Hildebrand schreibt eine Geschichte der deutschen Außenpolitik als reine Ereignisgeschichte, und nach dem Motto, dass Männer Geschichte machen. So gibt es neben den Ereignissen immer wieder auch Charakterskizzen von Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern, da von deren Fähigkeiten und Mängeln die Ergebnisse seiner Meinung nach abhängen.
Dabei steht der Stil dem Verständnis entgegen. Mir wurde nicht recht einsichtig, welche Ereignisse Hildebrandt schildert und welche er als bekannt voraussetzt und nur erwähnt. Der größere Mangel war für mich aber seine Bildhaftigkeit. Natürlich macht es die Sache anschaulicher, und man denkt, man versteht es besser. In Wahrheit ist die Deutung eines Bildes - auch eines Sprachbildes - aber nicht eindeutig und so erschweren Metaphern das Verständnis eher.
Und als Frankreich zugeneigter Mensch fand ich ihn oft auch unfair: Erklärung für die britische Beschwichtigungspolitik findet er viele Gründe, aber die französische Politik gegenüber Deutschland wird als über hart qualifiziert, ohne Ursachen zu erwähnen.
Aber: Besonders an den Kapitelenden geht Hildebrand auf die langfristigen Strukturen ein und die finde ich interessant. Das Reich hat als Macht in der Mitte und als Newcomer immer unter dem Misstrauen der anderen Großmächte zu leiden gehabt. Wenn Frankreich und England sich Kolonien zusammenklauten, war das ok (vom europäischen Standpunkt aus) wenn Deutschland das machte, war es aggressiv. Es gab Außenpolitiker wie Bismarck und Stresemann, die darauf Rücksicht nahmen und Machtpolitik und europäische Kooperation zu verbinden suchten und andere, die diese Einschränkungen gewaltsam besseitigen wollten und dann waren die Folgen manchmal katastrophal.
Und dann gibt es ja noch den eigentlichen Grund, warum man solch eine Geschichte der Außenpolitik liest: Ist das alles vorbei, sind die Staatenbeziehungen heute ganz anders oder könnte das wieder geschehen?