Kopano Matlwa

 3,8 Sterne bei 12 Bewertungen

Lebenslauf

Ein südafrikanisches Vorbild für Menschen: Kopano Matlwa wird 1985 in Südafrika geboren. Sie wollte schon früh viel erreichen, wollte unter anderem Ärztin, Autorin und Menschenretterin werden und studierte an der University of Oxford, wo sie ihren Doktortitel in Public Health erreichte. Heute ist Matlwa Medizinerin und engagiert sich in sozialen, wissenschaftlichen und ehrenamtlichen Projekten.

Daneben ist Kopano Matlwa Schriftstellerin. Ihren ersten Roman »Coconut«, der sich mit den Themen Rasse, Klassengesellschaft und Kolonialisierung beschäftigt, veröffentlichte sie 2007. Weltweit große Bekanntheit erlange sie 2010 mit ihrem zweiten Roman, »Spilt Milk«.

Ihr dritter Roman, »Period Pain« von 2017, war ebenso erfolgreich wie die beiden Vorgänger und erschien als ihr erstes Buch 2019 auch in einer deutschen Übersetzung unter dem Titel »Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist«.

Für ihre Arbeit als Wissenschaftlerin und Schriftstellerin wurde Matlwa bereits mehrmals ausgezeichnet, unter anderem gewann sie den European Union Literary Award 2006/07, den Wole Soyinka Prize für Literatur in Afrika 2010 und den Sunday Times Fiction Prize 2011.

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Südafrikanische Probleme?

‚Die Ausländer fressen uns alles weg‘, ist keine Aussage aus Deutschland, sondern aus Südafrika! Dieser Rassismus war mir bisher nicht bewusst und bewegte mich mit seinen Auswüchsen sehr!

Die Ich-Erzählerin Masechaba schreibt in ihr Tagebuch alles, was sie bewegt, ob es die extrem heftigen Regel-Blutungen sind, die ihr Leben einschränken und sie zur Einzelgängerin machen, oder ihre starke Beziehung zu ihrem Bruder und einzigen Freund Tshiamo, der sich das Leben nahm und auch von ihrem Arbeitsalltag als Assistenzärztin, überlastet wie überall auf dieser Welt. 

Ich freute mit ihr am Tag ihrer Promotionsfeier und dass sie mit ihrer Freundin Nyasha in eine Wohnung nahe beim Krankenhaus zusammenzog. ‚Nyasha war so tapfer, so witzig, so kompromisslos‘ und aus Simbabwe – sie will immer kämpfen. Von Masechabas Ma (kirchentreu, gottesfürchtig und menschenfreundlich) wird Nyasha jedoch vehement abgelehnt: sie runzelt jedes Mal die Stirn, wenn Nyasha erwähnt wird und probiert auch nie vom Essen, das diese gekocht hat. Einfach aus dem Grund, weil Nyasha Ausländerin ist.

Ich las von Nachrichten, die im Fernsehen liefen und von brennenden Baracken, brennenden Läden und verbrannten Menschen berichteten - von fremdenfeindlicher Gewalt, die sich wie ein Buschfeuer ausbreitet.

Und dann werden wir ca. in der Mitte des Buches mit der ‚Korrekturvergewaltigung‘ Masechabas konfrontiert und danach ist nichts mehr, wie es vorher war. Das anschließende Hadern mit Gott in ihrem Tagebuch geht gewaltig unter die Haut! Ebenso die Reaktion von Nyasha mit ihrem Rat, es niemanden zu erzählen, weil es den Weißen nur noch mehr Munition gäbe, ‚uns niederzumachen‘! 

Ernüchternd und erschütternd die Erkenntnis der Protagonistin auf S. 169: „Ich bin nur ein weiterer Fall für die südafrikanische Vergewaltigungsstatistik. An meiner Geschichte ist nichts Besonderes, sie passiert überall, tagtäglich. Es spielt keine Rolle, dass ich hochgebildet bin, dass ich eine Petition aufgesetzt habe, die es bis in die Zeitung geschafft hat. Ich habe eine Scheide. Nur das zählt.“

Die 1985 geborene Autorin Kopano Matlwa, auch Ärztin, ausgezeichnet mit dem European-Union-Literary Award, hat mich mit diesem Roman gewaltig aufgewühlt: in der klaren Sprache und ihren zahlreichen Hinweisen auf die vorhandenen Missstände. Von ihr hoffe ich, noch weitere Bücher lesen zu können! Deshalb: überzeugte 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung!

Du musst stark sein, wenn du dieses Buch liest

Für die Lektüre dieses Buches sollte man sich in einem gefestigten Gemütszustand befinden. Denn die junge südafrikanische Autorin Kopano Matlwa, selbst Ärztin, schreibt in diesem Roman nicht nur über die Überlastungen einer jungen Ärztin im Praktischen Jahr an einem unterbesetzten Krankenhaus in Johannesburg, sondern außerdem über den Rassismus von Schwarzen Südafrikaner:innen gegenüber Einwanderer:innen anderer afrikanischer Staaten, und vor allem auch über sexualisierte Gewalt und deren Folgen. Das ist der Part, für den man besonders stark sein muss bei der Lektüre dieses großartigen Romans.

