Ich bin ein großer Fan von "Wissenschaftsjournalismus", und bislang dachte ich, derartige - gute - Bücher gäbe es nur im englischen Sprachraum. Zum Beispiel von Simon Singh, der mit "Fermats letztem Satz" bekannt wurde. Doch die sympathische junge Autorin Kristin Raabe hat mich nun eines Besseren belehrt. Das Konzept, Wissenschaft und neueste Erkenntnisse in eine leicht fließende, nahezu erzählende Sprache zu kleiden, funktioniert auch in Deutschland.
Sicher mag man manches gegen dieses Buch einwenden. Der Titel beispielsweise ist schon ein wenig flippig, und mag dem ach so ernsten, typischen Deutschen wenig angemessen erscheinen. Doch darum geht es tatsächlich: ausgehend von ihrer Oma Hilde, befasst sich die Autorin mit allerlei weisen Denkern der Geschichte, darunter eben auch Sokrates und der Dalai Lama.
Zweitens wird dem Prinzip der Lesbarkeit und Unmittelbarkeit sicher so mancher streng wissenschaftliche Aspekt geopfert. Es gibt im ganzen Buch keine einzige Fußnote, keine einzige Tabelle. Und auch die erwähnten Wissenschaftler werden sicherlich nicht in der ganzen Breite ihres Schaffens dargestellt. Dies ist aber auch gar nicht der Anspruch dieses Buches. Kristin Raabe will nicht enzyklopädisch Wissen vermitteln, ja, im Text wendet sie sich ausdrücklich gegen die "Vielwisserei". Sie möchte ein ihr am Herzen liegendes Gebiet, nämlich die aktuelle Forschung zur Weisheit, dem Leser nahebringen, und ihn zum Denken anregen. Und das gelingt ihr ganz hervorragend! Dass sich der Leser außerdem noch unterhalten fühlt, das mag dem gängigen Modell des Sachbuches widersprechen - doch pädagogisch und didaktisch gesehen, ist diese Methode tausendmal effektiver als dröge Fakten.
Ich finde diverse Dinge an diesem Buch sehr ansprechend - nicht nur den unterhaltenden Aspekt. Die Kapitel und ihre Schwerpunkte sind so gewählt, dass Weisheit eben als das erscheint, was sie auch ist: vielgestaltig, vielschichtig, und niemals ganz zu erfassen. Jedes Kapitel ist einer bestimmten Fragestellung gewidmet, zum Beispiel was ist Weisheit eigentlich, aus welchen Teilfähigkeiten besteht sie, sind Weise glücklicher als andere Menschen, in welchem Kontext entwickelt sich Weisheit, wodurch zeichnet sich weises Handeln aus, und vieles mehr.
Auch der Schreibstil trägt dazu bei, dass man der Autorin gut folgen kann, und dass die Lektüre niemals langweilig wird. Die Sprache kommt durchgängig ohne "Fachchinesisch" aus, auch gibt es weder Schachtelsätze noch bombastische Rhetorik. Man folgt der Autorin durch ihr Buch wie ein staunendes Kind, das einen neuen Teil der Welt entdeckt. Man staunt, freut sich, und lernt. Manche Erkenntnisse mag der fortgeschrittene Leser zwar für banal halten, oder hier und da schon gehört haben. Doch die Autorin erklärt ja selber, dass sie den Leser zurückführen will zu dieser offenen Geisteshaltung, die meist Kinder auszeichnet. Und da tut ein wenig Wiederholung auch mal ganz gut!
Ich fand es auch spannend, wie die Autorin sich durch ein Kapitel arbeitet. Immer beginnt sie bei einer ganz konkreten Fragestellung. Davon ausgehend leitet sie über zu einem tatsächlichen Menschen, dem sie begegnet ist, oder den sie interviewt hat. Dieser Mensch wird dann einer historischen Persönlichkeit gegenübergestellt, die ebenfalls einen bestimmten Weisheitsaspekt verkörperte, wie Albert Einstein, Gandhi, Sokrates, Alexander von Humboldt, oder der Dalai Lama. Und locker in dieses Geflecht eingemischt werden dann noch aktuelle Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern aus aller Welt - doch, wie gesagt, ohne Tabellen oder Datenmengen. Am Ende eines jeden Kapitels fühlt man sich jedesmal angeregt und bereichert, und durch die erzählende Darstellung auch nicht überfordert.
Ich wünsche mir wirklich, dass es von dieser Dame noch mehr zu lesen geben wird. Ich habe dieses Buch sehr genossen! Denn es vereint für mich locker-leichten Erzählstil, menschliche Wärme, Humor, und anregende Wissens-Häppchen. Meine Bewunderung gilt der Autorin - und ausdrücklich auch ihrer Oma Hilde, die ein wichtiger Anstoß dafür war, dieses Buch überhaupt zu schreiben.