Cover des Buches In der Stille der Tod (ISBN: 9783423215411)
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Rezension zu In der Stille der Tod von Lieneke Dijkzeul

Die Ruhe vor dem Tod! Nagende Spannung in einem niederländischen Krimi! Genial!

von Floh vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Auch die Niederländer-Autoren beherrschen die Krimi-Kultur! Hochtrabend und sehr intensiv mit dennoch leisen Noten! WOW!

Rezension

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Flohvor 9 Jahren
Die Niederlande sind meine zweite Heimat, so bin ich auf die niederländische Autorin Lieneke Dijkzeul mit ihrer dritten Krimi-Veröffentlichung "In der Stille der Tod" aufmerksam geworden. Diese Autorin hat mich mit ihrem verheißungsvollen Klapptext und Titel "In der Stille der Tod" unheimlich neugierig gemacht und mich mit dem sagenhaften Cover und der prangenden Aussage des Titels gleich zu diesem Buch geführt. Ich lerne gerne Autoren und Autorinnen anderer Länder kennen, bin Freund von skandinavischen Krimis, und war nun umso gespannter auf einen Krimi aus den freundlichen Niederlanden. Dementsprechend groß war meine Lese-Vorfreude, aber dementsprechend hoch waren auch meine selbst gesteckten Erwartungen an die Story und dessen Spannung...
Erschienen im dtv Verlag (http://www.dtv.de/)

Inhalt:
"Und dann kam die Stille
Asli Verkallen meldet ihren Mann Richard bei der Polizei als vermisst. Die junge Frau ist vollkommen aufgelöst. Hatte ihr Mann einen Unfall? Wurde er Opfer eines Verbrechens? Oder hat er wirklich eine Geliebte, mit der er durchgebrannt ist, wie die Polizei vermutet? Mit einem Mal geraten alle Gewissheiten in Aslis Leben ins Wanken. Doch ihre größte Sorge gilt ihrem Sohn: Keja ist dreizehn Jahre alt, Autist und kam ohne Gehör zur Welt. Wer würde ausgerechnet ihm den Vater nehmen? Ein vorsätzliches Verbrechen scheint undenkbar. Eine erste Spur führt Kommissar Paul Vegter und seine Kollegen zu Gemma van Son, mit der Richard tatsächlich viele Jahre ein Verhältnis hatte. Diese leugnet jedoch alles. Sie scheint etwas zu verbergen..."

Schreibstil:
Der Schreibstil der niederländischen Krimi-Autorin Lieneke Dejzeul gefällt mir sprachlich absolut gut, sie begibt sich in einem Kriminalfall, der Gesellschaftskritik übt, mit leisen Noten betört, für Wendung und Verblüffung sorgt und so ein permanentes Spannungslevel aufrecht erhält, ohne große Spannungsspitzen nötig zu haben. Beklemmend und fesselnd wird es dann, wenn die Autorin in die Gedankenwelt der Protagonisten taucht, in ihre Seele blickt, die Gefühle nach außen kehrt, und sie von den Ereignissen, Missverständnissen und Geflogenheiten berichtet und unheimlich interessante Passagen und Fakten bringt. Dann habe ich das Gefühl: hier liest sich ein wirklich genial konstruierter, durchdachter und intelligenter Krimi. Hier ist sich Lieneke Dijkzeul sich ihrer Schreiberei und ihrem Geschick absolut sicher. Auch im Bereich der politischen und ausländerfeundlichen Themen finde ich diesen Krimi wirklich geschickt formuliert und diese Komponente gekonnt in den Fall vernetzt. In den polizeilichen Ermittlungen, Befragungen, Spurensicherungen und Behördenwegen lernen wir die beiden Ermittler Renee Petterson und ihren Kollegen Peter Vegter kennen. Neben privaten Einblicken und Background aus der Polizeiarbeit bietet dieser Schreibstil neben Spannung und Beklemmungen auch den Anreiz zum Umdenken und Sinnieren. Diesen ausgefeilten, jedoch ruhig erscheinenden, Schreibstil finde ich ganz besonders einzigartig und neu.
In diesem hochtrabenden Krimi ist der Leser zum Mitdenken und Mithandeln animiert. Das ist spannend und macht Lust auf mehr. Diese Spannung und Euphorie zieht sich durch das ganze Buch und man gelangt an einem Punkt, wo man selbst als Leser tief in die Gefühlswelt der Charaktere eintaucht, bis gegen Ende der Ermittlungen sich die Puzzleteile fügen und ein erschütterndes Bild entsteht. Loben möchte ich auch, dass Krimi-Autorin L. Dejkzeul mit ihrer Art des Schreibens und mit ihrem feinen Händchen Bilder im Kopf des Lesers erzeugt und lebendig werden lässt. Das Geschilderte ist so nah und sehr real.

