Rezension zu "Für jeden ein Licht" von Lee Wind
Hier wartet ein wundervolles und unglaublich wichtiges Bilderbuch darauf entdeckt zu werden.
Eine Geschichte nach einer wahren Begebenheit.
Eine Geschichte über Solidarität, Respekt gegenüber anderen, über Miteinander und Füreinander
für Kinder ab 4 Jahren
Bilderbücher über das Judentum, über jüdische Feste und Bräuche gibt es leider im deutschsprachigen Raum sehr wenige. Es gibt sie, es werden auch zunehmend mehr Geschichten, die zumindest ansatzweise etwas mit einbeziehen, aber es sind (so finde ich) viel zu wenige.
Wir leben in einer Gesellschaft voller Vielfalt aber leider auch voller Ausgrenzungen, Anfeindungen, Respektlosigkeit und Intoleranz. Umso wichtiger sind Bilderbücher wie dieses, die zeigen, dass ein Miteinander, ein in Frieden miteinander zusammenleben egal welcher Religion man angehört möglich ist.
Wenn ich in den Medien höre, dass Juden geraten wird sich nicht zu erkennen zu geben, da es zu gefährlich sei, dann läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Wieso müssen sich Menschen im Jahr 2023 noch verstecken, weil sie jüdischen Glaubens sind? Es ist entsetzlich und mehr als traurig.
Umso schöner, dass es Bücher wie dieses hier gibt.
"Für jeden ein Licht" ist eine Bilderbuchgeschichte nach einer wahren Begebenheit und wie der Untertitel schon sagt "ein kleines Weihnachtswunder".
Sie hat sich bereits 1993 in Billings, Montana USA zugetragen und sollte beispielhaft sein, denn hier gab es die Kinder Simon und Teresa.
Simon ist jüdischen Glaubens. Teresa und ihre Familie sind christlichen Glaubens. Während Teresa und ihre Familie den Tannenbaum fürs Fest schmücken bereitet sich Simon mit seiner Familie auf das Chanukka Fest vor.
Wenn man abends im Dunkeln durch die Stadt geht, sieht man die Häuser in rot und grün geschmückt leuchten und die Tannenbäume erstrahlen in hellem gelbem Licht. Nur ein Haus leuchtet blau und weiß. In diesem Haus wohnt Simon. Simon schreibt gern Gedichte und Teresa malt gern. Beide lieben es im Schnee zu toben und beide können es nicht abwartet ihr wichtiges Fest zu Feiern. Teresa zählt die Tage bis Weihnachten, Simon die Nächte bis Chanukka. Im Grunde ist das, was beide machen nichts Außergewöhnliches, sie machen das, was viele machen und freuen sich auf etwas, was ihnen viel bedeutet.
Abends schaut Teresa gern aus ihrem Fenster zu Simon hinüber. Im Fenster der Familie steht ein schöner Chanukkaleuchter dessen Kerzen blaues und weißes Licht abgeben. Es sticht heraus umrahmt von den vielen Fenstern der anderen Familien, in denen die Tannenbaumlichter erstrahlen.
Paul O. Zelinsky fängt diese Stimmungen in sehr schönen ausdrucksvollen Illustrationen ein, in denen er auch Wörter mit einbindet und sprechen lässt.
Das, was so friedlich zu sein scheint nimmt in einer Nacht eine dramatische Wendung, denn während alle schlafen, wirft jemand in das Fenster von Simons Haus einen Stein. Die Scheibe zerbricht und der Chanukkaleuchter fällt zu Boden, die Kerzen erlöschen.
Simons Familie ist entsetzt. In ihren Gesichtern können wir Angst und Verzweiflung sehen. Sicher ist in dieser Nacht nicht viel an Schlaf zu denken. Der Vater holt die Kinder ins elterliche Schlafzimmer, um ihnen ein Gefühl von Schutz zu vermitteln. Die Mutter fragt: "Sollen wir die Kerzen wieder anzünden?
Sensibel und klar findet Lee Wind genau die richtigen Worte, um uns Simons Gedanken hören zu lassen um gleichzeitig zu erfahren, wie er sich fühlt.
"Simon weiß, wenn sie es nicht tun, sieht es so aus, als würden sie sich verstecken - als wollten sie nicht zeigen, dass sie Juden sind. Und das fühlt sich gar nicht richtig an!" (Zitat)
Am nächsten Abend ist die neue Fensterscheibe eingesetzt und Simon zündet die Kerzen am Chanukkaleuchter, der wieder im Fenster steht, erneut an.
