Cover des Buches Schatten über Somerton Court (ISBN: 9783596030774)
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Rezension zu Schatten über Somerton Court von Leila Rasheed

Vielleicht doch ein bischen Downton Abbey Gefühl!

von Cridilla vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Eindeutig besser als Teil 1 der Young Adult Reihe, hatte seltsamerweise doch ein bischen Downton Abbey Gefühl mit drin; zu empfehlen !

Rezension

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Cridillavor 9 Jahren

Wer hätte gedacht, daß mir der 2.Teil aus der Young Adult Reihe von Leila Rasheed „Schatten über Somerton Court“ so erheblich besser gefällt als der 1. .

Kurz über die Autorin: Leila Rasheed hat ihre Wurzeln sowohl in Bangladesch als auch in England. Sie wuchs in Libyen auf, lebte einige Jahre in Brüssel und verbrachte viel Zeit in Italien. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Mann, einem dänischen Saxophonisten, und ihrem kleinen Sohn in Birmingham. Sie hat einen Master in Kinderliteratur und Kreativem Schreiben, liebt es geschichtliche und archäologische Bücher zu lesen und würde gerne als Indiana Jones wiedergeboren werden. Ihre Frühwerke sind drei Jugendbücher (The Diaries of Batheshba Clarice de Trop), die aber noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Aus ihrer Young Adult Reihe über die Averleys, ist dies nach Secrets & Sapphires(Rückkehr nach Somerton Court) ihr zweiter Roman Diamonds & Deceit (Schatten über Somerton Court).

Kurz zum Inhalt: Die Averley Familie ist zurück, mit mehr Skandalen, Romanzen und noch mehr Dekadenz. Die Londoner Saison von 1913 ist in vollem Gange während Rose sich so deplatziert wie nie zuvor vorkommt. Sie fühlt sich wie ein Dienstmädchen, das sich verbotenerweise in Diamanten und Seide gehüllt hat. Doch dann trifft sie auf Alexander Ross, einen jungen schottischen Herzog. Rose hat alle möglichen wilden Gerüchte über ihn gehört, aber er ist der Einzige, der sie freundlich und normal behandelt. Sie sollte es besser wissen, als ihr Herz an einen Mann mit einer zwielichtigen Reputation zu verschenken, aber dafür ist es bereits zu spät . . . Währenddessen fühlt sich Ada genauso unglücklich. Sie sollte glücklich sein – sie ist mit einem gutaussehenden Mann verlobt, der ihre politischen Ansichten leidenschaftlich teilt und ihre weitere spätere Ausbildung unterstützen will. Aber warum fühlt sie sich dann innerlich so leer? Sie weiß, daß ihre Familie ohne ihre Heirat dem Ruin entgegen geht, aber es scheint, daß die Averleys in Liebesdingen nur ihrem Herzen folgen können… In einer Welt, die droht, auseinanderzubrechen und in der nichts mehr so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, müssen alle Bewohner von Somerton Court darum kämpfen, ihren Weg zu gehen…

Was mich seltsamerweise beim ersten Teil abgeschreckt hat, war die Vielzahl an Klischees , mit der die Autorin um sich schmiß - die Herrschaft- Bedienstetenwelt/Upstairs – Downstairs, die plakativen Charktere: die ruhm – und geldsüchtige Stiefmutter, sowie ihre geltungssüchtige und intrigante Tochter Charlotte und der Lebemann - der Welt überdrüssige Bruder Sebastian, der selbstverständlich auch noch schwul war und - Nachtigall ick hör dir trapsen – ein Verhältnis mit seinem relativ gleichaltrigen Leibdiener hat, der doch im Nachhinein mehr ist, als er vorgibt zu sein. . .

All diese Charaktere werden ihrer Plakativität beraubt und zurück bleiben gebrochene einsame Figuren, die dein Schein zu wahren suchen und plötzlich an Menschlichkeit gewinnen. Nichts ist mehr so wie es scheint, was auch ein Großteil dem Nahen des 1.Weltkrieges geschuldet ist.

Charlotte versucht nur einen sicheren Platz in der Gesellschaft zu ergattern, was dem unbeirrbaren Drängen ihrer Mutter entspricht. Immer wieder wird sie dazu angehalten einen standesgemäßen Ehemann zu finden, Liebe sei dabei völlig inakzeptabel. Gerade Charlotte stellt jedoch fest, daß ihr bisheriges Leben von Lieblosigkeit allgemein und gegenüber ihrer Stiefschwester im Besonderen geprägt war und setzt alles daran dieses zu ändern, doch mit fatalen Folgen; nicht für sie… Mir gefällt, das Aufblühen von Rose (der Name ist wohl Programm), ihre Suche um einen Platz in der Gesellschaft und deren gegenseitige Ablehnung, ob ihrer unverrückbaren Zwänge und Regeln, die Rose nur zu gerne bricht, da sie einen ganz anderen Blick auf den „Ton“, der sich durch dekadente Scheinheiligkeit auszeichnet, durch ihre einfache Herkunft hat. Nur zu offensichtlich findet sie einen Partner, der genauso am Rande der Gesellschaft lebt wie sie, nur unter anderen Umständen dazu gezwungen ist.