Charaktere:
Die sympathische Niederländerin Lieneke Dejkzeul hat in ihrem aktuellen Kriminalfall Potagonisten erschaffen, die sehr authentisch und sehr real wirken. Allen voran natürlich die aus Somalia stammende Asli, die hier eine ganz gewissenhafte Rolle einnehmen wird und beim Leser für Schubladendenken sorgt. Doch ist immer gleich alles so, wie es zu sein scheint? Dann erleben wir im Team der Ermittlungen auch den scheinbar unheldenhaften Kommissar Paul Vegter, der sich seiner Vorurteile in viellerlei Hinsicht nicht entledigen kann. Mit seinem schier zu engen Horizont verschließt er sich leider bei seinen Ermittlungen vor Möglichkeiten, die sein stupides Denken nicht zulassen. Erst als seine noch arbeitsunfähige Kollegin Renée Pettersen, ihre Arbeit an Vegters Seite wieder aufnimmt, eröffnet sich ein neuer Blickwinkel. Renee Petterson spielt auch in den vergangenen Fällen eine wichtige Rolle, aber auch hier knüpft die Autorin galant an, und wir erfahren, welch schweres Erlebnis mit einem Serienmörder sie so lange außer Dienst hat werden lassen. Hier bietet die Autorin durch die Augen von Asli und ihrem Umfeld großes Kopfkino, was mir sehr gut gefällt, eine Thematik die Gesellschaftskritik übt, mit authentischen Protagonisten in einem Mordfall, der es in sich hat. Dann erleben wir die ganzen Verkettungen, die zu diesen unglaublichen Psychogrammen der Charaktere führt, geschickt gemeistert! Auch das Opfer bringt nach und nach viele Geheimnisse ans Licht und Mutmaßungen, die unter die Haut gehen. Wir erfahren aus den Einzelschicksalen von Damals und das Hier und Jetzt. Auch die vielen interessanten Nebenrollen sind mit viel Herz und Sinn erschaffen und bieten eine vollkommen runde Kullisse für einen mörderischen Fall und nagenden Ermittlungen.

Schauplätze:
Auch hier konnte mich Lieneke Dejkzeul überzeugen und glänzt mit gutem Geschick, ein besonderer Pluspunkt. Denn die Autorin bringt Kulissen, Schauplätze und Sinnbilder in den Krimi ein, zudem spielt sie mit den Einblicken in geschundene Seelen und kranken Psychen. Sie bietet politische Hintergründe, menschenfeindliche Machenschaften, Ausländerfeindlichkeit und Einblicke in das ungescholtene Privatleben der Ermittler Petterson und VVegters. Äußerst interessant und für mich eine tolle Besonderheit sind für mich die Zustände im fernen Somalia, von denen wir als Nebenhandlung neue Einblicke bekommen.

Meinung:
5 Sterne gibt es hier für diesen kurzweiligen und leider zu schnell gelesenen Krimi aus den Niederlanden.
Nun möchte ich natürlich auch die vielen Stärken nennen, die dieses Buch besitzt und mir große Freude bereitet hat und das Lesen für mich zum Krimihighlight gemacht hat. Lieneke Dejkzeul hat mich mit ihrem psychologischen und politischen Blickwinkeln und ihren sehr angenehmen Schreibstil überzeugt und mich mehr als begeistert, sie hat einfach den Sinn für Feingliedrigkeit, den ich auch in diesem Krimi mit diesem verheißungsvollen Titel für mich erhofft habe. Das zeigt sich auch an den Schauplätzen, Emotionen und Geflogenheiten. Zudem hat sie sehr intensive und eindringliche Charaktere erschaffen. Eine Mischung aus Sympathie, Unverständnis, Überraschungen und Verständnis. Sehr wunderbar abgestimmt. Zudem ist der Beginn des Buches ganz besonders.
Anzumerken ist, dass der Leser den Ermittlern immer einen wichtigen Schritt voraus ist, das Rätsel, was Richard Verkallen zugestoßen ist, wird dem Leser schon bald offenbart. Das bringt der Spannung aber nichts ab, im Gegenteil, der Leser fühlt sich gezwungen einzugreifen und die Beamten auf den richtigen Weg zu bringen. Aufgrund dieses Aufbaus ist "In der Stille der Tod" kein Krimi mit Hochspannung und Peaks, sondern ein stetig wachsener Aufbau aus Familie, Ermittlung und dem Geheimnis der Verkallens. Ein eher ruhiger "stiller" Kriminalroman, der jedoch durchaus fesseld und begeistert, wenn sich der Leser zusammen mit den Ermittlern schrittweise in das komplizierte Beziehungsgeflecht der Familienmitglieder einarbeitet und Zusammenhänge herstellt.
Die Charakterisierung der Protagonisten ist einfach grandios, besonders intensiv wird das Bild des behinderten Sohnes Keja beschrieben. Mutter Asli hat es mit dem autistischen Jungen nicht leicht, dies spiegelt sich immer wieder im Geschehen wieder und sorgt neben dem Verschwinden von Richard für Zündstoff. Neben der politischen Lage, dem Zeitdruck der Ermittlungen und die Sorge um das Opfer spielt das Schicksal des dreizehnjährigen Keja, der unter Autismus leidet, eine beklemmende weitere wichtige Rolle. Ein sehr intelligentes Netzwerk aus aktuellen und wichtigen Themen des alltäglichen Lebens. Wirklich gut verwoben und umgesetzt.

Cover / Buch:
Das Cover, so besonders wie speziell. Das Cover zog direkt meine Blicke an. Der Titel macht neugierig und der Klapptext verspricht Nervenkitzel und Spannung pur!

Die Autorin:
Lieneke Dijkzeul gilt als eine der wichtigsten Kriminalautorinnen der Niederlande. Für 'Vor dem Regen kommt der Tod' wurde sie für den "Gouden strop", die bedeutendste niederländische Krimi-Auszeichnung nominiert."

Fazit:
Dieser Krimi ist definitiv sehr gesellschaftskritisch, tiefenpsychologisch, aber auch sehr seicht und von setiger Fesselung ohne hohe Spannungsspitzen. Mich hat die Autorin mehr als überzeugt, und auch ihre anderen Werke MUSS ich unbedingt kennenlernen.
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