Cover des Buches Was fehlt, wenn ich verschwunden bin (ISBN: 9783733500931)
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Rezension zu Was fehlt, wenn ich verschwunden bin von Lilly Lindner

Wortaufstand der Satzbekenntnisse

von MelE vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Unverblümt. Wortgewaltig. Schockierend. Ein Tabuthema wird Wirklichkeit. Es zeigt, jeder Mensch braucht Worte, Liebe und Wärme.

Rezension

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MelEvor 9 Jahren

"Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" ist eines der Bücher, die ganz tief innen berühren, da sie eine fast schon zu deutliche Sprache sprechen. Nach Beenden des Buches, war ich eine ganze Weile lang fassungslos und den Tränen nah. Ich bin überzeugt, dass "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" die Leserschaft spalten wird und zwar in diejenigen, die sich ganz tief hineinfühlen können und in diejenigen, denen der Roman zu aufgesetzt erscheint. "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" lebt durch seine Worte und seinen Tiefgang, zumindest habe ich es so empfinden dürfen. Es gab so viele Sätze im Buch, die mich zum Nachdenken gebracht haben oder mir schmerzhaft bewusst gemacht haben, wie kostbar das Leben ist und man keinen Tag davon verschenken sollte. Ich bin der Autorin sehr dankbar für ihre deutliche Sprache, auch wenn sie nicht immer zu einem 9 Jährigen Mädchen wie Phoebe es ist passend erschienen. Soviel Weisheit und starke Wortauswahl scheint irgendwie nicht altersgemäß, obwohl, wenn ich mir Phoebe und April näher betrachte, ist es auf der anderen Seite doch wieder maßgeschneidert.



"Rücksicht nehmen ist eine schöne Wortzusammensetzung. Weil es klingt, als würde man sich umdrehen, jemanden sichten und dann zurückgehen, um für ihn da zu sein" Zitat S. 38



" Wenn ich ein Wort wäre, dann wäre ich ein Bindungswort. Und dann würde ich so viele Worte an mich binden, das ich am Ende ein ganzer Satz wäre. Und dieser Satz würde alles über meine Bindungsfähigkeit aussagen. " Zitat S. 167



Die Aussagen des Buches sind recht einfach, denn wir lesen hier von einer heimtückischen Krankheit, die April komplett in ihre Fänge gezogen hat. Magersucht! April ist dabei sich komplett selbst zu verlieren und die Hintergründe werden erst so nach und nach klar. Mich hat es ehrlich gesagt fassungslos und wütend gemacht. Ich möchte es nicht weiter ausführen, da ich zu sehr spoilern würde. Für mich ist "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" ein Buch, welches unbedingt gelesen werden sollte. Die Reaktionen von Aprils Eltern werden mir zwar niemals schlüssig sein, dennoch stellt sich ganz klar heraus, was Kinder in eine Essstörung ziehen könnte. Fehlendes Selbstbewusstsein, mangelnde Liebe und Aufmerksamkeit? In jedem von uns steckt der Wunsch so angenommen zu werden, wie wir sind und nicht in unserem Wissensdurst gemaßregelt zu werden.


"Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" ist in zwei Teilen aufgebaut. Der erste Teil erzählt Phoebes Sicht der Dinge und der zweite Teil ist ein klein wenig als Antwort auf Phoebes drängenden Fragen an ihre ältere Schwester, ihre Wortverwandte zu lesen. Mich hat das Buch gestern dermaßen aufgewühlt, das ich eine kurze Pause einlegen musste, da ich es als sehr schmerzhaft empfunden habe. Mir fehlte auch oft das Verständnis für Aprils Eltern und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich sie richtig geschüttelt, um sie zur Vernunft zu bringen. Das Schreien ist in dieser Familie an der Tagesordnung, daher wäre es vielleicht auch nicht schlimm gewesen, wenn ich sie angeschrien hätte, obwohl ich vermute, dass ich auf taube Ohren gestoßen wäre. Ich finde für mich persönlich keine Erklärung für das Denken und Handeln der Eltern. Aprils Schreie bleiben ungehört und daher zieht sie sich zurück. Irgendwann ist der Schritt ins Leben zurück viel zu groß und April zieht sich in ihr Schweigen zurück.


"Ich verstehe dich, April, denn manchmal will ich auch kein Wort mehr sagen. Denn wenn sowieso niemand zuhört, ist es leichter, still zu sein. Und vor allem ist es weniger anstrengend." Zitat S. 256


In diesem Roman begegnen uns viele wunderbare Dinge, die durch Worte geschehen, aber auch viel Schreckliches, Grausames, die eben auch durch Worte geschehen können. Es zeigt, das auch Worte manchmal der Grund allen Übels sein können. Durch Worte kann Wärme entstehen, aber auch tiefste Einsamkeit. Wählen wir unsere Worte einfach mit mehr Bedacht!



Von mir gibt es eine Leseempfehlung für "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin", da es in meinen Augen ein ganz besonders Buch war. Todtraurig, aber dennoch auf seine eigene Art und Weise wunderschön, obwohl in mir das schmerzhafte doch überwogen hat. Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher, ob ich jemals ein Buch gelesen habe, in dem ich gleichermaßen wütend und glücklich war und das alles auf einmal.

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