Cover des Buches Lappalie (ISBN: 9783837066821)
Rezension zu Lappalie von Kirsten Marohn

Rezension zu "Lappalie" von Kirsten Marohn

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 14 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 14 Jahren
Der Roman wurde mir in der gebundenen Ausgabe von der Autorin Kirsten Marohn als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Danke noch einmal an dieser Stelle! Obwohl ich zuerst Kirsten Marohns Roman "Bunte Fische" (http://natiraszeit.blogspot.com/2009/12/bune.html) gelesen habe, handelt es sich bei "Lappalie" um den ersten ihrer bislang erschienenen zwei Romane. Auch von "Lappalie" findet Ihr eine Leseprobe (ebenso wie zu "Bunte Fische", außerdem Informationen über Kirsten Marohn und ihre aktuelle Projekte) auf der Homepage der Autorin www.kirstenmarohn.de. Worum geht es? Die Protagonistin ist Jasmin, auch genannt "Jazz", 33 Jahr jung, in einem Supermarkt arbeitend und Besitzerein eines Golden Retrievers namens Flocke. Sie ist seit 12 Jahren mit dem Schriftsteller Henrik verheiratet. Das Sexleben in ihrer Ehe ist für Jasmin eine Qual und Henrik empfiehlt ihr einen Besuch bei seinem Vater, der schließlich Gynäkologe ist. Und bereits im zweiten Kapitel des Buches wird klar, warum Jasmin dies niemals tun wird: Vor 12 Jahre hat ihr Schwiegervater sie in der Silvesternacht vergewaltigt, was Henrik nicht weiß. Jasmin "arbeitet" seit Jahren daran, dieses Vorkommnis allein zu bewältigen: Sie war betrunken, war sie nicht selbst schuld? Kann sie nicht weitermachen wie bisher? Will sie das überhaupt noch, jetzt mit Henriks Affären und ihrem Schwager Sven, der ihr über die Jahre immer vertrauter wurde? Der erste Satz: "Auf dem Nachttisch neben der Leselampe konnte sie den Radiowecker erkennen." Nachlese: Es sind nur 200 Seiten, die der Roman - Hardcover aus dem BOD-Verlag Norderstedt (kräftiger Einband), Leseband, glattes festes Papier - umfaßt. Aber diese 200 Seiten haben es in sich. Während das aktuelle Geschehen auf einen Tag angelegt ist (Nacht zum 24.12. bis Nacht zum 25.12.2004) , umfaßt der Roman selbst doch 12 Jahre. Neben dem aktuellen Geschehen an diesem einem Tag kommt Stück für Stück Jasmins Geschichte ans Tageslicht: die Heirat, die Silvesterfeier 1992, die Vergewaltigung, Jasmins Versuche, kurz darauf mit Henrik zu reden, ihre Selbstzweifel, ... und die einsetzende schleichende Entwicklung: Die Vergewaltigung war doch nur ein einmaliges Vorkommnis, unbedeutend, nicht der Erwähnung wert, eine "Lappalie": Und Henrik, nein, Henrik hat keine Affären. Nicht in diesen Extremen, aber wer kennt das nicht: Das Schönreden, das Augenverschließen vor Wahrheiten; die Kreativität, die wir entwickeln, um so manchen Erkenntnissen aus dem Weg zu gehen.. Oder um einfach zu überleben.Weil man manchmal keine Wahl hat, als mit Entscheidungen und Vorkommnissen zu leben; mit anderen aber definitiv nicht: Selbstverständlich ist Vergewaltung keine Lappalie. Und das Verdrängen funktioniert nicht, was Jasmin erkennen muß. Als Außenstehende kam ich nicht umhin, mich zu fragen: Warum in aller Welt redest Du mit niemandem? Selbstzweifel, Scham und Angst stellen sehr wirksame Knebel dar; ich hoffe, Betroffene können die Kraft aufbringen, diese Knebel zu lockern und zu entfernen ... Kirsten Marohn kreuzt Erinnerungen mit Realität und Wunschtraum, erzählt die Geschichte - aus Drittperspektive - nicht immer gradlinig (Erinnerungen), läßt Raum für den Leser. Keinerlei Distanz existierte, als die Autorin den Vergewaltigungsakt schildert: die Reduzierung Jasmins auf ein Stück Fleisch, so erniedrigend und abstoßend, gerade auch weil der Akt fast "nebenbei" geschah. Auch fand ich Zugang zu den männlichen Charakteren und Jasmin, wohingegen ich leider wenig über Lisa, Jasmins Freundin, erfahren habe. Wie der zweite Roman der Autorin "Bunte Fische" ist auch dies ein ruhiger Roman, dessen Spannungsbogen durch Jasmins aktuelle Entscheidungen erzeugt wird. Und mehr braucht es meiner Meinung auch nicht. Die Grundstimmung ist auch nicht etwa nur bitter: Zu Beginn des Romans steht Jasmin an einer Kreuzung.Sie reflektiert und geht voran. Wohin? Lest selbst! Und ja, auch leiser Humor ist in diesem Roman zu finden (z.B. Flockes Überlegungen zum Futterwechsel). Es ist noch nicht so lange her, daß ich 3,5 * für "Bunte Fische" vergeben habe. Dieser Roman berührte mich noch stärker, daher: 4 Sterne Was mir noch aufgefallen ist: Die Schneeflocke auf dem Vorblatt und dem Titelblatt finde ich schön. Auch die Gestaltung des Schutzumschlages greift eine Romanszene schön auf. Der Namen "Bruno" für den Kater fiel mir richtig auf und ich finde ihn wunderbar gewählt, das muß ich hier mal loswerden.Wie "Bunte Fische" wird auch dieser Roman mit einem Songzitat eingeleitet, dieses Mal von Bruce Springsteen aus "All the way home". "Now you got not reason to trust me, my confidence is a little rusty, but if you don't feel like bein' alone, baby, I could walk you all the way home"
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