In einer seiner alltäglich-irrwitzigen Geschichten weist Klaus D. Klimke auf einen höchst nüchternen Eintrag des Arbeitsamtes hin: "Zu alt, nicht mehr vermittelbar" - eine nebenbei geäußerte und quasi unschuldig klingende Bemerkung.
Wann jedoch hat man zuletzt eine Sammlung von Gedichten und kurzen Prosastücken in Händen gehalten, die mittels so sparsamer und bewusst schlichter Formulierungen eine derart große Wirkung erzielt und gleichsam so viel Inhalt vermittelt?
Einerseits muten Klimkes minimalistische Erzählungen "Eindeutige Zweideutigkeiten" federleicht und frei von Larmoyanz an, andererseits ist ihnen die schwere Anziehungskraft einer ironischen Tiefe zueigen, welche den Leser in ein emotionales Wechselbad aus Freude und Trauer eintauchen lässt. Eine treffliche Mischung, die trotz aller kurzweiligen, schnell (durch-)gelesenen Lektüre wie ein Nachklang von wahrhaftig gelebtem Dasein haften bleibt. Der Autor vermag seelischen Befindlichkeiten einen bald poetischen, bald augenzwinkernden Ausdruck abzuringen, und oft steht zwischen den Aussagen unendlich viel mehr, als das schmale Volumen des Bandes auf dem sprichwörtlich ersten Blick vermuten lässt. Sicherlich diente ein großzügig gewähltes Textbild dem Autor primär dazu, sein literarisches Kaleidoskop auf immerhin/wenigstens 75 Seiten entfalten zu können, dennoch entsteht im nachdenklichen Leser der Eindruck, dass diese Zwischenräume die Möglichkeit für eigene Erwägungen aufzeigen wollen.
Nur angedeutet ist der Schmerz etwa, als im Laufe der verschiedenen Episoden Gevatter Tod einen Menschen an sich reißt und dessen Leben gnadenlos abrupt auslöscht. Fünfzehn Jahre darauf - eine kleine Ewigkeit - steht die Zurückgebliebene erneut auf dem Friedhof:
"Eine kahle Schneise zog sich durch die Wiese hindurch, an ihrem Rand ein Bulldozer. Die Schaufel tief in den Boden gerammt, wartete er auf den Tag. Sie (die Frau) war zu spät gekommen."
Die Friedhofsverwaltung hatte es bereits kundgetan: der Parkschein war abgelaufen.
Derart unaufgeregt, unaufdringlich, zugleich von federleichter Hand und tief schürfend wie ein Bulldozer trägt Klaus. D. Klimke seine Lebensfragmente an den Leser heran, und er kann nicht umhin, die Zeugnisse eines alltäglichen Daseins aus ihrer Banalität zu befreien.
Für eine Eintagsfliege, weiß Klimke zu berichten, vergehen die Stunden buchstäblich im Fluge, was bleibt dem Insekt am Ende des Tages zu wünschen übrig, da sich die anderen ringsum plötzlich ans Herz fassen und haltlos hinab stürzen: "in die Erdbeermarmelade (schöner Tod!), in das Hundefutter (nicht ganz so schöner Tod!), in den Kochtopf (schrecklicher Tod!)."
Die "Eindeutigen Zweideutigkeiten" sind während der Dauer eines leicht bewölkten Nachmittags durchgelesen, doch keineswegs werden sie unbeachtet in jenem großen Kochtopf landen, wo eine ungenießbare Suppe aus fader, inhaltsloser Literatur seit geraumer Zeit vor sich hin köchelt.
Peter Pitsch