Krzysztof Charamsa

 3,2 Sterne bei 5 Bewertungen
Autor*in von Der erste Stein.

Lebenslauf

Krzysztof Charamsa, geboren 1972 in Polen, ist Theologe. Er wurde 1997 zum Priester geweiht und lehrte seit 2009 an der Päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom; 2011 wurde er in die theologische Kommission der Glaubenskongregation berufen. Nach seinem Coming-out wurde Charamsa von allen kirchlichen Ämtern suspendiert.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Krzysztof Charamsa

Cover des Buches Der erste Stein (ISBN: 9783328102960)

Der erste Stein

 (5)
Erschienen am 10.09.2018

Neue Rezensionen zu Krzysztof Charamsa

Cover des Buches Der erste Stein (ISBN: 9783328102960)
Wesernixes avatar

Rezension zu "Der erste Stein" von Krzysztof Charamsa

Sankt Egomanius
Wesernixevor einem Jahr

Eines vorweg: Dieses Buch zu lesen, ist anstrengend. Sehr anstrengend. Das liegt daran, dass es um mindestens 100 Seiten zu lang ist. Was wiederum daran liegt, dass der Autor sich ständig wiederholt. Und das, was er da ständig wiederholt, ist dermaßen einseitig und voreingenommen, dass es zum Himmel schreit.

Krzysztof Charamsa, der sich vom kleinen polnischen Priesterlein bis in die höchsten Ämter des Vatikans hochgearbeitet hat, hält nicht viel von seinen klerikalen Mitbrüdern. Sie wirken auf ihn wie eine Herde Menschen, „die unter Komplexen leiden und kreuzunglücklich sind, Menschen, die die Tatsache, dass sie ihre natürlichen Geschlechtsriebe, homo- oder heterosexueller Art, nicht ausleben können, dadurch kompensieren, dass sie auf der Karriereleiter nach oben klettern, viel Geld einsacken und auf Teufel komm raus nach Macht streben sowie danach, andere unterjochen zu können“ (S. 105).

Den Papst, damals noch Benedikt XVI., vergleicht er mit einem Hassprediger (S. 160/161); die römische Kurie ist in ihrer Gesamtheit eine „klatschsüchtige und bösartige Vettel“ (S. 142). Und die Glaubenskongregation, der er selbst 12 Jahre lang angehört hat, sieht er als eine Art Vatikan-KGB (S. 120), geleitet von Agenten, die „abgestumpft und borniert“, „verschlossen gegenüber jedem rationalen und freien Denken“ sind (S. 121). Ich könnte noch viele weitere solcher beleidigenden Pauschalverurteilungen aufzählen; Charamsas Buch ist voll davon. So voll, dass sich beim Lesen unwillkürlich zwei Fragen aufdrängen:

1. Woher kommt diese durchgängig negative, vor keinem antiklerikalen Klischee zurückschreckende Darstellung der katholischen Kirche?

2. Warum hat der Autor so lange in dieser Schlangengrube verlogener Heuchler und geifernder Fanatiker ausgeharrt, die er doch offenbar alle miteinander zutiefst verabscheut?

Als Antwort auf die zweite Frage drängt sich mir der unschöne, aber nicht unplausible Gedanke auf, dass Charamsa selbst zu den „in lange Gewänder gehüllten und fromm tuenden eingefleischten Karrieristen“ (S. 125) gehört(e), die er nun so pathetisch in Grund und Boden verdammt.

Die Frage Nummer 1 dürfte am ehesten ein kompetenter Psychologe beantworten können. Aber auch als inkompetente Nicht-Psychologin wage ich die Vermutung, dass es mit der beinahe lebenslangen sexuellen (Selbst-)Unterdrückung des Autors zu tun hat. Diese hat zu einer Art schwulem Tunnelblick geführt, mit dem Charamsa überall um sich herum nichts als Schwulenhasser und Krypto-Schwule sieht – häufig in ein und derselben Person. 

