Rezension zu "Relativitätstheorie anschaulich dargestellt" von Lewis C. Epstein
„Ein Juwel unter den Büchern zur Relativitätstheorie“ steht auf dem Cover. Und das ist vollkommen richtig. Die spezielle Relativitätstheorie, die von den Bewegungen im flachen Raum handelt, wird von vielen Autoren allgemeinverständlich dargestellt. Die allgemeine Relativitätstheorie dagegen, welche erklärt, wie durch die Krümmung der Raumzeit die Gravitationskraft entsteht, die scheint für den Laien unerreichbar. Weshalb Dinge zwar in ein schwarzes Loch hineinfallen, aber nicht wieder hinaus kommen können, das habe ich in keinem populärwissenschaftlichen Buch lesen können. - Ausser bei Epstein. Selbst in einer Astronomievorlesung, die ich vor 30 Jahren besuchte, wurde es falsch erklärt.
Für skeptische Physiker ein Hinweis, wie Epstein die scheinbar unmögliche Erklärung schafft (Laien mögen diesen Abschnitt überspringen, das Buch ist viel einfacher): Epstein geht nicht von den üblichen Minkowski-Diagrammen aus, sondern er stellt die Eigenzeit einer Uhr dem Ort gegenüber. Dadurch wird die Metrik euklidisch, es wird also im Linienelement das Quadrat der Zeiteinheit nicht subtrahiert, sondern addiert. In den von Epstein verwendeten Diagrammen bewegen sich alle Objekte mit Lichtgeschwindigkeit c durch die Raumzeit. Dinge, die im Raum ruhen, fliegen mit c durch die Zeit. Je schneller sich etwas durch den Raum bewegt, desto langsamer vergeht die Eigenzeit. Epstein zeigt im Anhang, wie seine Diagramme in Minkowski-Diagramme umgerechnet werden können. Und er zeigt auch den Haken an seinen Diagrammen: Man kann in ihnen nur nach mühsamer Konstruktion erkennen, ob zwei Objekte zusammen stossen oder nicht.
Bereits in der Volksschule lernt man Orts-Zeit Diagramme zu zeichnen, und damit besitzt jeder bereits die Grundlage zu Epsteins Erklärung. Der entscheidende Punkt in der allgemeinen Relativitätstheorie ist, dass die Zeit nicht überall gleich schnell läuft: Unten in einem Gravitationsfeld läuft sie langsamer, oben schneller. Wie muss man ein Orts-Zeit Diagramm abändern, wenn die Zeit unten langsamer läuft? – Nun man zeichnet die Zeitachse unten gestreckt. Und wenn man nach Epsteins Anweisungen ein solches gekrümmtes Diagramm auf ein Papier zeichnet und das Papier nach Anweisung krümmt, sieht man wie durch ein Wunder, wie der eingezeichnete Ball nach unten fällt, bzw., wenn er zuerst nach oben geworfen wird, wie er eine parabelförmige Flugbahn beschreibt.
Weiter wird auch anschaulich klar, wie schwarze Löcher funktionieren und weshalb da wirklich nichts mehr raus kommt. Epsteins Idee funktioniert sogar so gut, dass man selbst Dinge korrekt versteht, die sonst regelmässig falsch geschildert werden: Die Gravitationskraft kommt nicht in erster Linie durch die Raumkrümmung zustande, sondern vor allem durch die Verlangsamung der Zeit. Gleichzeitig erkennt man an den Diagrammen aber auch, dass die Raumkrümmung bei hohen Geschwindigkeiten sehr wohl eine Rolle spielt. Dies hat bekanntlich sogar Albert Einstein übersehen, als er die Ablenkung des Lichtes an der Sonne berechnete.
Mit Epsteins Methode ist es tatsächlich möglich, Schülern der Volksschule zu erklären, weshalb die Verlangsamung der Zeit zur Gravitation führt. Auch als ich mich später intensiver mit gekrümmten Räumen und mit Differentialgeometrie befasste, führte diese Darstellung nicht zu Irrtümern. Im Gegenteil konnte ich mehrmals intuitiv Resultate vorhersehen, die andere erst nach mühsamer und sehr abstrakter Rechnung erhielten – oder eben nicht, wenn sie falsch rechneten.
Lustig ist übrigens ein längeres Zitat aus einem alten Lehrbuch: Hier wird über ‚Ätheratome’ spekuliert, die mit Rauchwirbeln verglichen werden, wie Helmholtz sie beschrieb.