Die Ich-Erzählerin – und wie man zügig erfährt, Tagebuchschreiberin – des Romans ist Masechaba, eine junge Ärztin, die (mit erschreckenden Parallelen zu ärztlicher Kolleg:innen in vielen anderen Ländern der Welt) massiv überarbeitet und mitunter auch stark überfordert aufgrund der ihr aufgebürdeten Verantwortung ist. In der ersten Hälfte des Romans begleiten wir sie in ihrem Alltag, der nicht nur von Überarbeitung sondern auch der Ausländerfeindlichkeit von Schwarzen Menschen untereinander durchsetzt ist. Masechaba rutscht zunehmend ob der Widrigkeiten des Alltags in eine schwere Depression, was den Tagebucheinträgen immer stärker anzumerken ist. Doch zum völligen Zusammenbruch kommt es erst, als sie, nachdem sie sich für ihre ausländischen Kolleg:innen eingesetzt hat, von drei fremdenfeindlichen Männern in einer Vergeltungstat vergewaltigt wird. Dies ereignet sich bei der Hälfte des nur 200 Seiten dünnen Buches und ab diesem Zeitpunkt verändert sich alles im Leben unserer Protagonistin, sowohl bezogen auf ihre Psyche aber auch ihre Familie und Freunde. Ob und wofür es sich trotzdem noch lohnt, weiterzuleben, erarbeitet man nun gemeinsam mit Masechaba mithilfe des eindringlichen Erzählstils der Autorin.

Die Sprache der Autorin ist niemals ausufernd, sondern immer punktgenau und authentisch formuliert. Und auch wenn sie gerade die Gewaltszenen nicht ausführlich schildert (zum Glück), reichen ganz kurze Nebensätze, um die mitfühlende Leserin tief verstören zu können. Hier sollte jede:r für sich entscheiden, ob man stark genug ist, der Autorin in diese Dunkelheit zu folgen. Jedoch gibt es auch Licht in diesem Roman und das macht ihn so besonders. Das sehen wir schon am Titel „Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist.“ Im Original heißt der Roman übrigens „Period Pain“. Meines Erachtens sehr passend, da es sehr stark um das Selbst- und Fremdverständnis von Frauen geht. Die Autorin verbindet dies mit der Fremdenfeindlichkeit. Als Masechaba mit ihrer ärztlichen Kollegin und Freundin aus Simbabwe über die zunehmende Fremdenfeindlichkeit spricht, vergleicht diese Freundin die (zu diesem Zeitpunkt noch „nur Alltagsfremdenfeindlichkeit“) mit „Wachstumsschmerzen“, die gerade Südafrika durchmache, Masechaba nennt es „Regelschmerzen“. Etwas, was nicht nur einmal im Leben auftritt und dann ist man darüber hinweg, nein, etwas, was immer wieder auftritt und auch zukünftig ziemlich sicher auftreten wird. So war es mir bis zu dieser erhellenden Lektüre nicht bewusst, dass in Südafrika Schwarze Ausländer so massiv diskriminiert werden und starken Gewaltausbrüchen zum Opfer fallen. Fremdenfeindliche Gewalt breite sich aus, „wie ein Buschfeuer“, Menschen werden mitunter bei lebendigem Leib angezündet und verbrannt. Viele Menschen, so auch die Mutter Masechabas sind der Meinung: „Sie kommen in unser Land, um uns alles wegzunehmen, wofür wir gekämpft haben“. Letztendlich wird jedoch wieder alles zurückgeworfen auf den Unterschied fernab der Hautfarbe, der Menschen zu oft zu Tätern und Opfern werden lässt: Der Unterschied zwischen den Geschlechtern. So legt Matlwa ihrer Protagonistin die eindringlichen Worte in den Mund:
„Ich bin nur ein Fall für die südafrikanische Vergewaltigungsstatistik. An meiner Geschichte ist nichts Besonderes, sie passiert überall, tagtäglich. Es spielt keine Rolle, dass ich hochgebildet bin, dass ich Ärztin bin, dass ich eine Petition aufgesetzt habe, die es bis in die Zeitung geschafft hat. Ich habe ein Scheide. Nur das zählt.“

Mich konnte dieser Roman aufgrund seiner knappen aber ausdrucksstarken Sprache, der gesellschaftlichen Sprengkraft und der psychologischer Nachvollziehbarkeit tief bewegen. Diese Autorin schreibt erbarmungslos ehrlich und legt den Finger in gleich mehrere Wunden, nicht nur Südafrikas sondern auch vieler anderer Länder dieser Erde. Dafür hat sie meine Hochachtung verdient und ich hoffe, es werden zukünftig noch weitere ihrer Romane ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht. Nach der Lektüre war ich teilweise verstört, zerstört, aber eben auch ein kleines bisschen mit Hoffnung erfüllt. Eine dringende Leseempfehlung für dieses erstaunliche Werk!

