Rezension zu Die Kalligraphin von Kirsten Schützhofer
Rezension zu "Die Kalligraphin" von Kirsten Schützhofer
von beowulf
Rezension
beowulfvor 15 Jahren
Nichts gegen Marketing- aber der Titel führt- wie der Text auf der Rückseite des Einbandes- alle die in die Irre, die feste Erwartungen in einen "Die ...in" Titel haben, die seichte, leicht romantische Liebesgeschichten in historischer Kulisse, ein paar derbere Sexszenen dazu und starke Frau setzt sich in böser Männerwelt durch erwarten und solch eine Geschichte lesen wollen. Nur - solche Bücher schreibt Kirsten Schützhofer nicht- solche Erwartungen enttäuscht sie schwer. Kirsten Schützhofer schreibt gut recherchierte historische Romane, Romane die uns in eine Zeit hineinversetzen, so lebendig und bildhaft, dass man sich als Leser die Nase zuhalten möchte, wenn der Gestank des Krieges beschrieben wird und der Duft von Zimt den Raum erfüllt, wenn die Protagonistin ihre Sauermilch trinkt. Das Thema Sklaverei in Deutschland, hier am Beispiel von "Kriegsbeute" aus dem Türkenland- in Wirklichkeit Kinder aus Ungarn, "erworben" nach dem Sturm von Ofen- eines Teils des heutigen Budapest- und den Umgang mit diesen "Teufeln" stellt den einen Handlungsstrang dieses Romans dar- der Verlauf des Krieges des sächsichen Kurfürsten August des Starken um die polnische königskrone bildet den zweiten zeitgeschichtlichen Schwerpunkt. Der kursächsische kleine Landadel stellt die Protagonisten: Soldaten, Höflinge, Gutsbesitzer. Die Assimilation der zwei Türkenkinder in diese Gesellschaft, -die sich unterschiedlicher nicht darstellen könnte- bestimmt den Verlauf der Geschichte. Da ist zum einen Ibrahim, der sich nach der Trennung von der Schwester taufen lässt und ganz Teil wird der Gesellschaft, der Familie und seiner Umgebung, zum anderen die Schwester Habar, die von ihrem Vater einst das Schreiben gelernt hat und die das Schreiben liebt- die Kalligraphin. Sie lernt schneller als der Bruder die neue Sprache, aber sie bleibt ihrem "türkischen Weg" treu- sie, die sich später auch taufen lassen wird schreibt den Namen Allahs weiter auf Papier, nennt ihre Tochter nach ihrer Mutter Esme und erzählt die Geschichten aus der Vergangenheit- auch wenn sie die Güter ihres Herrn kundig verwaltet und Realistin genug ist zu wissen, dass es keinen Weg zurück geben kann. Aber das Buch ist von Kirsten Schützhofer und damit ist klar, dass es keine strahlende Heldin gibt, die das Buch alleine trägt und prägt, sondern viele handelnde Personen, die ihre Zeit und ihre Stellung in ihr repräsentieren, deren Wandel und Handel, deren Erfolg und deren Scheitern die Geschichte tragen und dieses Buch zu dem machen, was ein Buch von Kirsten Schützhofer für mich bisher stets war: Ein tolles Leseerlebnis.