Rezension zu "Vom Überleben unter Toten" von Kim Paffenroth
Ein Jahr ist vergangen seit dem “Ausbruch”, dem Tag, an dem die Untoten die Herrschaft übernahmen. Die beständig weniger werdenden Lebenden kämpfen seitdem verzweifelt um das Überleben der Menschheit.
Jonah Caine war Lehrer, nun ist er wie so viele auf der Flucht vor den Toten. Ziellos zieht er durch das Land, immer auf der Suche nach einem Versteck, das ihm eine weitere Nacht das Überleben sichert und ihm einen weiteren trostlosen Tag ermöglicht. Die Suche nach seiner Familie hat er aufgeben. Seitdem bewegt er sich ständig am Rande der Resignation, das Töten der Toten ist zur grausigen Routine geworden. Jeder weitere Kampf mit einer untoten Kreatur kann sein letzter sein.
Das Leben von Jonah wendet sich zunächst zum Guten, als er sich einer Gruppe von Menschen anschließt, die sich in einem Museum verbarrikadiert und dort auf Dauer eingerichtet haben. Diese Gemeinschaft der Überlebenden hat inmitten der Apokalypse zurückgefunden zu einer gesellschaftlichen Ordnung, die jedem einzelnen ein Mindestmaß an Schutz und Sicherheit bietet. Doch in ihrem Leben mit dem alltäglichen Horror haben die Überlebenden eines vergessen: die Untoten folgen einem ebenso unbewußten wie seelenlosen Verlangen. Der Mensch dagegen tötet mitunter aus reiner Mordlust. Eines Tages kommt es zu einer Konfrontation mit dem wahren Bösen in Gestalt einer anderen anderen Gruppe Überlebender …
Dying To Live ist kein typischer Vertreter des Zombie-Genres. Anders als sonst üblich werden explizite Schilderungen von Gewalt vom Autor in sparsamer Dosierung eingesetzt. Bezeichnenderweise ist es die Begegnung mit anderen Überlebenden, die in extremste Gewalt ausartet. Hier hält sich Paffenroth dann auch nicht zurück, so dass gegen Ende des Buches – der Höhepunkt der Eskalation wird erst spät erreicht – auch die bis dahin zu kurz gekommenen Freunde der härteren Gangart versöhnt werden dürften. Bis dahin jedoch ist Dying To Live ein eher langsames Buch – langsam, aber nicht langweilig. Paffenroth nimmt sich Zeit, die gegensätzlichen Charaktere überzeugend – mitunter ein wenig stereotyp auch in der Gestaltung der Dialoge – herauszuarbeiten und dem Leser die Trostlosigkeit der apokalyptischen Welt anschaulich zu machen.
Das zentrale Thema des Buches ist die Frage nach der Menschlichkeit angesichts des größten vorstellbaren Grauens. Wiederholt werden wir daran erinnert, dass selbst die wandelnden Toten in ihrem Leben menschliche Individuen waren. Scheinbar nebensächliche Symbole wie das Familienfoto in des Zombies Brieftasche entfalten eine starke Wirkung. Ein letzter Rest von Achtung vor den Toten steht im Gegensatz zum blanken Hass auf die Monster, die nun Jagd auf die Überlebenden machen. Diesen Gegensatz vermitteln die Figuren des Jonah Caine und der Ex-Soldatin Tanya. Während der eine die durch seine Hand endgültig Gestorbenen um Vergebung bittet, ist die andere voller Hass und Verachtung für die seelenlosen Hüllen.
Ein anderes Protagonistenpaar steht für die Frage, auf welche Weise Menschen in dieser Extremsituation erfolgreich geführt werden können. Da ist auf der einen Seite Jack, der Ex-Soldat und Pragmatiker, der von der Überlebenswichtigkeit klarer und mitunter harter Regeln überzeugt ist. Auf der anderen Seite der eher sanfte alte Milton, den eine spezielle Gabe in den Augen der Menschen zu einer Art spirituellen Führer macht. Ein Gespräch zwischen Jonah und Milton, das sich zwischen Shakespeare, lackierten Fußnägeln und Dantes Inferno bewegt, gehört zu den überzeugenden leiseren Passagen des Buches. Diese machen die sadistische Gewalt, die ausgerechnet von Mit-Menschen ausgeht, umso verstörender.
Dying To Live ist ein für das Genre wohltuend intelligentes Buch mit glaubwürdigen Charakteren und schlüssiger Handlung. Zwar gibt es nichts, was nicht spätestens seit The Walking Dead zur “Standardhandlung” gehört, doch die Beschäftigung mit dem Aspekt der Menschlichkeit in der Apokalypse macht die Geschichte zu etwas Besonderem. Die Tatsache allerdings, dass die Geschichte komplett von einer Handvoll leicht klischeehafter Figuren getragen wird und die weiteren Überlebenden praktisch nicht stattfinden, stellt einen der wenigen nicht allzu schwerwiegenden Kritikpunkte dar.