Lars Henkel

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Cover des Buches Die Stunde der Spezialisten (ISBN: 9783847703938)
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Rezension zu "Die Stunde der Spezialisten" von Barbara Zoeke

Pawstorms
Ein historischer Roman, der aktueller nicht sein könnte

In "Die Stunde der Spezialisten" thematisiert die Autorin Barbara Zoeke ein Verbrechen der Nationalsozialisten, über das viel zu lange kaum gesprochen wurde. Es handelt sich um die sogenannte "Aktion T4", um die "Euthanasie"-Verbrechen, benannt nach ihrer zentralen Koordinationstelle in der Tiergartenstraße 4.

Der Roman erzählt abwechselnd aus den Perspektiven eines ehemaligen Universitätsprofessors, der an einer unheilbaren, degenerativen Nervenkrankheit leidet, und eines Chefarztes in einer "Euthanasie"-Einrichtung. Indem die Erzählung ihre Lesenden abwechselnd in die Perspektiven von Täter und Opfer versetzt, lässt sie die Geschehnisse auf eine erschreckende und zugleich eindrückliche Art und Weise greifbar werden.

"Die Stunde der Spezialisten" ist hervorragend recherchiert und setzt auch bei den Lesenden einen gewissen Bildungsgrad voraus, um die zahlreichen Geschehnisse der NS-Zeit korrekt einordnen und die Tragweite der Handlung begreifen zu können. Jene selbst ist dabei leicht zu erraten und spitzt sich immer weiter auf das unausweichliche, schreckliche Ende zu, das einen nichtsdestotrotz mit voller Wucht trifft.

Besondere Aktualität gewinnt der Roman vor der aktuell in Deutschland geführten Diskussion um die verschiedenen Arten der Sterbehilfe, denn der Schrecken der Vergangenheit sitzt auch in den heutigen Debatten tief. Die Parallelen werden nie ausgesprochen, doch zwischen den Zeilen wird mit jeder Seite klarer, dass es sich hierbei nicht nur um einen historischen Roman handelt.

Die ausführliche Rezension zu "Die Stunde der Spezialisten" ist auf Pawstorms zu finden:

https://www.pawstorms.de/blog/die-stunde-der-spezialisten-barbara-zoeke/

Cover des Buches Die Stunde der Spezialisten (ISBN: 9783847703938)
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Rezension zu "Die Stunde der Spezialisten" von Barbara Zoeke

VolkerKaminski
Von Opfern und Tätern

Das dunkle Kapitel der Euthanasie im Dritten Reich ist in literarischer Form bisher selten aufgegriffen worden. Dass zahlreiche Ärzte, Wissenschaftler und ein williges Personal von Krankenhausangestellten dazu bereit waren, Menschen mit unheilbaren und erblich bedingten Krankheiten, behinderte oder seelisch kranke Menschen als „Schädlinge“ des Volkskörpers zu bezeichnen und allgemein als „unwertes Leben“ im wahrsten Sinne „abzustempeln“ und mit dem Tod zu bestrafen, gehört mit zu den grausamen Tatsachen in Deutschland zur Zeit des Dritten Reichs. Barbara Zoeke, von der zuletzt der Roman „Bewegliche Labyrinthe“ (2013) erschien, behandelt das Thema Euthanasie in ihrem in der Anderen Bibliothek erschienenen Roman „Die Stunde der Spezialisten“ auf eine ebenso fundierte wie stilistisch grandiose und ergreifend zu lesende Weise. Dabei richtet sie den Blick sowohl auf Opfer als auch Täter des tödlichen Vernichtungsapparates und macht reale Persönlichkeiten aus jener Zeit zu Protagonisten ihres Romans.

  Im ersten Teil lernen wir Max Koenig kennen, einen Altertumsforscher, der wegen einer erblich bedingten Muskelkrankheit, die ihn nach und nach am ganzen Körper lähmt, Krankenhauspatient ist. Während seines Martyriums in wechselnden Berliner und Brandenburger Kliniken, in dessen Verlauf sein körperlicher Zustand sich verschlechtert, bis er nicht mehr sprechen kann, schreibt Koenig Briefe an seine Frau, die im Laufe des Romans zusammen mit der Tochter aus Deutschland nach Italien flieht. Zoeke hält sich an die historischen Fakten, die sie genauestens recherchiert hat (ein ausführliches Glossar und Register im Anhang hilft dabei, die Protagonisten des Romans und ihre Beziehungen zueinander zu überblicken und einzuordnen). Doch es ist vor allem ihrem stilistischen Können zu verdanken, dass uns Koenigs Ausgeliefertsein an das grausame System so beklemmend nahe kommt und wir hautnah miterleben, was es heißt, einem mörderischen Apparat nicht mehr zu entkommen.