Bezeichnend ist auch, dass Charamsa seinen Kollegen aus der Glaubenskongregation empört vorwirft, sich fast ausschließlich für das Sexualleben anderer Menschen zu interessieren (S. 133) – nur um dann selbst genüsslich-anzüglich Sex-Klatsch über den Papst-Sekretär, einen Sänger des vatikanischen Chors und alle möglichen anderen Monsignori zu verbreiten (S. 162/163).

Auf peinliche Weise komisch (oder vielleicht auf komische Weise peinlich) ist auch, was dem Autor so alles unter die Soutane fährt, um ihm dort … ähm, weiche Knie zu machen. Leonardo da Vincis Johannes der Täufer ist für ihn eine „sinnliche Jünglingsgestalt“ mit einem „übertrieben in die Länge gezogenen Zeigefinger“ (?!) (S. 166). Auf Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle werden „schwule Küsse“ ausgetauscht (S. 169). Die Mess-Liturgie selbst ist für Charamsa ein „entschieden homosexuell wirkendes Spektakel“, in Gewändern zelebriert, „wie sie jeden Schwulen in Entzücken versetzen mussten“ (S.125).

Trotz dieser Anflüge unfreiwilligen Humors hat man spätestens ab dem dritten Teil des Buches, d.h. auf den letzten hundert Seiten, nichts mehr zu lachen, wenn der Autor sich in Prediger-Pose wirft und zu einem langen und unzusammenhängenden Schluss-Sermon ansetzt. Da wird die Unterdrückung der Homosexuellen mit dem Kreuzestod Christi verglichen (S. 210) und die katholische Kirche mit den Nationalsozialisten (S. 204). Aber der Leser erfährt auch etwas über Charamsas Paris-Reisen mit seinem „Verlobten“ Eduard (S. 216 ff) und die tolle Schwulen-Szene in Katalonien (S. 218). Anschließend wird eine ermüdend lange Reihe schwuler Film- und Buch-Titel aufgezählt, die den Autor alle tief bewegt haben, bevor er sein persönliches Gottesverständnis erläutert und von seinem Coming-Out berichtet. Nur ein einziges Mal zuckten meine Mundwinkel noch einmal schwach nach oben; als Charamsa behauptet, „frei von Ressentiments“ zu sein (S.242). Wer`s glaubt, wird selig!

Und so bleibe ich nach diesen mehr als anstrengenden 300 Seiten mit dem Bild einer psychisch total verkorksten Persönlichkeit mit egomanen Zügen zurück, die einem einerseits leid tun kann, einen andererseits aber auch abstößt. Wer eine auch nur ansatzweise ausgewogene und faire Auseinandersetzung eines Ex-Priesters mit der katholischen Kirche sucht, ist hier jedenfalls falsch.

Cover des Buches Der erste Stein (ISBN: 9783570103272)
Zaliras avatar

Rezension zu "Der erste Stein" von Krzysztof Charamsa

Eine kritische Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche..
Zaliravor 7 Jahren

„Der erste Stein“ beschreibt den Weg eines polnischen Jungen ins Priesteramt. Im Bewusstsein, dass er homosexuell ist und sein Outing mit den Folgen der Entlassung aus der Kirche einhergeht. Krzysztof Charamsa schreibt dabei auf einem hohen sprachlichen Niveau. Zu Beginn werden die äußeren Umstände seiner Erziehung durch Familie, Glauben, Vaterland, Schule und letztendlich der Berufung ins Priesteramt beschrieben. Dann erzählt Charamsa von seinem eigenen Aufstieg in der Institution (Priesterseminare, Studien, Mitglied der Glaubenskongregation). Er hat innerhalb kurzer Zeit einen enormen „Aufstieg“ hingelegt. So wie er über seine damaligen Ziele berichtet, merkt man, dass er auch bewusst Karriere in der Kirche machen wollte.

„Ich träumte davon Oberinquisitor zu werden. Ich träumte mit jugendlichem Enthusiasmus davon, der Wahrheit dienen zu können, die im Besitz der Kirche ist und von ihr gehütet wird.“ (S. 120)

Ich muss auch gestehen, dass mir durch dieses Buch überhaupt bewusst wurde, dass es die Inquisition in der Kirche noch gibt und nicht mit dem Mittelalter ausgestorben ist. Was mich auch noch überrascht hat, war der Einfluss den die Kirche auf das Privatleben von Bürgern (z.B. sämtliche Bereiche der Sexualität) ausübt, aber auch auf politische Belange (z.B. Wohnraum nur für Familien).