"Ich wäre gern eine Heldin in irgendeiner Form, aber das habe ich nicht in mir." (S. 82)

Nein, zur Heldin taugt Protagonistin Masechaba in Kopano Matlwas Roman Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist nicht. Aber auch nicht zur klassischen Antiheldin. Vielmehr ist Masechaba ein durchschnittlicher Mensch, eine durchschnittliche Frau, eine durchschnittliche Ärztin, die ihren Alltag in Johannesburg irgendwie zu meistern versucht. Sie ist wütend ob der immer noch herrschenden Ungerechtigkeit auch Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid; sie ist überfordert von ihrer Arbeit in einem instabilen Gesundheitssystem; sie hat Angst vor „der Bestie“ in ihrem Körper, die zwar seit Jahren ruht, doch jederzeit wieder ausbrechen kann; und vor allem ist sie zu lethargisch, um sich dem Kampf ihrer Freundin Nyasha anzuschließen, die an einen Wandel des Systems glaubt. Denn glauben tut Masechaba höchstens an Gott, auch wenn sie sich häufig von ihm verlassen fühlt. Ihr Ziel ist es, irgendwie durchs Leben zu kommen. Ihre Hoffnung ist, dass es schlimmer eigentlich nicht mehr werden kann…


Leben ist das Gefährlichste überhaupt. Es kann einem jederzeit alles passieren. Tot sein ist sicherer. (S. 129)


Es ist ein ambivalentes Buch, dass die südafrikanische Autorin Kopano Matlwa mit Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist vorlegt. Hauptfigur Masechaba ist laut, wütend, rasend und schreit ihren persönlichen Schmerz und das gesamte Leid ihres Landes mit einer Inbrunst, wie sie selten in der Literatur finden ist, aus sich heraus. Gleichzeitig zeigt sich auf jeder einzelnen Seite, in jeder einzelnen Zeile ihre Schwäche, ihre Ohnmacht, ein Kleinlauttum, das sie vor dem System ihres Landes und dem als göttlich hingegeben Plan für ihr Leben verstummen lässt. Sie ist fatalistisch, depressiv und doch glimmt immer wieder ihre Hoffnung auf Gott durch und auf einen Seelenfrieden, den sie (wenn schon nicht in diesem Leben) im Jenseits erreichen wird; zugleich ist ihr Glaube schwankend, ihr Zweifel an Gott wächst – vor allem im Angesicht der schweren Schicksalsschläge, die sie in ihrem Leben erleidet. Es ist einfach, Masechabas Gedankengängen und den Wechselbädern ihrer Gefühle zu folgen, lässt Kopano Matlwa diese doch ganz unmittelbar in Tagebucheinträgen an uns mitteilen. Und doch bleibt einem diese Figur und vor allem, das was sie erlebt, bis zum Schluss fremd, ja wenn nicht gar befremdlich.


Dies liegt meiner Meinung nach an der sehr fragmentarischen Erzählweise Matlwas, die versucht auf extrem wenigen Seiten (das Buch zählt gerade mal knappe 200) eine Fülle von Themen unterzubringen: Rassismus, Apartheid, Staatsversagen, Verrohung der Gesellschaft, Glauben und Religion, Sexismus, Frausein, Gewalt, Tod, Verlust. Es sind große politische wie auch private Themen und auch wenn natürlich alles zusammengehört und Wechselwirkungen aufgezeigt werden sollen, fügen sie sich für mich nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammen. Jenseits der großartigen Erzählstimme, die Kopano Matlwa hier installiert, kann das Erzählte an sich nicht wirken, es bleibt ein Hintergrundrauschen, eine bloße Kulisse, die an einem vorbeizieht, ohne jedoch im Gedächtnis wirklich haften zu bleiben.


Insgesamt erzeugte dies bei mir den Eindruck, Fingerübungen bzw. die Vorlage für einen Roman zu lesen – und nicht das tatsächliche Werk an sich. Eine Vorlage, die aber zugegebenermaßen Lust auf mehr macht: Kopano Matlwa erschafft eine realistische und nahbare Heldin, sie scheut sich nicht, unbequeme Dinge bei ihren schmerzhaften Namen zu nennen und kann auch in struktureller Hinsicht mit dem Tagebuchformat und der Wahl des inneren Monologes bei mir Punkten. Für einen geglückten Roman fehlt mir jedoch zu viel – vor allem auf inhaltlicher Ebene habe ich eine Stimmigkeit zu sehr vermisst. Deswegen ist für mich Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist ein interessanter Ausflug nach Südafrika, den ich gerne mit der Autorin noch einmal begehen würde, der am Ende aber zu weit von einem literarischen Highlight entfernt bleibt. Ich vergebe wohlwollende 3 Sterne und bleibe gegenüber weiteren Werken der Autorin neugierig und offen.

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