyn ganz unerwartet, unvorbereitet und auf sich allein gestellt ihren ersten Zeitsprung zurück ins 19. Jahrhundert macht, obwohl sie das Zeitreisegen doch eigentlich gar nicht besitzen dürfte. Oder etwa doch? Und dann macht sie noch einen und noch einen... im quietschbunten Regenmantel, im Schlafanzug, in der Schulstunde,... Und so vermasselt die tollpatschige und unbedarfte Gwendolyn der lieblichen Charlotte und deren ehrgeizigen Mutter Glenda den großen Auftritt und durchrüttelt die Pläne der Geheimloge des Grafen von Saint German, der Wächter der Zeitreisenden. Und zum Leidwesen eines anderen Zeitreisenden, des achtzehnjährigen Gideon de Villiers. Der würde nämlich lieber mit der hübschen, eleganten und gebildeten Charlotte auf Zeitreise gehen, doch jetzt muss er sich mit Gwen, einem neugierigem, verkichertem und aufmüpfigem Teenager, zufriedengeben, um mit ihr eine ziemlich wichtige Aufgabe in der Vergangenheit zu bestreiten. Kann das gutgehen, wo doch Gwen ihr geschichtliches Wissen eher aus Historien- und Kostümfilmen aus Hollywood bezieht und somit mit ihrem Nichtwissen brillieren und in der Vergangenheit auffallen wird wie ein bunter Hund? Oder auch weil Gwen sich ja doch irgendwann eingestehen muss, dass sie den schnöseligen Gideon ganz süß und charmant findet? Und den Wächtern kann sie irgendwie auch nicht so richtig trauen und die ihr auch nicht... Tja, was soll ich sagen? Ich hatte irgendwie ein klein bisschen mehr von "Rubinrot" erwartet, denn jahrelang bin ich um die Trilogie mit den unzähligen Lobeshymnen, der nahenden Verfilmung und mit der wunderhübschen, auffälligen Gestaltung herumgeschlichen, um sie mir jetzt in der Sonderausgabe zu gönnen. Aber dennoch wurde ich nicht enttäuscht. Die Idee mit den Zeitreisen und deren Ausarbeitung ist süß, einfallsreich und macht irgendwie neugierig - wobei der Mythos um Zeitreisen in dieser Form sicherlich vor drei Jahren noch origineller als heute war. Man fühlt sich selbst wie in eine andere Zeit versetzt, auch wenn Gwen immer noch hauptsächlich im heutigen London ihr Unwesen treibt, aber in einer solch aristokratisch anmutenden Umgebung verweilt oder ihre Oma "Lady Arista" nennt. Gwen ist zudem ein tolles, lustiges, schlagfertiges Mädchen, man wünscht sie sich als beste Freundin, sie bietet eine gute Identifikationsmöglichkeit für junge Mädchen, aber irgendwie oder genau aus den Gründen kam ich mir stellenweise beim Lesen uralt vor. Vielleicht auch, weil die Seiten so jugendbuchgerecht dick waren und die Buchstaben sehr groß, sodass ich "Rubinrot" recht schnell gelesen hatte. Auf den etwa 340 Seiten war dann auch leider nicht so viel Handlung vorhanden, denn "Rubinrot" merkt man an, dass sie nur der Auftakt einer Trilogie bildet, da der Leser trotz Gwendolyns ungeplanter und plötzlicher Zeitreisen nur ganz langsam und behutsam in die Handlung und das Thema Zeitreise eingeführt wird und man hauptsächlich erst einmal alle wichtigen Figuren und die Loge der Wächter kennen lernt bevor ein wenig Spannung aufkommt. Sehr schön fand ich in diesem Zusammenhang die Aufzeichnungen aus den Chroniken der Wächter zu Anfang jedes Kapitels, sodass man sich langsam einen kleinen Wissensvorsprung vor Gwendolyn aufbauen konnte. Kerstin Gier verschießt noch nicht ihr ganzes Pulver, was aber auch andererseits sehr schön ist, da man bei "Rubinrot" nicht das Gefühl hat, dass die Geschichte mit dem ersten Band beendet und eigentlich alles erzählt ist - wie es bei vielen anderen Trilogien der Fall ist. Stattdessen endet "Rubinrot" an der Stelle, an der andere Geschichten erst einmal anfangen. Dafür weiß man, dass in den Folgebänden diese Geschichte weitererzählt und weiterentwickelt wird