Li Kunwu

 4,4 Sterne bei 16 Bewertungen
Autor*in von Lotusfüsse, Ein Leben in China und weiteren Büchern.

Alle Bücher von Li Kunwu

Cover des Buches Lotusfüsse (ISBN: 9783037311370)

Lotusfüsse

 (6)
Erschienen am 27.01.2015
Cover des Buches Ein Leben in China (ISBN: 9783037311042)

Ein Leben in China

 (3)
Erschienen am 26.02.2013
Cover des Buches Ein Leben in China (ISBN: 9783037311059)

Ein Leben in China

 (3)
Erschienen am 01.10.2013
Cover des Buches Ein Leben in China (ISBN: 9783037311028)

Ein Leben in China

 (2)
Erschienen am 24.09.2012
Cover des Buches Die Eisenbahn über den Wolken (ISBN: 9783037311479)

Die Eisenbahn über den Wolken

 (2)
Erschienen am 30.04.2016

Neue Rezensionen zu Li Kunwu

Cover des Buches Lotusfüsse (ISBN: 9783037311370)
katzenminzes avatar

Rezension zu "Lotusfüsse" von Li Kunwu

Grausame Tradition
katzenminzevor 3 Jahren

Einst ein Symbol für Schönheit und Weiblichkeit, später geächtet und verboten: Die schmerzhafte Tradition der Lotusfüße. Li Kunwu schildert in dieser Graphic Novel das Leben seines Kindermädchens Chunxiu, das genau in den Zeitraum gesellschaftlicher Umbrüche fällt, in dem die Lotusfüße vom Garant für Wohlstand zum Tabu werden.

Weil ich das Thema Lotusfüße gleichzeitig interessant, unverständlich und grausam finde, hat mich diese Graphic Novel sehr interessiert. Was Li Kunwu gut gelingt, ist der Einblick in die Gesellschaft, die diese Form der Verstümmelung schätzt. Für Frauen ist es ein Garant für eine Ehe mit einem wohlhabenden Mann. Wer dafür sorgen möchte, dass es das eigene Mädchen später einmal besser hat, der sieht zu, dass ihr die Füße gebunden werden. Auch was für ein absolutes Schönheitsideal diese Füße waren bringt er durch das Gespräch einiger Männer gut rüber. Man schaut einer Frau nichts ins Gesicht, sonder auf die Füße. Je kleiner und eleganter, desto besser. Auch, wenn das Endprodukt mit Füßen so gut wie nichts mehr gemein hat.

Was mir nicht gefallen hat, waren die spärlichen Informationen zum Hauptthema der Novel. Ja, besonders zu Beginn wird auf das Leid der Mädchen hingewiesen und es wird auch mehr oder weniger die Prozedur des Füßebindens beschrieben. Aber es kam mir vor, als traute sich Kunwu nicht, Tacheles zu reden. Es entsteht der Eindruck, dass die Mädchen nach einigen Tagen mehr oder weniger wieder laufen könne und die Schmerzen nur „die ersten zwei Wochen wirklich schlimm“ sind. Was nicht stimmt. Dass hier tatsächlich Knochen gebrochen werden, wird nie explizit erwähnt. Dafür muss ein einziges uneindeutiges Bild als Erklärung herhalten. Auch die Folgen im Erwachsenenalter sind bis auf den Nebensatz „wegen meiner kleinen Füße kann ich nicht so schnell laufen“ und einen einmalig erwähnten Geruch nicht existent. Der kurze Wikipediaartikel zum Thema enthält da bessere Informationen und redet nicht so um den heißen Brei herum.

Zu allem Übel haben mir dann auch die Zeichnungen überhaupt nicht gefallen. Nichts gegen den generell lockeren Zeichenstil Kunwus. Bei den chinesischen Ornamenten, Landschaft oder Gebäuden hat mir der ganz gut gefallen. Aber die Menschen sind einfach durchweg unschön anzusehen. Man kann die Charaktere kaum unterscheiden, die Gesichter wirken zerknittert und irgendwie falsch. Es ist einfach nicht schön, dabei geht es doch um Schönheit. Als Beispiel sei einfach nur das Cover zu nennen: Wer hätte erkannt, dass es sich bei der abgebildeten Person um ein siebenjähriges Mädchen handeln soll und nicht um eine alte Dame? Ich nicht!

Trotz interessanter Thematik und einem Autor, der selbst kaum näher am Thema sein könnte, war „Lotusfüße“ für mich insgesamt leider eine Enttäuschung.

