Cover des Buches Nach Onkalo (ISBN: 9783827013149)
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Rezension zu Nach Onkalo von Kerstin Preiwuß

In intensiver, lyrischer Sprache

von M.Lehmann-Pape vor 7 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 7 Jahren
In intensiver, lyrischer Sprache

Auch wenn dies, natürlich, kein Gedichtband ist (von denen Preiwuß bereits zwei veröffentlicht hat), die Nähe zur Lyrik, die feine Sprache, die gut gesetzten, ruhige und dennoch nachwirkenden Sprachbilder, die sie um ihren Protagonisten Hans Matuschek webt, zeigen deutlich die vielfältigen sprachlichen Möglichkeiten der Autorin auf.

Wie es ihr auch gelingt, die Atmosphäre im Buch immer wieder zu setzten und beizubehalten. Am Rande der Melancholie, doch nicht depressiv. Wie es eben so ist, das Leben „auf dem Lande“ hinter aller „Großstadt“. Wo einerseits das Umfeld überschaubar ist, aber innerlich in gleicher Weise Wichtigkeiten passieren, wie überall.

„Mutter ist weg. Stimmt nicht, sie liegt noch im Bett, aber Matuschek kann nichts Anderes mehr denken“.

Klar, wo die Mutter gerade gestorben ist, mit der der 40jährige Mann eng zusammenlebte, die den Alltag für ihn mitgeregelt hat und die ihn nun allein im zuvor gemeinsam bewohnte n Haus zurücklässt. Und allein, bei aller Genügsamkeit, auf Dauer ist das nichts für den Mann.
Was sich nicht lange danach herausstellen wird, als eine Frau in sein Leben tritt. Leider nicht ganz so eng und nah, wie er es sich wünschen würde.

„Matuschek macht das alles zu schaffen. Er ist betrunken und müde obendrein, so dass es beim Aufreißen der Lider immer nur für einen kurzen Blick zum Fernseher reicht“.

Irgendwie holpert und stolpert Matuschek, trotzdem es ihm gelungen ist, einen neuen Job zu ergattern, mehr durch das Leben, als das er nun eine klare Richtung aufzuweisen hätte. Ein Eindruck von Leere, Mattigkeit, von Orientierungslosigkeit, den Preiswuß durch ihre lakonische Form der Erzählung und die knappen, ohne Anführungszeichen gesetzten, wie im Einerlei des Lebens verrinnenden Dialoge hervorragend unterstreicht. Ohne jemanden, der das Leben für ihn regelt, verliert dieser Matuschek jeden Boden unter den Füßen. Was erschreckend in dieser Konsequenz zu lesen ist.

„Es geht darum, den Kopf über Wasser zu halten, sagt Igor“. Igor, der Bekannte, der, mit dem Matuschek Zeit verbringt, wie mit Witt, dem „Alten“. Aber genau das gelingt im Verlauf des Romans dem Mann immer weniger. Ein bitteres Erleben, dem sich der Leser kaum entziehen kann, das fesselt und zugleich abstößt, das Gefühle hervorruft und ein banges, eigenes Fragen. Denn nicht nur die Mutter stirbt gleich zu Beginn des Romans, auch Igor wird sich „aus dem Staub machen“ (in fast wörtlicher Art und Weise), und was dann folgt, ist eine düstere Beschreibung dessen, was das moderne Leben mit sich ziehen kann, wenn man einmal den ganzen Lärm der Städte und des Gewusels im eigenen Leben abzieht:

„—aber die Lücke, die Igor hinterlässt, wirft Fragen auf. Da ist keiner, der ihn zum Arzt schickt, wenn er krank wird, und dann wissen will, was das ist. Da kann kommen, wer will. Aber wo bleibt man dann?

Was die Kernfrage des Mannes und des Buches ist. Wo bleibt man dann, wenn selbst die fragilen, eher rudimentären Beziehungen wegbrechen? Wenn man, ein stark gewähltes Symbol im Buch, sich reduziert auf einen Verschlag, eine kleine Bootshütte als Lebensraum später. Wenn jeder Rahmen später wegbricht, man ganz auf sich geworfen ist? Was Preiwuß präzise und dicht als „Zustand“ aus immer anderen Richtungen zu beschreiben versteht.

Einfach, klar, nicht im eigentlichen Sinne unterhaltsam, aber überaus unbequem und letztlich mit harten Wahrheiten des Lebens versehen ist dies ein Roman, den man sich eher erarbeiten denn „einfach lesen“ kann. Allzu einfach macht es Preiwuß dem Leser nicht, weder mit ihrer Sprache noch mit dem bedrängenden Zustand, den sie intensiv als „nach unten rutschen“ zu schildern versteht.
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