Rezension
walli007vor 11 Jahren
Am Morgen An einem Morgen im August des Jahres 1956 erhält der Schriftsteller Lion Feuchtwanger ein Telegramm mit der Nachricht vom Tode seines Freundes Berthold Brecht. Er wird zu dem Staatsakt anlässlich der Beerdigung eingeladen. Ost-Berlin kann er aus seinem Kalifornischen Exil allerdings nicht an einem Tag erreichen, deshalb kommt ihm die Einladung gleichzeitig wie eine Ausladung vor. Dennoch betrauert er den frühen Tod seines Freundes und erinnert sich an gemeinsame Lebensstationen und auch an Ereignisse des eigenen Lebens. Er ist einfach gut dieser Autor. Das bewog mich in der Bücherei zuzugreifen als ich das Buch sah. Was hast du dir denn da geliehen, war mein Gedanke als ich mit dem Lesen begann. Zwar kenne ich einen kleinen Teil des Werkes von Brecht allerdings nichts von Feuchtwanger. Ich bewegte mich also in relativ unbekannten Terrain. Sollte ich das Buch überhaupt beenden? Ach, was knapp 200 Seiten, warum nicht. Und es ist klasse. Der Autor schafft es einfach auch eine unbekannte Welt mit prallem Leben zu füllen. Förmlich hört man Brecht agitieren und Feuchtwanger beruhigen. Sie streiten und beleidigen sich, um sich Minuten später mit einem Lachen zu versöhnen. Die Beschreibung des in Erinnerungen versunkenen Feuchtwangers, seine Zerstreutheit, sein Ringen ums Wort zieht einen einfach in ihren Bann. So wird Interesse geweckt am Leben und Wirken zweier Autoren, deren Lebenswege sich kreuzten und trennten. In einigen kurzen Stunden verbrachte ich einen Tag mit dem älteren Lion Feuchtwanger, der dem Alter trotzen möchte, sich aber leider gut zwei Jahre später dem Krebs geschlagen geben musste. Ein wunderbares Erlebnis, dass durchaus Auswirkungen auf meinen Lesekanon haben wird.