  Im zweiten Teil steht der junge Arzt Friedel Lerbe im Mittelpunkt, ein typischer Vertreter jener „willigen Helfer“, die ohne Skrupel Menschen in den Tod schicken, die in ihren Augen das Recht auf Leben verwirkt haben. Lerbe trägt unter seinem weißen Kittel immer seine schwarze Uniform der NSDAP. Auch hier vermeidet Zoeke das grobe Besteck und beschreibt Lerbe als durchschnittlichen Angestellten seiner Zunft, als Verlobten und beschränkten Durchschnittsmenschen, der von einer unbeschwerten Zukunft mit einer Schar blonder Enkel träumt und dabei nicht davor zurückscheut, täglich mehrmals den Gashahn in den Kellergeschossen des Krankenhauses aufzudrehen, um die Mördermaschinerie am Laufen zu halten.

  Der Roman ist großartig in seiner nüchternen Differenziertheit, die nirgends umschlägt in plakative Entrüstung und moralische Verurteilung. Statt Anklage gegen die Barbarei verblendeter Ärzte zu erheben, vertraut Zoeke darauf, dass das stille, ruhige Erzählen intensiver und nachhaltiger wirkt als der erhobene Zeigefinger. Dabei scheut sie nicht davor zurück die grausamen Vorgänge en détail zu beschreiben und die Akten und Todeslisten aus jener Zeit zu nutzen. Ein Wort wie "Backgeschwister", das im Zusammenhang der systematischen Vernichtung durch Gas und Feuer Verwendung findet, lässt uns aufhorchen und erschreckt uns durch seine zynische Metaphorik. So kommen wir den Mördern ebenso nahe wie den Ausgelieferten und die Lektüre lässt uns trotz ihrer Düsterkeit und inhaltlicher Schwere bis zur letzten Seite nicht los.

  Es ist offensichtlich, wie viel Recherchearbeit Barabara Zoeke geleistet hat, um sich diesem schwierige Thema künstlerisch zu nähern, aber vor allem ist es eben schwer auszuhalten, dass vor knapp 80 Jahren in Brandenburg, Berlin und vielen anderen Orten in Deutschland und Europa die kalte Mördermaschinerie funktioniert hat, unterstützt von Rassewahn und Führergläubigkeit. Die klare Struktur und einleuchtende Aufteilung ihres Romans gibt uns bei der Lektüre einen sicheren Halt. Aber wir wissen alle, dass es an vielen Orten der Welt immer noch unvorstellbar grausam zugeht und dass oft nicht viel nötig ist, um aus einem Menschen eine seelenlose Bestie zu machen.

Das Buch ist (im illustrierten Schuber) der Anderen Bibliothek erschienen, ästhetisch ansprechend, mit wertvoller Innenausstattung. 

Cover des Buches Die Stunde der Spezialisten (ISBN: 9783847703938)
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Rezension zu "Die Stunde der Spezialisten" von Barbara Zoeke

Susibelle
Die Stunde der Spezialisten

„Die Stunde der Spezialisten“, in Orginalausgabe, nummeriert und limitiert.
Ich liebe die wunderschön gestalteten Bücher der „Anderen Bibliothek“.
Sie bieten die perfekte Verbindung von intellektuellem und visuellem Vergnügen.
Der Inhalt ist allerdings konträr zur Verpackung schrecklich, so schrecklich das ich mir die Frage stelle, kann ein Buch mit derart unfassbarem Inhalt überhaupt lesenswert sein? 
Ja, ich glaube schon, denn diese Literatur ist für die Vergegenwärtigung geschichtlicher Geschehnisse unabdingbar. 
Vor dem Inhalt dieser wunderschönen Ausgabe hatte ich dennoch Angst:
Barbara Zoeke erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven über die sogenannte Rassenhygiene und die Euthanasie in der NS-Zeit, die systematische Ermordung von mehr als 200.000 Kranken, sogenannten "Ballastexistenzen" durch Ärzte, die mit der Ideologie einer Reinigung deutschen Erbguts gerechtfertigt wurde.
Max Koenig ist Professor für Altertumsforschung. Die Diagnose eines ererbten Nervenleidens reißt ihn aus seiner Karriere und fort von seiner italienischen Frau und seiner kleinen Tochter „Püppie“. Er landet in der „Nervenheilanstalt“ von Dr. Lerbe, dem Mediziner mit dem weißen Kittel über der schwarzen SS-Uniform.
Die unbekannte Autorin, eine diplomierte und habilitierte Psychologin, schreibt in einer ganz eigenen atmosphärischen, kunstvollen und poetischen Sprache, die einen überwältigt. Der Protagonist ist ein emphatischer und charmanter Mensch, dem wir so unglaublich nah kommen, dass man ihn so schnell nicht mehr vergessen wird. Die ihm zur Seite stehenden Personen sind zauberhaft und liebenswert.
Ich musste, nachdem ich das Buch beendet habe, erst einmal tief durchatmen und einen Kamillentee trinken. 
Der Roman wurde 2017 mit dem Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau ausgezeichnet und hätte sich meiner Meinung nach durchaus in die Liste der für den Deutschen Buchpreis nominierten Titel einreihen können.

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