Eines gleich vorweg: Die Geistesgröße Goethe ist mir durch dieses Buch nicht sympathisch geworden. Er kommt als alter, eitler Gockel des Weges, der die Damenwelt gerne noch beglücken möchte, doch dafür ist es scheinbar zu spät - da helfen auch zahlreiche Trinkkuren in Karlsbad und anderswo nichts mehr. Caspar David Friedrich dagegen, ein ungebildeter Naturbursche, ist einzig in seine Malerei verliebt und gibt sich dafür mit einem Leben am Rande und mit dem Existenzminimum zufrieden. Antichambrieren liegt ihm nicht, eher zufällig verkauft er auch mal ein Bild an den Kronprinzen... das Band, das diese Beiden zusammenhält, ist dünn: ganz ehrlich? Für mich war es kaum vorhanden. Ein klein wenig konstruiert wirkte die Geschichte auf mich, denn diese Beiden brauchen einander nicht wirklich, sie können auch gar nicht miteinander...Was mich bei dem Buch durchhalten ließ, war die Atmosphäre, die Lea Singer schafft. Weimar, Sturm und Drang, Romantik, die napoleonischen Kriege - alles verwebt sie gekonnt zu einer sehr plastischen und echt wirkenden Collage. Auch sprachlich fand ich die Geschichte geglückt.Bei der Handlung allerdings kann sie noch nachlegen!
Lebenslauf von Lea Singer
Bedeutende deutsche Literatur: Lea Singer ist das Pseudonym der deutschen Autorin Eva Gesine Baur.
Sie studierte nach dem Abschluss einer Kochausbildung Kunstgeschichte, Literatur- und Musikwissenschaften und Gesang und promovierte 1991 an der Universität München. Nach ihrem Studium arbeitete sie als stellvertretende Chefredakteurin und Chefredakteurin bei verschiedenen Zeitschriften.
Heute arbeitet sie als freie Autorin und Journalistin. Unter ihrem Pseudonym Lea Singer veröffentlichte Baur unter anderem im Jahr 2000 ihr Debüt »Die Zunge« über die im 18. Jahrhundert spielende Lebensgeschichte von Alexandre Balthasar Laurent Grimod de la Reynière, und bei Hoffmann und Campe den Titel »Konzerte für die linke Hand« über das Schicksal Paul Wittgensteins. Sie wurde mit dem »Hannelore-Greve-Literaturpreis« ausgezeichnet.
Alle Bücher von Lea Singer
Anatomie der Wolken
Konzert für die linke Hand
Verdis letzte Versuchung
Die Zunge
Der Klavierschüler
Mandelkern
Das nackte Leben
Der Opernheld
Neue Rezensionen zu Lea Singer
Ist das wirklich ein Roman oder hätte die Autorin stattdessen nicht lieber die editierten Briefe des Pianisten Horowitz veröffentlichen sollen? Man hat ständig das Gefühl, als würden einem Geheimnisse oder Inhalte der Briefe vorenthalten. Die Problematik der Homosexualität in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts wird zwar behandelt, aber die Hauptfiguren (Horowitz und sein Schüler/Sexualpartner) bleiben eher blass und die Handlung liesse sich statt auf über 200 Seiten gut als Kurzgeschichte zusammenfassen. Schreiben kann die Autorin, aber die Lesefreude nimmt mit der Zeit immer mehr ab und der Schluss ist absolut kitschig geraten.
Einige lesenswerte Zitate aus dem Roman möchte ich dennoch hier erwähnen: „Der plötzliche Tod (...) macht jeden verrückt. Er hat etwas Absurdes. Trotzdem wünschen sich den die meisten. Allerdings so spät wie möglich und am liebsten im Schlaf.“ (S. 93)
In Sachen Tod sind wir fast alle masslose Egoisten. Was den eigenen angeht: schneller Abgang. Was den anderen angeht: bitte mit ausreichend Zeit zur Wiedergutmachung.“ (S. 96)
„Schuldgefühle haben meistens die, die keine haben müssten, und diejenigen, die welche haben müssten, haben keine.“ (S. 100)
„Jede Familie, die zusammenhält, hat ein Geheimnis: das Geheimnis, das sie zusammenhält. Liebe ist es ziemlich selten.“ (S. 114)
„Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Als Held (...) irgendwie großartig, leider. Wahre Helden fühlen sich nicht so, nur falsche.“ (S. 116)
„Sieh dir eine Frau beim Kochen von hinten an. Wenn sie konzentriert und leise hantiert, ist sie auch sonst gut, wenn sie lärmt, verschüttet, fahrig ist und flucht, lass die Finger von ihr.“ (S. 134)
„Horowitz hatte seit seiner Kindheit keine Synagoge von innen gesehen, er fühlte sich nicht als Jude, bis er von der Judenvernichtung erfuhr. Ging vielen so.“ (S. 159)
Ist zwar schön geschrieben. Wird auch nicht langweilig.
Aber nach der Hälfte habe ich mich ernsthaft gefragt, worum es eigentlich geht. Essen? Ok, bei dem Titel hätte ich da auch schon früher drauf kommen können.
Achtung, jetzt wird's gemein:
Ein Buch, das sich ohne rechte Handlung komplett nur ums Essen dreht... ich weiß ja nicht. Wahrscheinlich habe ich es nicht verstanden. Meiner Meinung nach ist es nicht sehr erbaulich, über einen Menschen mit Handicap zu lesen, der sich in die Welt der Genüsse flüchtet, um wenigstens ein bisschen zweifelhafte Anerkennung als verrückter "Fresssack" (und nicht etwa als Anwalt oder Theaterkritiker) zu erlangen.
Gespräche aus der Community
Zusätzliche Informationen
Lea Singer wurde am 11. August 1960 in München (Deutschland) geboren.
Schreibt auch als: Eva Gesine Baur