Cover des Buches Was fehlt, wenn ich verschwunden bin (ISBN: 9783733500931)
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Rezension zu Was fehlt, wenn ich verschwunden bin von Lilly Lindner

Berührend, und zwar auf andere Weise...

von maristicated vor 9 Jahren

Kurzmeinung: dieses buch hat mir so viel gegeben, wie ich noch nie von einem buch erwartet habe. danke für dieses leben, das l.l. uns damit geschenkt hat

Rezension

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maristicatedvor 9 Jahren

Was erwarte ich von einem Buch, damit ich es als 'Highlight' tituliere? Was genau muss dieses Buch dann aufbringen? Es gibt ja so allgemein ein paar Punkte, um nur ein Bruchteil davon zu nennen; Schreibstil; Charaktere; Handlungsablauf...

Manchmal nennt man ein Buch auch überraschend sein Lieblingsbuch. Muss da dann alles zusammen fallen? Spannung, unerwartete Wendungen, lebensfrohe Charaktere und den-Tag-versüssende Sprache.
Ich sag euch jetzt mal was. Mein neues Lieblingsbuch ist dieses hier. Ich kann gar nicht genug darüber nachdenken, darüber schreiben, im Nachhinein perlend lachen oder Tränen verdrücken. Dabei ist in diesem Buch nichts so, wie man erwartet. Oder hofft. Oder sich wünscht.
Es ist viel mehr, in dieser Andersartigkeit. Ich habe noch nie so wunderbare Menschen wie in diesem Buch getroffen. Nicht einfach lieb aus ganzem Herzen. Nicht nur ein bisschen Dahin-Lächeln. Charaktere brauchen einen Boden. Und bei diesen beiden Protagonistinnen stürzt dieser Boden ab. Und sie halten sich trotzdem. Aneinander fest. Und fallen dabei. Alleine, gemeinsam. In Worten.
Ich liebe Bücher, die Seite um Seite Briefe und Briefe aufzeigen. Briefe sind so etwas persönliches. Es beginnt mit Small Talk und dann redet man sich so in einen Fluss, man wird von keinem gegenüber gestoppt. Muss nichts zurücknehmen. Denn einen Brief kann man behalten. Oder abschicken. Beantworten. Oder einfach x-mal lesen. Briefe sind so wichtig für die Literatur, wie auch viele andere Werke beweisen. Und in diesem Buch, mit dieser speziellen Sprache, mit diesem Hintergrund und mit einer solchen Autorin. In diesem Buch beweisen Briefe, wie wichtig sie sind. Wie viel Liebe sie schenken. Vor Allem, wenn sie von Pheobe oder April kommen.
Ich kann meine Liebe zu diesem Buch gar nicht in richtige Worte fassen. Also habe ich versucht, es mit den Worten aus dem Buch auszudrücken. Auf unseren Social Media Kanälen habe ich auch schon ein wunderbares Zitat geteilt, das zeigt, wie simpel der Schreibstil von Lilly Lindner klar und präzise eine einzigartige Wortwahl und Originalität vereint. Weisst du, wie viele Tage es auf der Welt gibt?
Leider habe ich mit der Zeit gemerkt, dass das auch nicht der perfekte Weg ist. Jede Seite hatte drei Post-Its, mindestens, zu Anfang. Ein paar beste rauszupicken erscheint mir als die schwerste Aufgabe, die ich in meinen fünfzehn Lebensjahren überwinden musste. Passt ja. Das beste Buch in meinen fünfzehn Lebensjahren. Einen kleinen Beweis zeige ich euch jetzt, ein paar Zitate.
Ich habe sechs Zitate markiert. Aber ganz viele andere Stellen abgeschrieben, vorgelesen, mit einem Lächeln, das ewig über diese Worten währt und danach beschlossen, dass ich eigentlich niemandem diese Zitate verraten will. Das ganze Buch ist einfach so wertvoll für mich, die Komposition der Worte. Ich wollte jede Seite meine neuen, schön-matt-schnee-weissen Post-It's einkleben, damit die Stellen von mir nicht in Vergessenheit geraten. Aber dann habe ich beschlossen, das sein zu lassen, weil ich mich sowieso immer daran erinnern werde. Ausserdem kann ich das Buch wieder und wieder und wieder lesen. Zum Glück. Was würde ich sonst machen?
"Wenn es nur fünf Minuten dauert, um einem Kind zu helfen, damit es nicht für immer in England verlorengeht, dann sollte doch jeder Mensch fünf Minuten von seiner Zeit übrig haben, um ein bisschen Achtsamkeit zu verschenken.
