Kronprinz Galefrid von Bullenmark gerät mit seinem Gefolge in einen grausamen Hinterhalt. Blutnebel heraufbeschworen von einer Dorne, einer dunklen Priesterin, tötet den Prinzen, seine Frau, seine Männer und alle Einwohner des Dorfes, in dem sie gerade zu Gast waren. Nur der Krieger Brys Tarnell kann fliehen - und mit ihm der Säugling Wistan, Galefrids Sohn.
Brys macht sich zusammen mit der jungen Odosse, die er als Amme für den kleinen Prinzen gewinnen konnte, auf die Suche nach den Hintergründen des Anschlags. Sie sind nicht die einzigen, die Nachforschungen in der Sache anstellen. Dornen sind weithin verhasst und der Mord droht einen alten Krieg wiederzubeleben. Einen Krieg, den auch Wistans Onkel Leferic verhindern will, obwohl er selbst den Mord an seinem Bruder in Auftrag gegeben hat...
In Liane Merciels Roman hat mich vor allem die Ausarbeitung der Welt begeistert. Es ist ein klassischer Fantasy-Schauplatz. Wir finden viele altbekannte und bewährte Elemente wie gesegnete Kriegerpriester, wikingerähnliche Söldnertruppen, menschliche und tierische Zombies, Brudermord etc. Doch all das wurde mit großer Sorgfalt mit Hintergrund gefüllt, was die Welt sehr authentisch wirken lässt. Merciel erzählt nicht nur diese eine Geschichte. Sie zeigt immer wieder, dass es da noch viel mehr zu entdecken gibt. So gibt es jede Menge Anspielungen auf frühere Kriege und Konflikte, die der Welt eine wirkliche Geschichte geben. Die Beziehungen zwischen einzelnen Fürstentümern, Königreichen, Völkern, ja sogar Städten wurden mit viel Liebe zum Detail herausgearbeitet und auch die einzelnen Religionen bestehen nicht nur aus fremden Götternamen, sondern werden im Verhalten ihrer Anhänger lebendig.
Die Geschichte selbst konnte mich jedoch leider nicht vollends überzeugen. Der erste Band bleibt weitgehend ereignislos. Alles startet zwar mit dem großen und dramatischen Anschlag. Da man als Leser jedoch schon ziemlich bald erfährt, wer diesen Hinterhalt geplant hat und warum, gestaltet sich die große Suche nach den Hintergründen eher unspannend. "Der Krieger und der Prinz" ist jedoch der Auftakt einer Reihe und ich denke, dass in den nächsten Bänden ein größerer Zusammenhang der Geschehnisse erkennbar werden wird. Nur einige Handlungsstränge finden schon im ersten Band ein Ende.
Was Glaubwürdigkeit, Lebendigkeit und Sympathiefaktor der Charaktere angeht, bin ich etwas unschlüssig. Die Dorne ist zwar (naturgemäß) wenig sympathisch, aber eine gut ausgearbeitete, wirklich schreckliche Antagonistin. Der eigentliche Bösewicht Leferic wirkt neben ihr jedoch sehr blass. Seine Motive für den so grausamen Brudermord scheinen mir etwas schwach und auch der Hauptcharakter Brys wirkt oft ziellos. Es war oft unklar, ob er nun auf der Suche nach Gerechtigkeit war und den Mord aufklären wollte, was er teilweise mit sehr radikalen Mitteln versuchte, oder ob er sich nur für das Geld interessierte, das er mit dem jungen Kronprinz gewinnen kann. Interessanter fand ich die beiden Anhänger der Sonnengöttin, die in einem Nebenhandlungsstrang ebenfalls an dem Mord forschen. Die Beziehung zwischen dem zu Keuschheit verpflichteten Krieger und seiner Gefährtin wird sehr einfühlsam geschildert. Ich hoffe, dass sie in den nächsten Bänden eine größere Rolle einnehmen werden.
Die Geschichte hat auf jeden Fall großes Potenzial. Die Grundidee ist spannend, die Autorin hat einen sehr schönen Schreibstil und entwickelt eine glaubhafte, lebendig wirkende Fantasy-Welt. Leider scheinen die Charaktere teilweise ein wenig unmotiviert, die Handlung unkoordiniert. Aufgrund der vielen guten Ansätze würde ich das Buch trotzdem weiterempfehlen und hoffe, dass sich die kleinen Startschwierigkeiten in den nächsten Bänden legen.