„Wahrscheinlich ist die Kirche in Bezug auf die Naturwissenschaft tatsächlich um zweihundert Jahre zurückgeblieben […] und hat den Menschen aus den Augen verloren.“ (S. 205)

Ein wirklich zentrales Thema ist Homosexualität. Gerade weil die Kirche in dieser Hinsicht ein striktes Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen ausspricht, ist die Scheinheiligkeit des Klerus umso erschreckender. Laut Krzysztof Charamsa sind 50% aller Priester homosexuell. Trotz der Zahl wird eine Homophobie von der Kirche geradezu aufgebaut.
Beim Lesen habe ich etwas gebraucht, um mit dem Buch warm zu werden. Weil der Stil doch auf einem hohen Niveau ist, liest sich das Buch nicht so schnell. Aber vor allem wenn auch Beispiele aus dem Alltag und Handeln der Kirche aufgezeigt werden, kann man sich alles besser vorstellen.

Es ist spannend aus der Perspektive eines Insiders diese Dinge zu betrachten. Gerade als Außenstehender hat man nur so viel Einblick in die Institution Kirche, wie diese es zulässt. Das Buch zeigt Charamsas Auseinandersetzung mit der Kirche und seiner eigenen Sexualität. „Der erste Stein“ offenbart dabei viel von der Innenpolitik der Kirche, wozu normale Bürger sonst keinen Zugang haben. Ein interessantes, gut geschriebenes Buch: für jeden, der sich mit „Homosexualität und Kirche“ auseinandersetzen möchte.
Abschließend noch ein herzliches Dankeschön an die Randomhouse Verlagsgruppe, von der ich das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen habe. Wie aber bei allen unseren Rezensionen spiegelt auch diese meine eigene Meinung wider und bleibt unbeeinflusst.

Cover des Buches Der erste Stein (ISBN: 9783570103272)
M

Rezension zu "Der erste Stein" von Krzysztof Charamsa

Subjektiv, klug, präzise den Finger auf die Wunde legend
M.Lehmann-Papevor 7 Jahren

Subjektiv, klug, präzise den Finger auf die Wunde legend

„Gott segne den Papst und die Kirche, aber halte sie fern von uns“.

Krzysztof Charamsa war Priester und ist und war schwul. Mit einer Zeit vor seinem offiziellen Outing und dem, was er durch dieses Outing als langjähriges Mitglied der Glaubenskongregation im Vatikan erlebte und an Reaktionen beobachten konnte.

Natürlich ist er nun kein Priester mehr (getreu der katholischen „offiziellen“ Sexuallehre und der Vorbedingungen für den geweihten Stand des Priesters) und ebenso natürlich ist es, dass Charamsa intensiv und aus dem innersten Bereich seiner Kirche und seines Werdegangs in dieser zu erzählen vermag.

Jener Kirche, die lange Jahrzehnte hindurch zwar den sexuellen Missbrauch an Kindern „intern“ nur bearbeitete, jener Kirche, vertraut man nicht nur auf Charasma sondern auf eine ganze Reihe „weltlicher“ Betrachtungen zudem, in der Homosexualität zumindest als Neigung weiterverbreitet ist als in der Gesellschaft allgemein.

(Wenn Charasma vom „schwulsten“ Pontifikat der Neuzeit unter Benedikt (Ratzinger) spricht, mit Spitzen und Verzierungen an den prächtigen Gewändern, samt dem „internen“ Scherz unter manchen vatikanischen Geistlichen, das man demnächst wohl auch Spitzenunterwäsche tragen sollte, dann spürt man hohe Emotionen bei ihm. Verletzung, Wut, aber auch gerechtfertigten Ärger über die Bigotterie im Klerus, die Charasma Seite um Seite vorhält. Denn in ebendiesem Pontifikat sieht Charamsa eine „neue Welle katholischen Schwulenhasses“. Unbestritten dabei ist die Aufnahme Benedikts 2007 in die „Hall of Shame“ von Human Rights Watch).