Auf der anderen Straßenseite schaut Teresa wieder durchs Fenster hinüber zu Simon und erfreut sich an den blauen und weißen Lichtern. Und sie hat eine Idee. Sie malt einen Chanukkaleuchter, schreibt "Für Simon " darüber und hängt ihn in ihr Fenster. Als Simon das sieht, ist er außer sich vor Freude. Teresas eigentlich einfache, liebevolle Idee und ihr Zeichen für Solidarität gefällt den Menschen in der Stadt und so kommt es, dass viele, viele es Teresa gleichtun und Chanukkaleuchter malen und aufhängen. Diese Solidität fängt Paul.O. Zilinsky wieder in wundervoll ausdrucksstarken Zeichnungen ein, in denen das Gemeinschaftsgefühl wunderbar erkennbar ist.
Drei Wochen später stehen alle Seite an Seite und feiern gemeinsam das Fest der Liebe.
Eine Stadt ist aufgestanden und hat Solidarität gezeigt. Eine Stadt ist aufgestanden und hat es einem kleinen Mädchen gleichgetan. Einem Kind, das einfach ihrem Freund zeigen wollte, ich bin bei dir, ich steh an deiner Seite.
Es ist eine so wundervolle Geschichte, an der sich jeder ein Beispiel nehmen sollte. Und das bezieht nicht nur auf die Solidarität zu Juden, sondern sollte exemplarisch gesehen werden für alle Ausgrenzungen und Anfeindungen.
Für ein Leben in friedlicher Gemeinschaft.
Die Geschichte zeigt wie einfach es ist. Durch die wirklich unglaublich toll umgesetzte bildliche Visualisierung entsteht auch beim Betrachten der Bilder dieses Gemeinschaftsgefühl. Die Kraft und auch Bereicherung und Schönheit, die davon ausgeht, ist sichtbar und spürbar!
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht in Worte zu fassen, wie stark, klar und bewegend gerade auch das Abschlussbild in diesem Buch ist.
"Weihnachtsbaum und Menora-Kerzen
Rot und Grün und Blau und Weiß
leuchten zusammen in unseren Herzen" (Zitat)
lesen wir in einem Schriftzug, der einer verbindenden Schleife gleicht und in dem beides ineinander fliest und zusammensteht.
Es ist ein so intensives Bild, wie die ganze Geschichte, die überall gelesen werden sollte, weil sie so unglaublich wichtig ist.
Mit fällt dazu spontan ein Liedanfang ein, in dem es heißt: "Tragt zu den Menschen ein Licht, sagt allen fürchtet euch nicht....."
Last die Lichter erstrahlen, gleich welche Farbe sie haben.
Eine kleine Geste wurde zu etwas ganz Großem. Es war mehr als Solidarität. Die Menschen haben Position bezogen, sie sind aufgestanden und haben klar gemacht, dass sie mit solch einem Verhalten niemals einverstanden sind. Ein Signal das auch durch diese Geschichte weitergetragen wird.
Es ist an jedem einzelnen von uns dieses Signal ebenfalls zu zeigen.
Und wenn es "nur" das Vorlesen dieses Buches und das anschließende Gespräch ist.
Ich kann dieses so gut gemachte und ausdrucksstarke Bilderbuch wirklich nur jedem ans Herz legen.
Es ist einfach und klar, einfühlsam und wachrüttelnd mit viel Empathie erzählt und visualisiert und auch wenn es dieses eine dunkle Bild des Steinwurfs in der Nacht gibt, ist es nicht beängstigend, sondern hoffnungsvoll. Es ist ein ernstes Thema, aber sehr gut und kindgerecht gemacht, so dass man es durchaus schon Kindern mit ab 4 Jahren (kommt natürlich auf das Kind an) anschauen kann.
Nur bitte bereitet euch vorher vor, denn es werden Fragen kommen.
Und das ist dann auch das, was ich mir z.B. bei einer Neuauflage wünschen würde, ein kleiner Anhang wie man nach dem Vorlesen mit Kindern ins Gespräch kommen kann und was und wie man ihnen kindgerecht mehr über den jüdischen Glauben, und die hier immer noch schlimmen Anfeindungen, erzählen kann.
Auch Downloadmaterial zum Abruf wäre eine Option.