Die Lebensgeschichte von Medea wurde in der Vergangenheit mehrfach und in verschiedenen Fassungen erzählt und interpretiert. Bis heute ist der Stoff präsent und auch in psychologischer Hinsicht faszinierend. Als eine der ersten Emanzipationsgeschichten wird die Tragödie von Euripides im Jahr 431 v. Chr. in Athen aufgeführt.
Medea, die über Zauberkräfte verfügt, verfällt bedingungslos der Liebe zu Iason. Sie hilft ihm das kostbare Vlies, zurückzuerobern und flieht mit ihm später nach Griechenland. In seiner Heimat bleibt sie jedoch immer eine Ausländerin und wird nach wenigen Jahren von Iason mit der Königstocher hintergangen. Schliesslich verstösst auch der König sie aus dem Land und das grosse Elend beginnt für Medea.
Medeas Forderung nach unbedingter Loyalität gegenüber dem Ehepartner scheitert an ihrer eigenen Skrupellosigkeit bei verwandtschaftlichen Verhältnissen. Sie verübt mehrere Morde. Sie ist leidenschaftlich, trotzdem vermag sie ihre Emotionen zu lenken und nach ihrem Willen gezielt einzusetzen. Masslosigkeit wird als Mittel zum Zweck. Iason, der vor allem nach grösstmöglichem Nutzen strebt, ist ein Machtmensch, vernunftorientiert und hält viel von bürgerlicher Moral. Der Konflikt von Medea und Iason eskaliert im grausamen Mord der gemeinsamen Kinder. Es scheint keine Lösung zu geben und Iason wird entlarvt. Er zerbricht schliesslich am Tod der eigenen Kinder. Sie flieht auf einem Himmelswagen nach Athen.
Die Geschichte kann auf verschiedene Arten gelesen werden. Als Opfergeschichte der Frauen, die immer wieder der Willkür der Männer ausgesetzt sind oder als Emanzipationserzählung einer willensstarken Frau, die sich unter keinen Umständen der Macht der Männer beugt und dafür einen hohen Preis zahlt. Diese Tragödie enthält aber noch viele weitere Themen wie z.B. Masslosigkeit, Leidenschaft, Schutz und Schutzlosigkeit, Heimatlosigkeit, Schicksalsverständnis.
Mich hat insbesondere diese Übersetzung von Kurt Roeske mit einer fundierten Einleitung zum Thema gut gefallen. Eine empfehlenswerte Lektüre über einen Mythos, der immer noch zeitgemäss erscheint und eine starke Nachwirkung hat.