Und obwohl, wie Charasma glaubhaft erläutert, nicht wenige Kleriker diese ihre „Neigung“ auch real ausleben, konstatiert erschreckend diese ausgeprägte und heftige Homophobie, die sich fast gierig auf „Sensatiönchen“ und übler Nachrede innerhalb des Klerus stürzt.

Was besonders da auch dem unbefangenen, heterosexuellen Leser massiv aufstößt, wenn Charasma von der internen Unterstützung, teils gar Begeisterung über manche „Mullahs“ spricht und manche Länder (wie Russland), in denen Homosexualität auch heute noch oder wieder neu unter Strafe gestellt wird und Homosexuelle allein aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung unter Lebensgefahr stehen.

Allein für dieses Thema lohnt die Lektüre des Werkes ungemein. Vollends zum Gewinn aber wird die Lektüre, wenn für den Leser zwischen den Zeilen und in Ableitung vieler zunächst typisch homosexueller „Probleme“ in der Kirche auf die allgemeine Haltung dieser Kirche rückgeschlossen werden kann.

Was die Fixierung auf „Sex“ angeht und die ständigen rückwärtsgewandten Versuche, den eigenen Einfluss auf das „intime Leben“ des Kirchenvolkes zu bewahren (ohne selbst die geringste Ahnung von einem solch alltäglichen Leben zu haben), das ist nicht neu, wird von Charamsa aber luzide Seite um Seite mit vielfachen Beispielen erhärtet.

So wundert es nicht, dass er nach seiner energischen Ausrichtung auf eine innerkirchliche Karriere und nach diesen 12 Jahren in der Glaubenskongregation am Ende Eugen Drewermann in dessen Analyse des „Klerus“ uneingeschränkt Recht gibt.

„In dieser Kirche, die verschlossen und bar jeden Mitleids ist“.

Was Gründe hat im System, die Charasma einzeln und breit aufzählt.

Eine Kirche, die ihr „menschliches Regelwerk“ von Beginn an, in seinen Augen zumindest, über die befreiende und zur allgemeinen Solidarität aufrufende Botschaft des Evangeliums gestellt hat.

Vom Sakrament der „Beichte“, das Charasma, vor allem aus dem ihm bekannten praktischen Vollzug her, nurmehr einordnen kann in angsterzeugende und vor allem sexuell peinliche Befragungen des „Kirchenvolkes“ einerseits und der „schnellen Absolution“ mancher fehltretender Priester und Kirchenoberen anderseits, bis hin zu jener „internen“ streng urteilenden Haltung den „Mitbrüdern“ und dem „Kirchenvolk“ gegenüber, die grundlegend dort verbreitet scheint, folgt man Charamsa in seinen Ausführungen. Gnade, Liebe und Verständnis zumindest sind für Charamsa reine Fremdworte, was die katholische Kirche „als System“ (mit durchaus Ausnahmen bei einzelnen Priestern im Übrigen) angeht.

„Den Gutteil meines Lebens habe ich inmitten von Pharisäern verbracht. Ich war von Leuten umgeben, die personifizierte Lügen waren“.

Wobei erschwerend von Charamsa noch angeführt wird, dass die sogenannte „hohe intellektuelle Wissenschaftlichkeit“ der katholischen Theologen und der Dogmatiken des Vatikans eher von Betriebsblindheit und „was nicht sein darf, das kann auch nicht sein“ (mithin also von wissenschaftlicher „Dummheit“) geprägt wird, denn von jener fachlichen Objektivität, welche die „weltliche“ Forschung als Voraussetzung für gültige Argumente ansieht.

Alles in allem eine, natürlich, überaus subjektive Darstellung. Aber eine, der man abspürt, das Charamsa die Dinge und Rigidität tatsächlich so für sich erlebt und bewertet hat. Wieweit man ihm folgt, wieweit man dieser persönlichen Geschichte objektive Geltung zuspricht, dass muss jeder Leser selber entscheiden. Aber auseinandersetzen sollte man sich schon mit dieser Lektüre.

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