‚Vor allem aber müssen sich Professionelle daran gewöhnen, viel häufiger Fragen zu stellen, statt, wie gewohnt, Antworten zu geben.‘ (Seite 15)
Das ‚Praxishandbuch Akutpsychiatrie‘ thematisiert u.a. Unterstützung und Druck, therapeutische Haltung, anthropologisches versus biologisches Krankheitsmodell, Recovery und Empowerment, Zwangsmaßnahmen und Selbstbestimmung, ambulante und stationsäquivalente Behandlung, Früherkennung, Sicherheit und Kommunikation, Genesungsbegleitung und Peersupport, Offenen Dialog und Nachbesprechung von Zwangsmaßnahmen.
Die Herausgeber des Buches führen in die jeweiligen Kapitel (Die Perspektive der Psychiatrieerfahrenen, Die therapeutische Haltung, Die Versorgungsorganisation, Die Stationsstrukturen, Die Behandlungsangebote, Neue Konzepte) ein und ziehen am Ende ein Fazit. Dazwischen kommen Autoren und Autorinnen zu Wort, die Akutpsychiatrie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten, z.B. als Experten aus Erfahrung sowie aus ärztlicher, psychologischer, sozialarbeiterischer, ergotherapeutischer Sicht.
Mir hat das Buch wertvolle und besondere Einblicke in die Akutpsychiatrie geboten. Vor allem die persönlichen Geschichten von Psychiatrieerfahrenen, die davon erzählen, was ihnen geholfen hat und was wichtig war, fand ich eine wichtige Perspektive. Denn wer könnte uns besser sagen, was hilfreich und was nicht hilfreich ist bei einer akutpsychiatrischen Behandlung, als diejenigen, die Hilfe in Anspruch genommen haben und hoffentlich die passende Hilfe erhalten haben?
Hier kann man zudem sehr viel über therapeutische Haltung und eine respektvolle Psychiatrie lernen, auch wenn man gar nicht im akutpsychiatrischen Setting arbeitet.
Lieselotte Mahler
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Lieselotte Mahler
Das Weddinger Modell
Nachbesprechung von Zwangsmaßnahmen: Ein Praxisleitfaden (Psychosoziale Arbeitshilfen)
Praxishandbuch Akutpsychiatrie (Fachwissen)
Neue Rezensionen zu Lieselotte Mahler
Rezension zu "Nachbesprechung von Zwangsmaßnahmen: Ein Praxisleitfaden (Psychosoziale Arbeitshilfen)" von Lieselotte Mahler
sabatayn76‚In der näheren Auseinandersetzung mit dem Thema merke ich, wie absolut unverarbeitet diese Erfahrung von Demütigung, unendlicher Scham und Ohnmacht in mir aufsteht, wie alles zurückrollt - als wäre es gestern gewesen. Dabei ist es Jahre her. Bis heute erlebe ich die Zwangsmaßnahmen als ungerecht, als willkürlich, als Machtdemonstration, als Grenzüberschreitung. Hätte mir eine Nachbesprechung geholfen?‘ (Seite 9f)
Das Buch ist aus der Praxis des Weddinger Modells in einem multiprofessionellen Team entstanden und bietet initial eine Begriffsklärung sowie Wissenswertes über Formen von Zwang in der Psychiatrie (Unterbringung, Isolierung, Fixierung, Zwangsmedikation), im Verlauf Informationen zu rechtlichen Rahmenbedingungen, zu Ursachen und Folgen von Zwangsmaßnahmen und zum Weddinger Modell. Nachfolgend wird der Leitfaden zur standardisierten Nachbesprechung erfolgter Zwangsmaßnahmen vorgestellt und Möglichkeiten der Implementierung in den Behandlungsalltag diskutiert. Schließlich werden auch die Ergebnisse der Evaluation der leitfadengestützten Nachbesprechung präsentiert.
Ich bin erklärter Thomas Bock-Fan, und sein Vorwort ist (wie immer) respektvoll und gelungen, macht neugierig auf das Buch und macht die Bedeutung des Themas deutlich.
