„Das Verschwinden der Welt“ von Lin Hierse
Ein wunderbares Buch über Verlust und Erinnerung,Angst und Neuanfang, Veränderung und Selbstfürsorge.
Marta zieht in ein altes Haus, das wunderschön ist aber auseinander zu fallen, sich aufzulösen scheint. Nur wenige Bewohner sind geblieben, die meisten sind bereits ausgezogen, doch Marta fühlt sich wohl in dieser vergehenden Schönheit.
Ihre Mutter tot, der Vater hat sie verlassen, Klimakatastrophe und das Aussterben von Tieren, der Abriss von Häusern, all das macht Marta Angst und sie beobachtet es mit Akribie. Die Welt scheint sich vor ihren Augen aufzulösen.
Als auch dieses alte Haus abgerissen werden soll, will Marta wütend dagegen ankämpfen und fühlt sich dennoch ganz schwach.Sie sucht nach Verbündeten, jedoch der jüngere Mitbewohner Lu flüchtet in das digitalisierte Leben einer künstlichen Erinnerung. Ihre älteren Mitbewohner scheinen das Schicksal zu akzeptieren. Leben sei niemals Stillstand sondern auch Veränderung. Es gäbe die Erinnerung, die bewahrt werden könne, damit die Verzweiflung über die Veränderungen, die viel Verlust bedeuten, nicht überhand nimmt und lähmt.
„Selbst wenn du mehr Zerstörung als Schönheit siehst, geht es darum, bleibt es deine Entscheidung, woran du festhalten willst.“
Zwischen den Kapitel erheben sich die Stimmen der verschwundenen Menschen, der Mutter von Marta, des Sohns von Herrn Yi, Yuri mit den russischen Büchern, Lus Großmutter. Sie schwingen ebenso mit wie die Stimme von Martas Mutter in ihrem Kopf, die Stimme des Hauses zwischen den Wänden.
Ein ruhiges,, beinahe therapeutisches Buch, das mir stilistisch und inhaltlich sehr gefallen hat. Es will den Umgang mit der beängstigenden Situation der Welt lehren und damit versöhnen und zeigt: Leben ist nicht nur beängstigend sondern immer auch Aufbruch und Veränderung, Werden und Vergehen.
Piper 2024