Rezension zu "Kulturelle Aneignung" von Lars Distelhorst
So doof es viele vielleicht finden, die Diskussion um kulturelle Aneignung ist unumgänglich.
Dieses neue Thema ist in vielen Punkten schwammig. Ich für mich habe meinen Frieden damit gemacht, fürs erste keine feste Meinung bilden zu können. Es gibt ganz klar Aspekte, die aus moralischen, sozialen und teils auch rechtlichen Gründen abgeschafft gehören, wenn beispielsweise Kulturgüter und Land entwendet wurden. Leider geht es in den kleinen Dingen vorrangig um Befindlichkeiten und darum, dass einer meint zu wissen, was für andere gut ist. Das ist Moralapostelei und nimmt Betroffenen die Stimme. Daher sehe ich auch abgesagte Demoauftritte und unterbrochene Konzerte wegen Frisuren als völlig über das Ziel hinausgeschossen an - übrigens auch manche Vertreter betroffener Ethnien sehen das sehr zwiespältig.
Aber ein Beispiel - meine deutsche, weiße Yogalehrerin. Laut der im Buch abgebildeten Meinungen betreibt und unterstützt man damit Ausbeutung, denn man nimmt der originären Gruppe damit eine Möglichkeit, selbst damit zu Wohlstand zu kommen. ABER: es stereotypisiert ja absolut zu sagen, da solle man Angehörigen der indischen Kultur den Vortritt lassen und nur die sind in der Lage dazu. Oder indische Restaurants zu betreiben! Vielleicht würden viele dieser Menschen aber doch ganz gerne zum Beispiel Mechatroniker werden.
Wir fangen wieder an, in Schubladen zu denken, das ist plötzlich gewollt, aber war das nicht eigentlich schlecht? Austausch ist nun nicht mehr erwünscht, man soll gleich sehen, woher ein Mensch kommt? Und "Weiße" haben ja schon genug an sich gerissen, kulturellen Austausch mit ihnen gibt es nicht, da hegemonische Strukturen vorliegen..
Es geht ja schon damit los, dass ein Privilegierter Deutscher ein Buch über dieses Thema schreibt. Es ist jedoch das einzige was ich gefunden habe, das so differenziert mehrere Seiten beleuchtet. Dafür sprechen die 20 Seiten Literaturquellen. Der Politikwissenschaftler Lars Distelhorst bezieht trotz aller Wissenschaftlichkeit, wenn auch so objektiv wie möglich, Stellung - und das darf er auch, wie ich finde.
Dass in Volksgruppen und Ethnien gedacht wird ist ein absoluter Rückschritt. Es grenzt ein, es sterotypisiert und um Gleichberechtigung, das ist mein Eindruck nach dem Buch, geht es Einigen als allerletztes sondern um WIEDERGUTMACHUNG nach Jahrhunderten der Unterdrückung und Ausbeutung.
Aber dann sollte man es auch so nennen.
Ein wichtiges, sehr gutes Sachbuch zu einem unbequemen Thema.