Rezension zu "Tante Semra im Leberkäseland" von Lale Akgün
Das hierbei die Trennschärfe mitunter nicht sonderlich genau fokussiert, war mir schon länger klar. So gibt es ja, wie wir alle wissen, nicht die Deutschen oder die Türken. Mir sind durchaus auch manche Gruppen deutscher Zeitgenossen peinlich oder gar schlimmeres. So ist auch die türkische Minorität keine einheitliche Gruppe in Deutschland.
Die Autorin Lale Akgün (Jahrgang 1953) kam mit 9 Jahren nach Deutschland. Sie war kein typisches Gastarbeiterkind; ihr Vater war Zahnarzt und siedelt aus beruflichen Erwägungen ins Ruhrgebiet über. Außerdem lebten im Jahr 1962 sowieso noch nicht all zu viele türkischstämmige Kinder in Deutschland. Frau Akgün erzählt von dieser Immigration, ihren ersten Erfahrungen und Begegnungen und damit zusammenhängend ihre Familiengeschichte. Sie hat noch eine jüngere Schwester und eine Mutter, die man durchaus als umfassend emanzipiert bezeichnen könnte. Es gibt einen großen verwandtschaftlichen Kreis, der die Familie zum Teil auch in Deutschland besucht. Tante Semra sticht da ein wenig heraus. Nachdem ihr Mann verstorben ist, unternimmt sie eine Pilgerreise nach Mekka und versucht ihre neu gewonnene Religiosität gekonnt in ihren Alltag zu integrieren.
Es handelt sich aber nicht, wie der Titel vermuten ließe, um eine vordergründig humoristische Geschichte, sondern vielmehr um eine autobiografische Abhandlung, die streckenweise jedoch sehr humorvoll verfasst wurde.
Seit 2009 ist Frau Akgün keine Bundestagsabgeordnete mehr. Der Handlungsverlauf geht bis zu ihrer Antrittsrede im Jahr 2002.
Die 3 CDs haben fast eine Laufzeit von 4 Stunden.
Das Hörbuch ist eine autorisierte Lesefassung, eventuelle Kürzungen sind mir nicht negativ aufgefallen. Es liest Doris Wolters, mit einer angenehmen Stimme, recht spitzfindig und pointiert.
Sie bringt den Witz, aber auch die Tiefe der Handlung gut herüber.
Fazit: Anders, als erwartet, aber bereichernd.