Rezension zu "Freunde Plusminus" von L. Mattis
Im Verlauf dieses Buchs musste mein Blutdruck so einiges mitmachen - und selten stand ich so sehr mit mir selbst im Konflikt, was ich mir von den Protagonisten denn nun erwarte oder gar wünsche. Anfangs - und auch vorerst im weiteren Verlauf - hatte ich riesige Probleme mit Flo. Seine Art, Dinge anzugehen, seine Haltungen gegenüber anderen Menschen ... huiuiui, da hatte ich ordentlich eine Antipathie am Laufen. Bei der ersten intimen Szene mit Lars musste ich sogar kurz das Buch weglegen und rekapitulieren, ob das hier gerade wirklich passiert, und vor allem meine eigenen Gedanken dazu ordnen, wie okay ich das gerade finde. Tatsächlich kam das ziemlich oft vor. Nicht die intimen Szenen mit Lars (ja, die auch), aber dass ich fassungslos innehalten musste, wegen irgendetwas, was Flo wieder abzieht. Ich war froh darüber, nach und nach über seine Vergangenheit und seine Traumata aufgeklärt worden zu sein. Natürlich rechtfertigt nichts davon die Art und Weise, wie er mit seinen Mitmenschen umgeht, aber das Bewusstsein dafür machte das Ganze für mich nachvollziehbarer. Flo legt im letzten Drittel des Buchs jedenfalls eine ordentliche Hundertachtziggradwendung in Sachen "Charakter-Entwicklung" hin, Hut ab an den Autor!
Lars hat mich zwiegespalten zurückgelassen. Ich hatte bis zur allerletzten Seite die Befürchtung, dass er doch noch einen Rückzieher macht - was ihm niemand verübeln könnte, nach allem, was er mit Flo einstecken musste. Oder in Anbetracht der Tatsache, dass die Initiative nie von ihm kam, sondern immer von Lars. Da nagt an mir die Sorge, ob er diese Beziehung wirklich genauso sehr möchte wie Flo? Schwer einzuschätzen. Ich frage mich, ob das vom Autor beabsichtigt war?
Mein Fazit zu den Charakteren lautet: Tolle Ausarbeitung, bei der man merkt, dass sich tiefgreifend Gedanken gemacht wurden. Ein Zeichen für einen gut ausgearbeiteten Charakter ist nicht zwingend Sympathie, sondern kann genauso gut Antipathie sein. Und wenn sich Letztere nach und nach in Erstere wandelt, hat der Schreibende wirklich alles richtig gemacht. Das ist mMn bei Flo der Fall. Richtig gut. Von Lars war ich leider nicht so ganz überzeugt, das Warum steht oben.
Das war jetzt mehr Gelaber zu den Charakteren, als geplant war. Stilistisch ist das Buch super. Die Schreibe ist flüssig, lebendig und bringt genau das richtige Maß an Emotionen zwischen den Zeilen mit. Ich habe das Buch jedenfalls innerhalb weniger Tage ausgelesen.
Von mir gibt's 4,25 Sterne :-)