Auch das Vorwort von Gwen Schulz, die als Betroffene extrem wertvolle Einblicke bietet, ist ein echter Zugewinn für ein solches Buch, und es zeigt ganz klar, dass wir viel mehr den Betroffenen zuhören, ihren Blick auf unser Handeln in der Psychiatrie mehr zu eigen machen, uns mehr einfühlen sollten.
Ich arbeite aktuell nicht auf einer akutpsychiatrischen Station, fand den Leitfaden aber nichtsdestotrotz hilfreich und wichtig, so dass ich das Buch gerne empfehle und für eine zukünftige Tätigkeit im akutpsychiatrischen Setting gerne im Hinterkopf behalte, denn dass die Nachbesprechung von Zwangsmaßnahmen essentiell ist, wird spätestens bei der Lektüre des schmalen Buches deutlich. Die Autoren machen es dem Leser zudem sehr einfach, den Leitfaden selbst einzusetzen, denn die Ausführungen sind stets nachvollziehbar und durch die Beispiele aus der Praxis sehr eingängig und praxisnah.
‚Menschen, die darauf bestehen, ihre Eigenheit zu behalten, die ihren Lebensentwurf verteidigen, die zwar Unterstützung in bestimmten Bereichen wünschen, aber klare eigene Vorstellungen davon haben, was sie wollen und was nicht, haben es in der Psychiatrie immer noch schwer. Das Weddinger Modell verstehe ich als ein Konzept, das vorsieht, den Patienten zu fragen, nicht vorher schon alles zu wissen, nicht alles für ihn zu erledigen, ein Konzept, das an der Lebensrealität des Gegenübers ansetzt, das sein Umfeld miteinbezieht und schon deshalb nicht allmächtig ist. Es akzeptiert die Grenzen der psychiatrischen Interventionsmöglichkeiten und es achtet die Grenzen des Patienten.‘ (Seite 15f)
Lieselotte Mahler, Ina Jarchov-Jádi, Christiane Montag und Jürgen Gallinat erläutern in ihrem Buch die wichtigsten Elemente des Weddinger Modells, den theoretischen Hintergrund, welche Veränderungen damit einhergehen, wie mit Zwangsbehandlungen umgegangen wird, welche Synergien zwischen Integrierter Versorgung bzw. Soteria und dem Weddinger Modell bestehen, welche Haltung empfohlen wird und wie das Weddinger Modell implementiert und evaluiert werden kann.
Ich habe keine praktischen Erfahrungen mit dem Weddinger Modell, und ich arbeite nicht in einer Klinik, in der das Modell implementiert werden soll (soweit ich weiß). Ich kenne psychiatrische Arbeit durch meine Krankenpflegeausbildung vor 25 Jahren und meine aktuelle Tätigkeit als klinische Psychologin jedoch sehr gut und weiß, wie wichtig und unbedingt notwendig der Einbezug der Betroffenen in Entscheidungen, in die Behandlung etc. ist. Dementsprechend neugierig war ich auf ‚Das Weddinger Modell‘, über das ich vor der Lektüre nur eher wenig wusste.
Mir gefällt der resilienz- und ressourcenorientierte Ansatz des Weddinger Modells, der den in der Psychiatrie häufig dominierenden defizit- und pathologiefokussierten Ansichten gegenübersteht, und ich empfand das Buch mit den weitreichenden Informationen und dem hohen Praxisbezug als sehr gute Möglichkeit, das Weddinger Modell besser kennenzulernen. Für all jene, die das Modell selbst in der Klinik einführen möchten, bietet das Buch zudem detailliertes Wissen darüber, wie dies bewerkstelligt werden könnte.
Das Weddinger Modell zeigt - neben anderen Konzepten wie Safewards und insbesondere Soteria -, dass die Behandlung (schwerer) psychischer Erkrankungen auch anders funktioniert, als uns die Mainstreambehandlung suggeriert. Auch aus diesem Grunde halte ich ‚Das Weddinger Modell‘ für ein wichtiges Buch, dem ich viele Leser wünsche.
‚Das Weddinger Modell ist [...] der Versuch, in der psychiatrischen Praxis den Weg konsequent weg von einer symptomfokussierten und defizitorientierten Haltung hin zu einer konsequent personenzentrierten und ressourcenorientierten Perspektive zu beschreiten.‘ (Seite 25)
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