Cover des Buches Was fehlt, wenn ich verschwunden bin (ISBN: 9783733500931)
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Rezension zu Was fehlt, wenn ich verschwunden bin von Lilly Lindner

Eine Geschichte über das Davonkommen und das Ankommen

von Anishe vor 9 Jahren

Kurzmeinung: 9. Keine Glückszahl, mit 9 Jahren sind Phoebe, April und auch Lilly gestorben. Das Buch eine Herzensangelegenheit. Die Seiten, die Realität.

Rezension

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Anishevor 9 Jahren

Es war einmal ein kleiner Rabe, der konnte nicht fliegen. Die anderen Raben waren immer furchtbar gemein zu dem kleinen Raben und keiner wollte mit ihm spielen. Nicht einmal der soziale Rabe. Und auch nicht der Politiker-Rabe.

Und die Rabeneltern sowieso nicht. Also hüpfte der Rabe den ganzen Tag alleine durch die Gegend und war sehr einsam.
Bis eines Tages ein
fliegendes Kaninchen vorbeikam.

„Hey“, sagte der Rabe zu dem Kaninchen. „Warum kannst du den fliegen?“
„Hey“, sagte das Kaninchen im gleichen Moment zum Raben. „Warum kannst du den hüpfen?“ Da sagte der Rabe: „Keine Ahnung.“


„Vielleicht sind wir beide einfach besonders“, überlegte der Rabe. „Vielleicht sind wir beide furchtbar krank“, entgegnete das Kaninchen.
„Ach“, erwiderte der Rabe, „das glaube ich nicht.“


„Ich auch nicht“, meinte das Kaninchen, „ich habe wohl Wahnvorstellungen.“
„Was heißt das?“, fragte der Rabe, weil Raben einen viel kleineren Wortschatz als Kaninchen haben. „Dass man zu viel Angst hat“, erklärte das Kaninchen.


„Also bist du ein Angsthase?“, fragte der Rabe. „Nein“, sagte das Kaninchen. „Ich bin ein Kaninchen. Hasen sind größer und haben struppiges Fell. Mein Fell ist ganz weich.“
„Ich bin ein Rabe“, sagte der Rabe. „Ja, ich weiß“, sagte das Kaninchen.


Und dann setzten sich der Rabe und das Kaninchen schweigend an einen Bach und sahen zu, wie der Bach an ihnen vorbei bis in die Tiefen des Waldes hineinfloss.

"Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" ist eine Geschichte in der Geschichte. Es geht um Phoebe und April, zwei wie zu Beginn erzählend, ungleiche Schwestern. April, die ältere von den Beiden geht es sehr schlecht. Sie ist magersüchtig, leider schon viel zu lange. Ihre kleine Schwester, Phoebe, schreibt ihr Briefe, obwohl Phoebe nie eine Antwort erhält. Und doch haben beide durch die ganze Zeit kommuniziert - mit ihren Herzen. Und Erinnerungen an die gemeinsam geteilte Zeit, als sie noch zu zweit waren.

Die Geschichte oben mit dem Kaninchen und dem Raben hat mich am Meisten fasziniert. Ich sehe darin viel mehr als nur eine kleine Geschichte. Ich sehe darin April als den Raben und Phoebe als das Kaninchen. Sie verstehen sich, obwohl sie doch so verschieden sind. Aber genau in ihrer Ungleichheit, dass beide nicht perfekt sind, das beide nicht durchschnittlich sind - in dem der Rabe nicht fliegen kann, sondern hüpfen und das Kaninchen nicht hüpfen kann, sondern fliegen - da finden sie sich, umarmen sich. Das Schweigen und die Stille sind Ihre Musikinstrumente, der schmale und unsichtbare Faden, der sie zusammenhält und verbindet. Für immer. Schwesternfürimmer.

Für meinen Teil verstehe ich die schlechte Kritik nicht, da ich finde, wenn man das Buch genau gelesen hat und man es nicht oberflächlich betrachtet sondern sich auf die Zeilen dazwischen einlässt, erfährt man mehr als etwas, was man beschreiben kann. Was man nicht so einfach in Worte fassen kann. Was unergründlich und unbegrenzt ist. Liebe. Verständnis. Emotion. Gefühle.

Wenn also ein Buch Gefühle, in so einer unbändigen Menge auslösen kann, dann ist es ein wertvolles Buch.

Danke Lilly Lindner für die tollen, wenngleich traurigen Worte. Ich werde sie halten und auf sie achten.

Merci fürs Vorbeischauen & hoffentlich bis bald,

Anishe

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