Cover des Buches Die Autobiographie der Zeit (ISBN: 9783426305409)
A
Rezension zu Die Autobiographie der Zeit von Lilly Lindner

Die Autobiografie der Zeit, ist die Autobiografie der Zeit.

von allenisadragon vor 7 Jahren

Rezension

A
allenisadragonvor 7 Jahren
"Ich fragte einen rauchenden Jungen mit blauen Haaren, wie die Welt funktioniert.
Er schenkte mir eine Zigarette und sagte: '[...] ist schon ok. es ist nur ein
Film' " [79]

Jedes Mal wenn ich Texte von Lilly Lindner lese fühle ich mich wie ein kleines,
verletzliches Mädchen. Ich stelle mir vor auf dem Fußboden vor einem großen,
weißen Bett zu sitzen, inmitten von Stofftieren, Büchern und beschrieben Zetteln.
Schräg hinter mir weht eine laue Briese den blass-weißen Vorhang durch die
Balkontür. Blassweiß, so wie mein Kleid, meine Haut. Alles in diesem endlosen,
hellen Raum. Ich könnte jeden Moment weinen, will das Buch jedem unter die Nase
halten und ihn anschreien: "hier! ließ! es sit so schön, dieses Gefühl muss ich
mit dir teilen!"

So fühle ich mich auch jetzt, beim Lesen von "Die Autobiografie der Zeit",
im Frühjahr 2016 im DROEMER- Verlag erschienen. Ein kleines Buch, Klein und
hellblau liegt es gut in der Hand und fült sich ein bisschen an, als würde
man ein Tagebuch lesen, gefüllt mit Kreativen Zeit-Wortspielen und wunderschönen,
bunten Zeichnungen.

Die Autobiografie der Zeit, ist die Autobiografie der Zeit.
Die Zeit, ein 15 jähriges Mädchen mit kastanienbraunen Augen und rabenschwarzen
Haaren ist tod. Gestorben, zumindest auf ihrem Heimatplaneten Winter, um als
eine der vier Mächte über die Erde zu wachen, versucht sie die Menschen zu
verstehenund wird dabei begleitet von:
Kevin, dem Raum, der sich viel Mühe gibt, alles zu gestalten und frustriert
zusieht, wie die Menschen, es wieder zerstören und ihm die Schuld dafür geben,
wenn Räume "falsch" genutzt werden.
David der hoffnungsvollen und sanftmüten Beständigkeit.
Und Shay, welche mit der deprimierenden Macht des Abgrundes einem Menschen
nach dem anderen den Tod bringt.
"Kevin, David und ich bastelten Papierschiffchen. Wir ließen sie aufs Meer
hinaus treiben. Sie gingen nicht unter. Es waren Schiffe aus Raum, Zeit und
Beständigkeit." [107]

" 'Du bist wunderschön', sagte Shay zu einem traurigen Mädchen und schubste
es von einer Autobahnbrücke." [124]
Ihrem Schreibstil treu bleibend ist auch diese Buch in kurzen Kapiteln verfasst,
die meist kaum ein paar Zeilen umfassen. Ein Buch, gefüllt mit kindlich, kurzen
Hauptsätzen, unglaublich viel Unverständniss und einer größen Menge an Stille.
Was sich jedoch keines Falls negativ auswirkt, ganz im Gegenteil, gerade diese
Stille, der trockenen Sätze, die sowohl grausam, als auch unglaublich schön sind,
macht Lilly Lindners Geschichten zu meinen absoluten Lieblingswortansammlungen.

"Wir saßen in einem halb versunken Flüchtlingsschiff vor der Küste und Zählten
die Leichen am Strand." [60]
Auch das Meer, als eine aus vorigen Büchern bekannte Symbolik kehrt in
der Autobiografie der Zeit zurück. Beruhigend, aber ebenso grausam, passen sich
die mal blutgetränkten und dann wieder blau glitzernden Wogen den Worten an.
"Der Ozean im Meer - die Tiefe der Wellen. Die Zeit in der Zeit. Hinter der
Zeit." [211]
"Irgendwann kommt die nächste Flut, und dann schwimmen die Dinosaurier zurück an
Land und fressen uns alle auf. Das ist Freiheit. Man muss sich ihr unterwerfen,
bevor man sie beherrscht." [61]

Kurz, mit der Autobiografie der Zeit hat Lilly Lindner ein Werk geschaffen, das
einen zur Ruhe bringt, traurig macht und auf eine sehr, sehr schöne Art
Gesellschaftskritisch ist.
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