Rezension zu "Körperkult" von Kit Reed
Auf den ersten Blick scheint "Körperkult" sich in eine Reihe mit Globalisierungssatiren wie "Logoland" von Max Barry stellen zu können. Die Thematik ist ähnlich. Es geht um die globalisierte Gesellschaft von morgen. Während "Logoland" einen Schwerpunkt auf den Markenterror setzt, geht es bei "Körperkult" um die Oberflächlichkeit einer Gesellschaft, die auf Äußerlichkeiten mehr Wert legt, als auf Persönlichkeit und Charakter. Es herrscht ein aus heutiger Sicht absolut überzogenes Figur- und Fitnessbewusstsein vor. Fast-Food-Ketten gibt es zwar immer noch, aber dort sündigen kann natürlich nur, wer anschließend im Fitnessstudio Buße tut.
Radikaler wird Reeds Utopie, wenn sie ihren Blick auf die Menschen richtet, die es nicht schaffen, die aufgezwungene Norm zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund erzählt Reed ihre Geschichte anhand des magersüchtigen 16-jährigen Mädchens Annie und des reichen, übergewichtigen Geschäftsmannes Jeremy. Die Klöster der "Guten Schwestern", hermetisch abgeriegelt von der Gesellschaft, wirken wie ein Zwischending aus Gefängnis und Krankenhaus. Wer hier wie Annie zum Abspecken einquartiert wird, für den rückt die Freiheit in ganz weite Ferne. Sylphania, wo Jeremy die Pfunde purzeln lassen will, setzt darauf noch eins drauf. Ein riesiger Camp mitten in der Wüste. Wer sich hier mit viel Geld einen Platz zum Abspecken sichert, haust in einem verrosteten Wohnwagen, wird wie ein Gefangener behandelt und hat nur geringe Aussichten jemals davon erlöst zu werden. Das Ganze erinnert an eine Mischung aus Internierungslager und "Big Brother".
Das wirkt für sich betrachtet schon recht abgedreht, dennoch erschien mir Reeds Roman nicht ganz so bitterböse, wie es beispielsweise Max Barrys "Logoland" ist. Nicht alle Erzählstränge werden überzeugend präsentiert, nicht alle Figuren hinterlassen Eindruck. Auch die eine oder andere Frage, die mehr oder weniger ungeklärt im Raum zurück bleibt trübt am Ende ein wenig die Freude. Der bereits im Klappentext versprochene Aufstand tritt erst auf den letzten 50 der insgesamt 381 Seiten ein und verläuft weniger radikal als man von einer "bitterbösen Satire" (Zitat Klappentext) eigentlich gerne erwarten möchte. Insgesamt bleibt das Ende, das Reed mit einigen offen in den Raum gestellten Fragen dem Leser allein überlässt, ein wenig schwammig und unbefriedigend.
Fazit: Nicht immer hundertprozentig schlüssig und erzählerisch souverän, aber schon aufgrund des entworfenen Szenarios dennoch lesenswert.