Der mittellose Student Stanislaus Demba ist auf der Flucht, er irrt durch die Großstadt und sein rätselhaftes Benehmen lässt ihn von einer unmöglichen Situation in die nächste taumeln. Der kafkaeske Reigen Dembas geht quer durch die Wiener Gesellschaft, durch dunkle Gassen und Spelunken wie herrschaftliche Häuser. Weshalb aber werden die Menschen, auf die er trifft, für ihn immer mehr zu Schreckgespenstern? Was für ein Geheimnis umgibt ihn? „Zwischen neun und neun“, 1917 geschrieben, liest sich wie ein Abgesang auf eine Gesellschaftsform, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum Anachronismus geworden war. Er beeindruckt durch seine apokalyptische Atmosphäre
ebenso wie durch sein gewaltiges Erzähltempo.

Zwischen neun und neun
Sortieren
- Rezensionen
- Leserunden
- Buchverlosungen
- Themen
Rezension zu "Zwischen neun und neun" von Leo Perutz
Scarecrow
14. March 2007 um 18:47Odyssee in Ketten Der 1918 geschriebene Roman "Von neun bis neun" des österreichisch-jüdischen Schriftstellers Leo Perutz erzählt die abenteuerliche Geschichte des Studenten Stanislaus Demba; und dies, verwirrenderweise, zunächst aus der Sicht von Personen, die dem Studenten über den Weg laufen. Dieser verhält sich höchst merkwürdig, ist sehr aufbrausend und verbirgt die ganze Zeit irgend etwas unter seinem Mantel; nacheinander hält man ihn für einen Dieb und einen Haschischraucher, er gibt sich als Krüppel aus, und schließlich glaubt seine Angebetete Sonja, die ihn für einen anderen verlassen hat und die er zurückzugewinnen versucht, er sei bewaffnet; nach allerlei weiteren Begegnungen sucht er schließlich Steffi Prokop auf, ein Mädchen, das in ihn verliebt ist, und der er sich anvertraut. Erst jetzt erfährt man mit Sicherheit, was ihm widerfahren ist: Er erzählt dem Mädchen davon, dass seine Sonja ihn für den reichen Georg Weiner verlassen hat; in dem Glauben, es ginge ihr nur darum, dass Weiner ihr eine Reise Finanzieren könne, und dass sie zu ihm zurückkehren würde, wenn er selbst Geld hätte, versuchte Demba einen aus der Universitätsbibliothek entwendeten Prachtband zu Geld zu machen. Der Händler schöpfte jedoch Verdacht und rief die Polizei; Demba floh, sich nichts mehr als noch einen halben Tag Freiheit wünschend, durch einen Sprung aus dem Fenster - doch erst nach dem die Polizei ihm bereits Handschellen angelegt hatte. Steffi Prokop erklärt bereit, ihm zu helfen und bis zum Abend einen Schlüssel anfertigen zu lassen; währenddessen eilt Demba weiter durch das Wien der k. u. k. Monarchie, um das Geld doch noch zusammenzubekommen und Sonja zurückzugewinnen - und läuft dabei ständig Gefahr entdeckt zu werden... Was mich an dem Roman am meisten beeindruckt hat, war die Art, wie sich durch die geschickte Erzählweise des Autors langsam mein Verhältnis zur Figur Stanislaus Demba geändert hat. Demba ist an und für sich kein sonderlich sympathischer Mensch - cholerisch, machtgeil, seine Sonja (die ebenfalls nicht gerade von beeindruckendem Charakter ist) will er eigentlich nur zurück, weil sie ihm weggenommen wurde, ehe er fertig mit ihr war. Die durch brandnarben entstellte Steffi Prokop, die ihn aufrichtig liebt, weiß er erst zu schätzen, als es zu spät ist. Doch Demba beeindruckt den Leser dennoch - durch seine Beharrlichkeit, durch die Weigerung in den ausweglosesten Situationen aufzugeben. Mit Einfallsreichtum und Dickschädel kämpft er sich von Begegnung zu Begegnung - und wird dabei vom Pech verfolgt. Zum Ende hin leidet man dann ganz und gar mit diesem Sturkopf mit; es kann doch nicht fair sein, dass er trotz all seiner Bemühungen scheitern soll? Das Ende des Romans wirkt wie ein Hammerschlag - und stellt den Handlungsverlauf komplett auf den Kopf. Das Buch ist als Paperback im dtv-Verlag für 8,50€ erhältlich und enthält neben dem Haupttext, der der Erstausgabe von 1918 folgt, ein Nachwort von Hans-Harald Müller. Ein flüssig zu lesendes, spannendes, sehr durchdachtes Buch, das mich auf den Bahnfahrten der letzten Tage bestens unterhalten hat. Klare Kaufempfehlung!
Für jemanden, derLeo Perutz's phantastischen Realismus ungemein schätzt, ein - vom Ende abgesehen - eher enttäuschendes Werk.
— Alice-33Anstrengend zu lesen aber es hat trotzdem Spaß gemacht.
— lord-byron