und nicht eine andere Handlung aus dem Hut des Autors gezaubert werden muss, um eine Trilogie zu rechtfertigen. Was aber auch bedeutet, dass man die folgenden Bände unbedingt lesen muss, da "Rubinrot" mehr oder weniger mitten in der Handlung endet, und ich das Gefühl hatte, dass man die Edelstein- Trilogie nicht unbedingt in drei Bänden hätte herausbringen müssen. Der Schreibstil ist außerdem locker, ironisch, liebevoll, jugendlich, zauberhaft, aber dann doch auch irgendwie einfach und flüssig. Ein weiterer Grund, warum man beim Lesen flott voran kommt und "Rubinrot" regelrecht verschlingen kann. Auch die Figuren sind ein wenig klischeebeladen und stereotyp, damit sie sich in eine jugendliche Geschichte einfügen und ihre Aufgaben erfüllen können. Aber dennoch bringen sie ganz schön viel Humor, Lebendigkeit und Pep in die Geschichte. Da wäre die ehrgeizige, von Neid zerfressene Tante Glenda, die gestrenge Großmutter Lady Arista, die schrullige Tante Maddy, die keiner so wirklich ernst nimmt, eine Schar undurchsichtiger Wächter, die über die Zeitreisenden und den Chronografen, die Zeitreisemaschine, wachen, eine Schneiderin mit französischem Akzent, die neugierige, lustige, stets hilfsbereite Freundin Leslie und nicht zuletzt der süße, aber arrogante love interest Gideon de Villiers. Zu eine meiner Lieblingsfiguren entwickelte sich dann regelrecht der mürrische Dr. White, mit dem sich Gwendolyn mehr oder weniger absichtlich herrlich amüsante Wortgefechte liefert. Eine jugendliche, humorvolle, zuckersüße, zauberhafte Geschichte mit einer sympathischen, amüsanten, flapsigen Hauptfigur - trotz meiner Kritikpunkte. Der größte Pluspunkt (neben dem Cover und der Zeitreiseidee mitten im heutigen und historischen London) ist eindeutig der Humor, den Kerstin Gier ihrer Ich- Erzählerin Gwendolyn in jeder Lebenslage, in jeder Epoche in den Mund legt. Mit viel Ironie nimmt sich Gwen selbst und ihre Umwelt nicht immer so ganz ernst. Und im Doppelpack mit ihrer besten Freundin Leslie verdoppelt sich dann auch der Humoranteil nicht nur rein rechnerisch. Die Geschichte ist wirklich zum kringeln! Und auch wenn ich mir stellenweise echt zu alt für die Geschichte vorkam, bin ich doch nicht von ihr losgekommen und habe den Kauf dann schlussendlich doch nicht bereut. Irgendwie wollte ich ja schon wissen, ob Gwen die altehrwürdigen Wächter noch auf die Palme bringen wird, ob Gwens betuchte Verwandtschaft ihre Contenance noch mehr verlieren wird, wann Gideon Muskelkater in seiner zu hoch getragenen Nase bekommt und was es mit Lucy und Paul auf sich hat, die es sich mit dem Zirkel der Zeitreisenden vor einigen Jahren verscherzt haben. Vor allem baut sich gegen Ende richtig Spannung auf, die Handlung nimmt Fahrt auf und man erfährt endlich, wie Gwendolyns und Gideons doppelbödige, undurchsichtige, vielleicht auch gefährliche Aufgabe in der Vergangenheit aussehen wird. Ein unterhaltsames, kurzweiliges, freches, liebevoll geschriebenes Zeitreisekomödchen mit ganz viel Wortwitz und herrlich ironischen Dialogen, lebendigen Figuren, historischem Flair nicht nur durch auftoupierte Perücken und gepuderte Näschen und einem Hauch Romantik für jugendliche Leserinnen- oder eben auch junggebliebene. Nett und niedlich! Zauberhaft und zuckersüß! Aber für die folgenden Bände würde ich mir neben jeder Menge Humor noch ein bisschen mehr Spannung wünschen. Und ich verstehe jetzt auch endlich, warum "Rubinrot" verfilmt wird - das könnte ein richtig schöner, lustiger, romantischer Kostümfilm für Jung und Alt werden. Bereit, Snjoka? Bereit, wenn Ihr es seid, Saphirblau und Smaragdgrün ;O) ! 4,5 von 5 Sternchen!
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