Alle Prota – und Antagonisten gewinnen an Tiefe, ihre Menschlichkeit entwickelt sich und vor allen Dingen läßt der historische Hintergrund alle Konventionen und Zwänge zu Staub zerfallen. Zwar wird nicht jeder Charakter eingehend beleuchtet, dafür gibt es einfach zu viele, aber der Großteil wird durchweg positiv vertieft dargestellt. Schön ist die bereits erwähnte Entwicklung, der zu Beginn mit dem Stempel der bösen Stiefschwester behafteten Charlotte, die vom Biest zum reumütigen Sünder wird und eine anschauliche Wandlung vollzieht. Schön auch die Figur ihres schwulen Bruders Sebastian, der anfänglich der nichtsnutzige, Geld mit beiden Händen ausgebende Lebemann ist, und durch seine Beziehung zu seinem Leibdiener Oliver, der unschuldig für Sebastian ins Gefängnis geht, immer mehr an Tiefe gewinnt. Das Leid, dem Oliver in der Haftanstalt ausgesetzt ist, geht Sebastian so zu Herzen, daß er alles erdenklich Menschenmögliche unternimmt um ihn zu retten. Er gräbt so tief, daß er in Olivers Vergangenheit ein äußerst spektakuläres Geheimnis findet…

Ich gehe jetzt nicht weiter auf die andern Familienmitglieder von Ada und die Bediensteten von Somerton Court ein, aber auch hier sind ein paar außergewöhnliche und auch schicksalshafte Entwicklungen zu verzeichnen. Es sei nur noch so viel gesagt, daß die Zofe von Rose, Céline, ihr zu einem unvergessenen Ballauftritt verhilft, was sich als äußerst gewinnbringend für Céline erweisen wird…

Leila scheint gänzlich in der Welt von und um Somerton Court angekommen zu sein. Mit dem 1. Band hat sie nur einen Teil der Charaktere vorgestellt, und nun zeigt sie daß sie alle am Abgrund tanzen und der Abgrund sich beginnt in ihnen widerzuspiegeln. Deshalb haben sie entweder ihre Masken fallen lassen, an Tiefe gewonnen oder ihre Menschlichkeit für sich entdeckt, da am Vorabend eines weltenverändernden Krieges nichts mehr zählt als die eigene Familie und die Liebe, die alles zusammenhält…

Eines der wenigen Mankos, was ich habe, ist der allzu häufige Szenenwechsel; zwar werden dadurch die Kapitel schön kurz gehalten, doch man muß sich allzu oft an einen anderen Schauplatz mit seinen unterschiedlichen Darstellern gewöhnen, was ich etwas stressig fand. Schön auch der flüssige Stil, der warscheinlich auch zum Großteil der Übersetzerin Stefanie Schäfer zu verdanken ist. Um sich richtig in den Roman fallen zu lassen ist der erste Teil als Hintergrundwissen zwar nicht ganz vonnöten, aber doch durchaus ratsam. Ich konnte mich dieses Mal recht flott in die Geschehnisse hineinversetzen und konnte auch nicht aufhören zu lesen (nach wieder nur drei Sitzungen), was ein weiterer Pluspunkt für die Autorin ist. Es ist, als ob Rasheed eine 180Grad Kehrtwendung gemacht hat, oder sie wollte mit Absicht der zuvor oberflächlichen Launenhaftigkeit der dekadenten Welt der englischen Oberklassenschicht zu Beginn des 20.Jahrhundert einen Dämpfer verpassen und ihre Figuren dem zeitnahen Geschehen des Wandels unterwerfen, ihnen so den Spiegel vorhalten, was ihr meiner Meinung nach perfekt geglückt ist.

Da ich also so begeistert von dem 2.Buch ihrer Young Adult Reihe bin, vergebe ich an dieser Stelle 4 liebevolle Sterne, den 5. muß sie sich mit dem 3.Band noch verdienen, in denen hoffentlich alle Figuren an den ihnen vorbestimmten Plätzen angekommen sein werden… Ach und ein dickes Lob für den Ausflug zu Selfridges! Wer sich von einer Welt im Stile Downton Abbeys in den Bann schlagen lassen möchte, dem kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.

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