. Auf einer Strandliege am Meer, mit Eistee und Blick über das Buch auf die Wellen mag ich Padura. Er schreibt gemächlich und was er schreibt, liest man am besten gemächlich. Er ist ein genauer, aber angenehmer Beobachter zwischenmenschlicher Beziehungen und der daraus entstehenden Dynamik zwischen Menschen. Es ist ein mäandernder Stil, der mich als Leser mitnimmt, ohne mich mitzureißen. Gute Urlaubslektüre also.
Leonardo Padura
Lebenslauf
Alle Bücher von Leonardo Padura
Der Nebel von gestern
Adiós Hemingway
Anständige Leute
Der Mann, der Hunde liebte
Die Durchlässigkeit der Zeit
Labyrinth der Masken
Wie Staub im Wind
Handel der Gefühle
Neue Rezensionen zu Leonardo Padura
Wer in Havanna überleben will, muss flexibel sein. Dem ehemaligen Polizisten Mario Conde, mit den Beatles aufgewachsen und mittlerweile über sechzig, handelt mit Büchern, gebrauchten Kleidern, kaputten Elektrogeräten und anderem mehr, als ihm im angesagtesten Lokal der Stadt ein Überwachungsjob, in dem er die Gäste unter die Lupe nehmen soll, angeboten wird. Obwohl Null Bock darauf, gegenüber den Verlockungen (zehn Dollar pro Abend plus ein komplettes Menü), die damit einher gehen, ist er machtlos.
Dann springt der Autor zum Jahrhundertbeginn (dem 19ten, nicht dem 20sten) zurück, als Havanna mit „Das Nizza Amerikas“ angepriesen wurde. Wie Leonardo Padura das typisch Kubanische schildert, ist überaus gelungen. So schildert er das Land als eines, „das sich Erleichterung verschafft, indem es alles Enttäuschende vergisst“ und den Nationalhelden José Martí als jungen Mann von schlichtem und romantischem Gemüt, „der noch an die republikanischen Ideale, Gerechtigkeit und andere utopische Vorstellungen glaubte.“
Anständige Leute ist sowohl Krimi als auch eine aufschlussreiche Lektion in Geschichte – so erwartete man am 11. April 1910, dass der Halleysche Komet auf die Erde treffen würde (die Reaktionen auf den bevorstehenden Weltuntergang illustrieren überaus treffend, wo die Prioritäten der Menschen liegen – die Gier kommt definitiv vor der Moral). Doch vor allem schildert dieser Roman die kubanische Mentalität, die sich ... doch lesen Sie selber, es lohnt!
Zu dieser Zeit gab es auch einen bestialischen Mord im Rotlichtmilieu, an dem sich eine Fehde zwischen zwei Gangsterbossen entzündet. Die Hierarchien von damals und die von heute – die zeigt dieser Roman sehr schön – sind sich ausgesprochen ähnlich. Leute mit Geld ebenso.
Es gehört zur Magie der Wörter, dass sie Bilder und Gerüche in unserem Kopf entstehen lassen, und so bin ich oft in Havanna, wenn ich vom Prado, dem Malecón und dem Hotel Inglaterra lese, denn mir war die Stadt einmal recht gut bekannt, da ich dort geheiratet habe. Und natürlich geht mir auch immer mal wieder meine Ex durch den Kopf, die alles zumeist normal fand, während mir selber alles sehr, sehr eigenartig vorkam, wozu auch die kubanische Vorliebe fürs fettreiche Essen gehört.
Stolz, Rassismus, Nationalismus, Korruption und alles andere, das dem Menschen nicht gerade zu einer erfreulichen Spezies macht, kommen zu Sprache. Anständige Leute liest sich gut und ist vielfältig aufklärend. Das Zitat aus der Süddeutschen „Wer Kuba verstehen will, muss Leonardo Padura lesen“, ist trotzdem falsch, denn eine Vorstellung von einem Land zu haben, ist etwas ganz anderes, als dieses zu erleben. Nichtsdestotrotz lernt man in diesem Buch einiges über Kuba bzw. die Kubaner, die so schlau und mitfühlend, so witzig und niederträchtig sind wie andere auch, vielleicht jedoch nationalistischer.
Der Besuch Obamas sowie das Konzert der Rolling Stones stehen bevor, als ein gefürchteter und gehasster Kunst-Zensor, der eine stalinistische Kulturpolitik betrieb, brutal ermordet wird. Wie diese Kulturpolitik funktionierte, schildert Leonardo Padura höchst eindrücklich. Für mich gehören diese Ausführungen, bei denen man die Angst fast mit Händen greifen kann, zu den stärksten Stellen dieses gut geschriebenen Romans.
