Phantasie allein kann die Fülle an ersonnenen Welten und Innenwelten nicht beschreiben, die sich in diesem faszinierenden Buch versammeln. Hinter den Erzählungen und Gedichten in diesem gerade erschienen Werk verbirgt sich eine hoch feinsinnige Autorin, die ihre Protagonisten vordergründig in fast alltäglichen Geschehenswelten schildert und dann aber tief in deren Seelen dringt und Unsichtbares sichtbar und nachfühlbar macht..
Dabei beweist Lelia Strysewske ein ungewöhnlich ausgeprägtes Einfühlungsvermögen.
Sie erzählt feinfühlig von Frauen-, Mädchen- und Kinderschicksalen.
Und sie schlüpft auch gekonnt in die Rolle von Männern.
Der Titel des Buches verrät die Richtung. Es geht um die Frage, was das Leben eines Menschen letztlich ausmacht, was ihn glücklich macht in seinem Leben.
Stets wird deutlich, dass es nicht die materiellen Erfolge sind, sondern die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach „einer Hand die wärmt“, wie es in einem kleinen Gedicht heißt.
Es geht um Verletzungen der Seele, die weit zurückliegen oder gerade erst geschehen.
Es geht aber auch um die sinnliche Liebe, um das Genießen eines Menschen in seiner erotischen Erscheinung.
‚Sehnsucht‘ ist der Grundtenor des Buches, der die Geschichten und Gedichte durchzieht und formt;
die Sehnsucht nach einem besseren Jetzt.
Lelia Strysewskes Figuren sind keine Außenseiter, aber sie leiden an ihren Lebenswelten, in denen sie funktionieren sollen.
In ‚Hell wird es nachts‘ heißte es: „Das Korsett der Frau ist gerissen. […] Sie hat es zerrissen.“
Diese Aussage lässt sich auf fast alle Inhalte des Buches übertragen.
Das gesellschaftliche Korsett engt die Figuren ein, tut ihnen weh.
Die Erziehung, die es schuf, wird als falsch erkannt und es werden neue Wege gesucht, die aber keine schnellen Auswege sein sollen, sondern neue Anfänge.
Durch das ganze Buch zieht sich diese Sehnsucht nach Liebe und nach neuen Ufern.
Die Autorin lässt dabei ein tiefes Verständnis für die Nöte der Menschen verspüren, für ihre nicht öffentlichen Verletzungen und Ängste.
Das Buch enthält sowohl Erzählungen als auch Lyrik. Beide literarischen Formen ergänzen sich in sehr angenehmer Weise und Lelia Strysewske beweist in beiden eine selten gewordene Fähigkeit im vielschichtigen Beschreiben seelischer Befindlichkeiten.
Ihre wunderschönen, stimmungsvollen Wortschöpfungen überraschen Leserin und Leser immer wieder und zeugen von literarischer Meisterschaft.
Die Inhalte des gelungenen Buches sind spannend, aber ohne Effekthascherei.
‚Leben, nichts als lieben‘ steckt voller großartiger Phantasie, ist aber dem Leben entnommen, wie wir es um uns herum finden.
Wer aufmerksam und voller Empathie durch eine Stadt geht, wird sie finden, die Hannah, den Jan, Almah, Julie, Robbie, Alid,Tom sowie den Zahntechniker, der auch mal Hausbesuche macht.
Auch die Frau mit dem graumelierten Rock und der kratzigen Strumpfhose wird man wiedererkennen…
Geschichten aus dem Alltag – real und zuweilen leicht surreal. Diese Mischung aus spannenden Handlungssträngen sowie geistiger und seelischer Tiefe ist überzeugend.
Das alles ist dargeboten in einer sehr hohen literarischen Qualität, die ihresgleichen sucht und die die anspruchsvollen Leserinnen und Leser begeistern wird!
Volker Nemitz