Cover des Buches Krieg und Frieden (ISBN: 9783491912038)
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Rezension zu Krieg und Frieden von Leo Tolstoi

Rezension zu "Krieg und Frieden" von Leo N. Tolstoi

von sabisteb vor 13 Jahren

Rezension

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sabistebvor 13 Jahren
Ein Meisterwerk, ein großes Stück Weltliteratur […] eine Dichtung aus den obersten Rängen in einsamer Nachbarschaft mit der Ilias etwa, der Odysse, wir kennen die Lobsprüche aus dem Munde vielsprachiger Kennerschaft und wir kennen auch die Bendenken ob ein solches Werk solcher Meisterschaft solchen inneren und äußeren Formats überhaupt noch einmal als Vorlage als Stoffvorrat dienen dürfe zu anderer Verwendung als der des eifervoll bemühten und durch sich selbst belohnten Lesers. Wir teilen sie sogar. Wir haben und den Zugriff auf diesen Roman trotz der Ermutigung, die von Ihnen, unseren Hörern zu unseren umfänglichen Fortsetzungsreihen ausgingen durch viele Jahre versagt. In diesen Jahren hat es einen gewichtigen Theaterversuch nach diesem Roman gegeben, einen großangelegten imponierenden Film mit Audrey Hepburn als Natasha […]. Warum sollten wir im Hörfunk […] den Versuch nicht wagen, in 10 Abenden einen gewichtigen Teil des vierbändigen Romans zu erzählen. […] Selbst 10 Abende von einer knappen Sendestunde reichen nicht aus diesem Roman vom ersten bis zum letzten Wort zu folgen. Wir mussten uns bescheiden. Und wenn auch der zehnte Abend mit den Worten schließt mit denen Tolstoi selbst sein Buch beschloss, so beginnt der erste doch nicht früher als im dritten Teil des Romans. Dort wo Napoleon Bonaparte an den Höhepunkt seiner Macht gelangt, in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz.[…] Gert Westphal 1965 Ja was soll man sagen. Alle loben dieses Buch, es ist ein Klassiker. Dieses Buch strotzt vor parallel laufenden Handlungen und wartet mit über 200 Personen auf. Ich würde das Buch als historischen Roman bezeichnen, der zur Zeit Napoleons spielt. Tolstoi war clever, was das Marketing und die Wahl seiner Leserschaft angeht. Für die Herren gibt es Pathos, Mut und Schlachten, für die Damen der Liebe Irrungen und Wirrungen zur Genüge. Die Herren quälen sich wahrscheinlich durch die Passagen der Liebesschwüre, die Damen durch die endlosen, ermüdenden Schlachtenbeschreibungen. Steinigt mich, aber ich würde sagen, die Geschichte ist überfrachtet und eine Kürzung und Straffung würde der Geschichte gut tun und ihr mehr Leserschaft gewinnen. Obwohl das Hörspiel nach eigenen Angaben erst im Dritten Teil beginnt, also 2/3 der Geschichte weglässt, hatte ich nicht das Gefühl was zu verpassen, oder dass überhaupt was fehlen würde… Das sagt ja schon einiges entweder über die Qualität des Hörspiels oder die Langatmigkeit der Geschichte aus. Jeder der 10 Teile beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung der Hauptereignisse, was ich sehr hilfreich fand. Ich finde es schön, dass diese original Kommentare verblieben sind und nicht geschnitten wurden, das ergibt ein sehr authentisches Radioerlebnis. Die Sprecher sind hervorragend, bis auf Gustl Halenke, die Natasha spricht, die lispelt für meinen Geschmack zu sehr. Der Stil des Hörspiels ist charmant retro, es ist eben ein Hörspiel der 60er Jahre und dementsprechend reißerisch gebärden sich die Erzähler. Auch ist die Erzählweise ein wenig anders als man das heutzutage gewöhnt ist, teils wechseln sich Erzähler und Sprecher von einem Satz zum nächsten ab und geben dem Geschehen so Tempo. Die Klangqualität ist teils nicht optimal, aber es handelt sich wie gesagt um ein Hörspiel von 1965, da kann man kein Dolby Surround erwarten. Die Geschichte/ das Hörspiel an sich hat für mich einige Mängel. 