Cover des Buches Ich weiß, du bist hier (ISBN: 9783423213134)
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Rezension zu Ich weiß, du bist hier von Laura Brodie

Trauerbewältigung

von Esme-- vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Wirkt erst im Gesamtwerk nach.

Rezension

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Esme--vor 9 Jahren

Inhalt:

Sarahs Mann ist bei einem Kajakausflug verschwunden. Als er auch nach geraumer Zeit nicht auftaucht, gibt sie eine Vermisstenanzeige auf. Es folgt eine erfolglose polizeiliche Suchaktion. David wird irgendwann für Tod erklärt. Der Alltag kehrt wieder ein. Doch Sarah sieht David in Spiegeln, im Einkaufszentrum und irgendwann steht er vor ihrer Tür. Er wirkt so lebendig und viel erfüllter als in ihrem strukturierten Eheleben.



Die Charaktere:

Der Roman wird aus Sarahs Sicht erzählt. Sarah wirkt in dem Roman sehr alt. So sehnlichst hat sie sich Kinder gewünscht, doch ihr Wunsch blieb unerfüllt. Die Ehe zu ihrem Mann füllte sie nicht mehr genügend aus. Sarah wurde zunehmend frustrierter und rettete sich in eine hilfreiche Gleichgültigkeit. Sie gibt sich gegenüber zu, eine ständig unzufriedene Ehefrau gewesen zu sein.


Nate ist Davids Bruder. Er ist attraktiv. Er ist charmant. Nach Davids Verschwinden, kümmert er sich um Sarah. Er beginnt sie zu umwerben, führt sie aus, macht ihr Geschenke und versucht sie für sich zu erobern. Er ist die Rettung in einer schweren Zeit.


David entpuppt sich nach seiner „Wiederkehr“ als ein sehr egoistischer Mensch. Er möchte endlich leben und ihm ist sichtlich egal, was sein Arbeitgeber davon hält, wenn er sich eine unangekündigte Auszeit nimmt. Er plant seine Todeserklärung zu genießen. Seine einzige Verbündete soll Sarah sein. Was Sarah jedoch auszustehen hat, als sie erst seinen Tod und dann seine Rückkehr verarbeiten muss und dann noch seine neugewonnene Vorstellung vom Leben präsentiert bekommt, bei der er in einer Hütte lebt, dort zeichnet und die Natur genießt, scheint ihm egal zu sein.

Ja, ihn plagt sogar eine morbide Neugierde, als er in der Zeitung von seinem Tod liest. Er fragt sich, wie seine Frau auf diese Mitteilung reagiert und beobachtet Sarah unter anderem auch auf seiner eigenen Beerdigung, bevor er sich vor ihre Haustür traut.



Schreibstil:

Laura Brodie erzählt gemächlich. Sie beginnt mit weiten Ausschweifungen und lapidaren Einschüben. Auch Spannung findet man erst auf den letzten dreißig Seiten und dann auch nicht über das volle Ende hin. So mag man während des Lesens denken. Im Nachhinein webt sie eine Geschichte, die eine Aussage mit sich trägt.

Gerade mit dem Charakter David und auch mit den Verhaltensweisen von Sarah bewegt sie den Leser emotional. Man möchte die beiden anschreien und in die richtige Richtung schubsen.

Nach Abschluss des Romans und ein wenig Nachwirken kann man die Geschichte als eine völlig andere begreifen und als Gesamtwerk verstehen.



Tiefgründiges:

Laura Brodie schreibt einen Roman über Trauerbewältigung.

Sie weißt auf eine Ehe hin, in die sich langsam aber sicher eine Routine eingeschlichen hat. Die Arbeit, der Frust, kein Kind zu gebären; überhaupt die allgemeinen gesellschaftlichen Zwänge haben Eva und David in eine Ecke getrieben, aus der sie nur schwer wieder heraus gelangen können.




Fazit:

Dieses Buch hat mich bewegt. Die Art, wie der Roman anlief erschien mir erst viel zu langatmig. Dann tauchte David auf und präsentierte sich mit einer egoistischen Art, bei der es ihm egal war, wie Sarah fühlt; ja, jemals gefühlt hat. Er will auf ihre gemeinsamen Ersparnisse hin die Natur genießen, sein Leben leben, wie er es schon immer wollte. Zeichnen, entspannen, vielleicht auswandern.

Sarah hingegen regte mich auf, weil sie so gleichgültig reagierte und David letztlich noch unterstützte.

Diesen Roman kann man nur im Nachhinein und als Gesamtwerk gut verdauen. Dann erscheint er dem Leser als tiefgründig und wirkt auch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nach.



Zitate:


Das Schauspiel menschlichen Leidens war den Zuschauern ein sadistisches Vergnügen.


Und auch wenn es noch so beschämend war, er wollte wissen, was in ihrem Kopf vor sich ging, welche Geheimnisse sie ihm jetzt, da sie sich unbeobachtet wähnte, vielleicht offenbaren würde.


Kochen ist ein Akt der Liebe. Das tue ich nicht für Fremde.


Wir sind beide zu alt, um uns darum zu scheren, was die Nachbarn denken.


Ich habe gelesen, dass Menschen die Geister vor allem dann spüren, wenn sie selbst emotional sehr angegriffen sind.


Erst in den letzten Wochen hatte sie die schreckliche Symbolkraft dieses Bademantels erkannt: Er war die Fahne, mit der die lustlose Hausfrau kapitulierte.


Nate war nicht der Typ für Milchschaum.


Er glaubt, dass er bei mir landen kann, sagte sie sich und beschloss, ihn zu enttäuschen.

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