Dazu haben wir doch Augen, oder? Um hinzugucken, wenn da etwas ist, das gesehen werden muss." ~ Seite 30
--> An diesem Zitat gefällt mir, wie gut Phoebe versteht, was ich auch immer meine. Ich habe ein Video gesehen, ein Experiment. EIn Mann, als Clochard 'verkleidet', fällt hustend auf einer belebten Strasse in Paris um. Niemand kümmert sich um ihn. Er ruft verzweifelt und vergeblich minutenlang 'Aidez-moi!' Niemand kümmert sich um ihn. Alle Menschen rennen ihrem Stress hinterher. Zwei Stunden später, der gleiche Mann, Anzug und Aktentasche. Husten und ein Fall. Leute, die einen Kreis um ihn bilden, sofort alle möglichen Hilfesdienste rufen. Wir müssen uns wirklich mehr Achtsamkeit schenken. Egal, welcher Religion, welche Art Mensch wir sind. Wir haben doch alle irgendwas gemeinsam. Und man soll hinschauen. Denn es passiert so viel Schreckliches momentan in der Welt. Wer will da schon hinschauen? Aber wir müssen. Es ist unsere Welt. Die wollen wir doch verbessern. Man sagt immer, man soll bei sich selbst beginnen. Aber das glaube ich nicht ganz. Man beginnt natürlich, wenn man das Beste aus sich rausholt. Aber auch das Beste in andern sieht, hilft und hinschaut. Und da hat man schon was gemeinsam, oder?
"Ich vermisse dich jeden Tag, April.
Jeden einzelnen Tag und alle zusammen!
Weisst du, wie viele Tage es auf der Welt gibt?"
~ Seite 85
--> Bei Babys ist das Gehirn noch nicht ganz zusammengewachsen. Sie sind Wunder, wir waren das alle mal. Denn dadurch veränderten sich unsere Sinne. Irgendwie fühlen sie Farben und riechen sie Töne. Nicht genau so, aber irgendwie so. Und mir gefällt auch, das Lilly Lindner Zeit und Platz nicht vergleicht, sondern sich gleichstellt.
"Dann kannst du mir mit ins Wortgeschäft einsteigen und dabei helfen, die Welt mit glücklichen Worten zu überschütten. Wir verraten auch nicht alle Worte, einige behalten wir für uns." ~ Seite 103
--> Wie gutherzig und offen Phoebe ist. Anfangs äusserte sie sich, dass sie nicht unbedingt ständig über Worte nachdenken will. Das muss sie auch nicht, sie findet immer die richtigen. Denn sie hat wundervolle Gedanken. Wie hier. Geschenke zu verteilen in Form von Worten, sie weiss, wie wunderbar teilen ist. Aber sie weiss auch, spätestens durch April, wie wichtig es auch ist, sich selbst zu schauen. Sich die schönen Worte aufzusparen. Nicht alle, und auch nicht unbedingt sparen. Sondern einfach für sich selbst zu schauen. Und Worte sind bestimmt Phoebes Weg.
"Die Zeit zu schätzen ist nicht leicht wenn sie stillsteht." ~ Seite 127
--> So viele Schriftsteller versuchen dieses Gefühl zu erklären, wenn man die Zeit vergisst. Lilly Lindner bringt es schlicht auf den Punkt. Danke hierfür, für diesen einen Satz im strahlenden Wortmeer.
"Das ist Phoebe. Sie ist Aprils kleine Schwester. Und wenn ich die Wort der beiden nicht zusammenbringe, dann gehen sie alle beide verloren" ~ Seite 382
--> Phoebe und April. April und Phoebe. Und dann wären da noch die Worte. Und der Halt. Was für ein schönes Zitat, um Leben zu retten.

Irgendwie hört sich das jetzt doof und total überladen an, aber meiner Meinung nach ist "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" mehr als nur ein Buch. Es stecken so viele kleine und grosse Wunder darin, sprachlich und von der Geschichte her. Man muss sich auf sowas einlassen können und man muss von der Grundidee einer abgeschlossenen Handlung abkommen. Dieses Buch erzählt vom Leben, von Worten, vom Tod und von der ewig-haltenden Schwesternliebe.
Sprachlos habe ich das Buch zu meinen Lieblingsbüchern gestellt. Ich bin einfach so dankbar, dankbar, dass Lilly Lindner dieses Meisterwerk voller Leben und Schrägheit gefüllt hat, voller Lächeln und Tränen. Denn es ist das beste Buch, dass mir in meinen 15 Lebensjahren untergekommen ist. Danke an Lovelybooks für die wahnsinnig liebe Bereitstellung eines Exemplars von diesem wunderbaren Buch. <3

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