Cover des Buches Lotusfüsse (ISBN: 9783037311370)
Saralondes avatar

Rezension zu "Lotusfüsse" von Li Kunwu

Lotusfüsse
Saralondevor 8 Jahren

Dies ist meine allererste Graphic Novel. Mich interessieren weniger Graphic Novels zu bestehenden Büchern als eigenständige Werke wie dieses. Li Kunwu beschreibt darin das Leben seines Kindermädchens Chunxiu, das stark dadurch geprägt war, dass ihre Füße in ihrer Kindheit gemäß der Tradition gebunden wurden. Dieser heute verstörend erscheinende Brauch entsprach dem damaligen Schönheitsideal und sollte vor allem die Heiratschancen eines jungen Mädchens erhöhen. Lotusfüße konnten tatsächlich mit einem sozialen Aufstieg verbunden sein. Mehr über Lotusfüße erfahrt ihr in diesem Wikipedia-Artikel, seid jedoch gewarnt, die Bilder sind durchaus erschreckend.

Eine Graphic Novel bietet natürlich nicht den Raum für eine ausschöpfende Lebensbeschreibung, so macht Li Kunwu unmittelbar, nachdem Chunxius Füße gebunden wurden, einen Sprung in die Zeit, als sie schon eine junge Frau ist. Ihre Lotusfüße sind perfekt geworden, haben sie zu einer begehrten Hochzeitskandidatin gemacht, der Frau, die ihr die Füße gebunden hat, ist sie sogar dankbar. Doch dann folgt die Revolution, die Republik China wird gegründet und die rückständige Tradition der gebundenen Füße geächtet. Chunixus Schicksal verkehrt sich mit einem Schlag ins Gegenteil, sie muss nun mit Sanktionen rechnen und flüchtet. Nach weiteren Schicksalsschlägen wird sie – schon eine alte Frau – Kindermädchen bei Li Kunwus Eltern.

Li Kunwus Graphic Novel erzählt eine berührende Geschichte und ist eine Hommage an sein geliebtes Kindermädchen. Ich könnte mir diese Geschichte auch sehr gut als Roman vorstellen, ich hätte gern noch mehr über Chunxiu und ihr Leben erfahren. Der Zeichenstil ist sehr erwachsen, für meine Begriffe jedoch auch ein wenig hektisch. Ich muss allerdings anmerken, dass ich wirklich überhaupt keine Ahnung vom Zeichnen habe. Das Buch ist für alle geeignet, die Graphic Novels mögen und sich für China interessieren.

Mein erstes Aufeinandertreffen mit einer Graphic Novel ist gelungen :-)

Cover des Buches Lotusfüsse (ISBN: 9783037311370)
Igelmanu66s avatar

Rezension zu "Lotusfüsse" von Li Kunwu

Ein Frauenschicksal in China
Igelmanu66vor 9 Jahren

»Auch andere Freundinnen von mir haben so ihr Leben verpfuscht. Ist man arm, kann man sich die Füsse nicht binden lassen. Hat man aber keine gebundenen Füsse, bleibt man arm.«

 

Chunxiu ist noch ein kleines Mädchen, als ihre Mutter es gut mit ihr meint. Sie soll es einmal besser haben, sie soll die Möglichkeit haben, einen wohlhabenden Ehemann zu bekommen. Ein gutes und sicheres Leben soll sie haben und niemals sich bei schwerer Feldarbeit abmühen müssen! Es wird eine Menge Geld kosten und Chunxiu wird viele Tränen weinen müssen, aber dafür mit einem wundervollen Leben belohnt werden...

 

Ende der 1950er Jahre bekommt der damals 4jährige Autor dieses Buchs ein neues Kindermädchen. Chunxiu heißt sie, ist eine alte Frau und schwere Arbeit gewöhnt, obwohl sie nur mit Mühen und langsam laufen kann. Mit viel Liebe kümmert sie sich um den Kleinen und seine Schwester - und sie erzählt den Kindern die Geschichte ihres Lebens. Der Autor, der bekannt und ausgezeichnet wurde für seine in drei Bänden erschienene autobiografische Graphic Novel "Ein Leben in China" möchte mit diesem Buch an Chunxiu und ihr Schicksal erinnern.

 