Was Havanna als Stadt einzigartig macht, ist die Avenida del Malecón, deren Ufermauer „man zugute halten konnte, die längste öffentliche Bank der Welt zu sein.“ Wunderbar! Wobei: Havanna ist nicht Kuba. Leonardo Padura macht das unter anderem an seinem Protagonisten Mario Conde deutlich, der vom Land in die Stadt gekommen war. „Vieles von dem, was mir hier noch vor Kurzem übertrieben, aussergewöhnlich, anormal, ja unmoralisch erschienen war, kam mir inzwischen geradezu alltäglich vor.“
So sehr dies ein sehr kubanischer Roman ist, vieles wenn nicht das meiste, trifft auch auf andere Weltgegenden zu. „Wie die Konservativen überhaupt die Partei sein wollten, welche die befleckte Ehre Kubas wiederherstellen, auf die Einhaltung der guten Sitten achten und zugleich den Glauben an den Fortschritt fördern würde. Viele Leute nahmen ihnen die Geschichte ab. Oder auch nicht, aber das hat nie eine grössere Rolle gespielt auf unserer von der Tropensonne gepeinigten Insel, wo der Zynismus – und nicht das aufrichtige Bekenntnis zu den eigenen Anschauungen – eine weit verbreitete Lebenshaltung darstellt.“
Conde wundert sich, woher die Leute so viel Geld haben. Und er führt am Beispiel seines ehemaligen Schulkameraden Miki, der Schriftsteller geworden aus, aus, was zum Erfolg nötig ist. Die Formbarkeit bzw. die Fähigkeit sich anzupassen.
Anständige Leute ist auch ein Roman, der sich mit Grundsätzlichem auseinandersetzt. Und es ist nicht zuletzt dies, was ihn wesentlich auszeichnet. „Wer interessiert sich heutzutage noch für so etwas wie Anstand?, fragte sich Conde. Wer legte in diesen Zeit noch Wert darauf, ein anständiger Mensch zu sein?“ Auch Lao Tse zitiert er. „Fühlst du dich traurig und bedrückt, lebst du in der Vergangenheit; bist du voller Begierde, lebst du in der Zukunft; Erfüllt dich Frieden, lebst du in der Gegenwart.“
Fazit: Gut geschrieben, aufschlussreich und oft sehr witzig.
In Hialeah, Florida, wo Kuba allgegenwärtiger ist als auf der Karibikinsel selbst, haben sich die Exil-Kubaner eine Zuflucht geschaffen, in der sie ihren Träumen einen Hauch von Realität verleihen können. Genau dort leben der junge Exilkubaner Marcos und seine Freundin Adela. Auch Adelas Mutter ist Kubanerin und als ein altes Foto von Marcos Mutter auftaucht, wird klar, dass die beiden Frauen sich kennen müssen und es eine Geschichte geben muss, die für Adela alles verändert, nachdem sie bereits das Schicksal einer Gruppe von Freunden, die sich selbst als Clan bezeichneten, komplett verändert hat.
Leonardo Padura nimmt den Leser mit, in das wahrhaftige Kuba, die Zeit vor und nach der deutschen Wende, ein Ereignis, dass große Wellen schlug, für das kleine Kuba. Anhand einer Gruppe junger Intellektueller, zeichnet der Autor ein intensives Bild der Zeit, der Politik und der Menschen auf der Insel und bei deren Verlassen. Jedes Mitglied des Clans begleitet er etwas mehr oder weniger in seinem Leben, beleuchtet Denken und Handeln und die Wege, die viele Mitglieder des Clans letztlich ins Ausland führen. Migration, die für Viele mehr Exil ist, die Liebe zu einer Insel, die von einem Abgrund zum nächsten trudelt. Behutsam und langsam erzählt der Autor, oft ahnt der Leser schon zu Beginn, wohin Alles führt, aber das ist nur hintergründig für die Faszination des Buches. Offen stellt Padura den Absturz Kubas ins Bodenlose dar, kritisiert aber bei Weitem nicht nur das System, sondern auch die Menschen und deren Lebensweise selbst. Es krankt an verschiedenen Ecken und der Autor legt den Finger mitten in die Wunde, ohne zu verurteilen, aber doch sehr deutlich in der Ausweglosigkeit selbst.
Mein Fazit: Ich habe etwas länger gebraucht um mit dem Stil Paduras warm zu werden. In Allem liegt eine leichte Melancholie, eine traurige Poesie, die um so intensiver ist, als dass Paduro weder beschönigt noch zerreißt. Er erzählt mitten aus einer für uns kaum fassbaren Wirklichkeit. Da ich das Buch auf Spanisch gelesen habe, kann ich nicht sagen, ob es sprachlich auch in der deutschen Übersetzung so intensiv ist, aber das Original hat mich mehr als in den Bann geschlagen und ich kann es nur jedem Interessierten wärmstens empfehlen.
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