1.Zu viel nerviger Pathos: Hier sind die Männer noch echte Helden! Statt an die Uni zu gehen rennt man lieber sinnlos in die Schlacht und am besten als Erster vorneweg, damit man heldenhaft erschossen wird. Die Dummheit der Jugend stirbt dennoch nie aus. Einzige Ausnahme: Pierre (das intelligente Weichei). Pierre schaut sich die Schlacht als Katastrophentourist aus der ferne an, bleibt dann aber heldenhaft in der brennenden Stadt. Um die Ehre dieses Charakters ein wenig zu retten lässt Tolstoi ihn zumindest den Plan fassen Napoleon zu meucheln, aber zum Glück kommt eine Maid in Not dazwischen, so dass Pierre lieber ein Kind aus den Flammen rettet und gefangen genommen wird, eher er zum heldenhaften Märtyrer wird. 2. Irrungen und Wirrungen der Liebe: Natasha geht mir unglaublich auf den Keks. Diese naive Weiblein, dieser liebestolle Teenager steht den unbedarften Jane Austen Heldinnen in nichts nach. Erst verliebt sie sich in Adrej, verlobt sich mit ihm, dann verliebt sie sich in Anatol Kuragin und will mit ihm durchbrennen und trennt die Verlobung zu Andrej. Dann liegt Andrej im sterben und natürlich erkennt sie sofort, dass sie ihn doch noch liebt, um ihn heldenhaft in den Tod zu pflegen, und kaum in Trauer einen anderen, viel älteren Mann zu heiraten (der sich natürlich jahrelang ihre Liebe versagte, weil er unglücklich verheiratet war und nun, da seine Frau endlich tot ist, sofort diese unbedarfte, dumme junge Schnepfe ehelicht). 3. Die Schlachtenszenen fand ich langweilig und überflüssig. Das fand ich aber auch schon bei „Herr der Ringe“ und ich bin eben eine Frau. Diese Szenen wurden für die männliche Leserschaft geschrieben. Hier kämpfen echte Kerle, sagen sich aber auch echt männlich, dass sie sich lieben und fallen sich in die arme und verdrücken schon mal ein Tränchen. Ich plädiere für eine gekürzte Version für Frauen (Streichung der Schlachtenszenen). Wirklich auf die Palme gebraucht hat mich aber gegen Ende Natashas und Marjas verhalten Sonja gegenüber. Sonja löst ihre Verlobung von Nikolai und macht so den Platz für Marja frei, über die alle lästern, dass sie eine alte Jungfer sei. Nachdem Marja Nikolai durch seine schwersten Zeiten begleitet hat, muss sie sehen, wie sich Marja ihren Ex unter den Nagel reißt und auch noch die Demütigung ertragen unter ihrem Dach wohnen zu müssen und zu sehen, wie eine Andere Frau die Familie gründet, die ihr zugestanden hätte. Und was sagt Natasha dazu? Sonja empfindet sicherlich nichts dabei, warum auch, sie hat sicherlich nicht so en tiefes empfinden, so als alte Jungfer hat sie keine Ahnung vom Leben. Diese dummen Sprüche haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert. Ehefrauen und Mütter sehen sich als was Besseres und sprechen den übriggebliebenen Resten der Frauen sowohl Gefühle als auch Intelligenz ab. Natasha dieses naive Ding, ich hätte sie dafür echt schütteln können, wie sie alle auf Sonjas Gefühlen herumtreten. Ich kann ja verstehen, dass Marja es wenig lustig findet die Ex ihres Mannes mit durchzufüttern und so täglich vor Augen geführt zu bekommen, was ihr Schicksal hätte sein können, dennoch kotzt mich ihr Verhalten an. Irgendwie bleiben fast alle Personen des Romans tot für mich, irgendwie leblos, außer Natasha, die mich echt nervt mit ihrer Naivität. Tolstoi schafft es nicht (oder zumindest das Hörspiel nicht), dass einem die Personen ans Herz wachsen und lebendig werden. Mir war echt wurscht wer da schon wieder gestorben ist und selbst die elendslange Stebeszene von Natashas Ex schafft es nicht zu berühren. Fazit: Sehr gut gemachtes Hörspiel. Man kann der Handlung sehr gut folgen und die massiven Kürzungen auf die Haupthandlungen kommen der Geschichte definitiv zu Gute. Von mir aus hätte man die Kriegshandlungen auch noch deutlicher kürzen können. Die Geschichte an sich ist mir zu kitschig. Zu viel Pathos, zu viel nerviger Heldenmut, zu dumme Heldinnen. Jane Austens dümmere Protagonistinnen gewürzt mit Heldenmut für die männliche Leserschaft. Für mich kein Meisterwerk, eher ein viel zu überladener historischer Roman, bzw. historische Romanreihe. 10 CDs sind genug, um das Grundgerüst der Geschichte zu erfassen, und haben mir schon voll und ganz gereicht. Steht in Kitsch modernen Ewiglangepen wie Galbaldon und Co sicherlich in nichts nach, hatte nur das Glück zum Klassiker geadelt zu werden.
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