Gebundene Füße galten in China fast 1000 Jahre lang als Schönheitsideal. Kleine Füße sollten dem Mädchen eine gute Zukunft und ein Leben im Wohlstand sichern. Quer durch alle Schichten ließen Mütter ihren Töchtern die Füße binden, so wie sie es selbst durch ihre Mütter erfahren hatten. Nur die ärmsten Bauern konnten sich nicht anschließen, da die Mädchen dort ihre Füße bei der Feldarbeit brauchten. Nach dem Binden konnte das Mädchen/die Frau nie mehr weite Strecken gehen und litt lebenslang unter Schmerzen. Das Haus wurde nur noch selten verlassen, wer reich war, ließ sich in einer Sänfte tragen. Das Schönheitsideal wurde so gleichzeitig zum Zeichen des Wohlstands, denn ganz offenbar hatte die Frau es ja nicht nötig, arbeiten zu gehen! Und praktischerweise musste man sich auch um die Moral eines Mädchens oder einer Frau keine Sorgen mehr machen, die kaum in der Lage war, das Haus zu verlassen. Die im "Idealfall" nur zehn Zentimeter langen Füße (ungefähr Schuhgröße 17) galten als ungemein erotisch, es hieß, dass Männer bei der Wahl einer Frau als erstes darauf achteten, ob ihre Füße klein waren. Auch im Buch schwärmen Männer von der unglaublichen Anziehungskraft der "kleinen Lotusse" und ihrem angeblichen Wohlgeruch. Mir persönlich erschließt sich nicht, was an völlig verkrüppelten Füßen, die sich immer wieder entzündeten, erotisch sein soll. Und was den Wohlgeruch angeht: Die Bandagen wurden parfümiert, um faulige Gerüche zu überdecken. Der Vollständigkeit halber: Zu den Folgen der gebrochenen und eingeschnürten Klumpfüße gehörten eingewachsene und entzündete Fußnägel, eitrig infizierte Knochensplitter, verfaulte Haut und abgestorbene Zehen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lehnten immer mehr gesellschaftliche Bewegungen das Füßebinden ab, ab 1911 verbot die Republik China die Praxis, die sich mit abnehmender Tendenz trotzdem noch lange hielt und erst 1949 unter Mao Zedung endgültig verboten wurde. Plötzlich galten die zuvor bewunderten Frauen als Huren, wurden geächtet und manchmal gezwungen, ihre Füße wieder aufbrechen zu lassen.

Heute leben immer noch ältere Frauen mit gebundenen Füßen in China. Die letzte Fabrik, die Spezialschuhe für abgebundene Füße herstellte, schloss 1988. 

 

Der Leser dieser Graphic Novel erlebt in eindringlichen Bildern die wesentlichen Stationen von Chunxius Leben mit. Er sieht zu Beginn ein kleines, lebenslustiges Mädchen, das ausgelassen mit anderen Kindern herumtollt. Chunxiu ist flink und liebt ihr Leben. Als die Kinder ihre Schuhe ausziehen, um im Wasser zu planschen, sieht man ihre (normal großen) Schuhe und ihre Fußabdrücke im Sand. Dann kommt der Tag, der ihr Leben komplett verändern wird. Die Bilder sind drastisch, die Kleine schreit und weint und fleht ums Aufhören. Wie in einem Kameraschwenk verlassen die Bilder das Mädchen, man blickt über die Dächer der Stadt und sieht, wie sich ihre Schreie sicher weithin hörbar fortsetzen. Puh. Aber die nächsten Bilder haben mich fast noch mehr mitgenommen. In denen sitzt nämlich dieses einst so muntere Mädchen unbeweglich und leidend auf einem Schemel und starrt auf seine Füße...

Die sich wandelnde politische und gesellschaftliche Situation sorgte dann in der Folge dafür, dass der Plan des sorgenfreien Lebens für Chunxiu nicht aufging. Im Gegenteil. 

 

Ich finde es höchst beeindruckend, wie Li Kunwu mit dieser Geschichte an das Schicksal seines Kindermädchens erinnert und damit gleichzeitig das Leiden unzähliger Mädchen und Frauen uns, die wir weitab leben, drastisch vor Augen führt. Die Dialoge wirken authentisch, die durchgehend schwarzweißen Zeichnungen sind von großer Intensität und vermitteln einen guten Einblick in die chinesische Kultur, in diese für uns so fremde Welt. Gleichzeitig zeigt die Novel den politischen und gesellschaftlichen Wandel im China des 20. Jahrhunderts. 

 

Fazit: Ein Buch, das nachwirkt. Das man nicht so schnell vergisst. 

 

»Meine Grossmutter hat meine Mutter die Kunst des Bindens gelehrt, meine Mutter wiederum mich. Ist das Mädchen zu jung, schadet es dem Fuss. Ist es schon älter, sind die Knochen bereits zu hart. Sechs oder sieben Jahre ist das ideale Alter, wenn die Haut noch elastisch ist und die Gelenke noch weich sind. ... Ich erinnere mich, wie sich meine Mutter zu helfen wusste: Sie hat kurzerhand einen Hahn getötet und liess sein Blut über meine Füsse laufen, die sich sofort entspannten. Dann hat sie sie auf ihre Knie gelegt, vier Zehen gepackt und gegen die Sohle gebogen. Ein schneller Schlag - und noch bevor ich begriffen hatte, wie mir geschah, waren meine Zehen auch schon zu einer Kugel geschnürt. Meine Mutter drückte auf den grossen Zeh und fixierte den Fuss mit einer Bandage, die sie über den Rist zur Ferse spannte. Das Ganze hat sie mehrmals wiederholt. Meine Mutter ging sehr zielstrebig vor, sie schlug links und rechts auf den Fuss und schon waren die fünf Zehen sauber eingebunden und verschnürt. Jetzt gab es kein Zurück mehr, selbst wenn ich es gewollt hätte.«

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