Die deutsche Mittelschicht wird von Missgunst und Langeweile bestimmt, der Frankfurter Banker Gernot (51) ist kein Einzelschicksal. Gleich zu Anfang lernen wir beim Begräbnis seine zerstrittene, von Vorurteilen und Klischees beherrschte angesehene Familie kennen. Nur die gescheiterten Aussteiger sind noch schlimmer, fühlen sich allen überlegen, obwohl sie nicht einmal eine Tasse Kaffee selbst bezahlen können. Und zu so etwas hat man einst aufgesehen! (Noch immer liegen ihnen die Kellnerinnen zu Füßen,. verdammt noch mal!)
Doch wer es geschafft hat und ‹dazugehört›, ist so leicht mit seinesgleichen zu verwechseln, dass der Tod oder ein entlaufener Altenheimmörder genauso gut ihm wie jedem anderen noch ein Jahr Restlebenszeit gewähren kann - und sogar dies ist ein Zufall, den sich nicht einmal der Tod erklären kann.
Als Banker ist Gernot ein fleißiger, aber nicht sonderlich erfolgreicher Verkäufer, und er kriecht seinem Chef nicht genug in den Arsch, um endlich befördert zu werden. Er ist als Ehemann und Liebhaber uninteressant und versagt als Vater. Ob er lebt oder stirbt, macht keinen Unterschied. Die Autorin hat seinen Tod am Ende offengelassen - ein Zeichen der Hoffnung, wie sie mir sagte, vielleicht aber auch ein Symbol dafür, dass die deutsche Mittelschicht nicht einmal ein klares Ende verdient (doch wäre ihr diese Interpretation vermutlich zu sozialkritisch). Für mich ist dieser Roman die moderne Fassung der ‹Aufzeichnungen eines Überflüssigen› von I. S. Turgenjew aus dem demokratischen Aufbruch in Russland in den 1860er Jahren.