Cover des Buches Die Zahlen der Toten (ISBN: 9783596512416)
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Rezension zu Die Zahlen der Toten von Linda Castillo

Da steckt ein Schema dahinter, ein ganz einfaches Schema!

von katiandbooks vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Typisch aufgebauter Thriller-Reihenauftakt mit einer charakterstarken Protagonistin und tollen Details

Rezension

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katiandbooksvor 6 Jahren
Im verschlafenen Städtchen Painter's Mill, Ohio treibt Polizeichefin Kate Burkholder Kühe von der Straße und schreibt Verkehrssünder auf. Als eine brutal zugerichtete Leiche auf dem Feld eines Bauern der ansässigen Amishen Gemeinde aufgefunden wird und es allem Anschein nach eine Verbindung zu einer lange zurückliegenden Mordserie gibt, wächst Kate der Fall bald nicht nur über den Kopf, weil ihre kleine Polizeidienststelle heillos überlastet ist, denn sie selbst scheint tiefer in die Ereignisse verwickelt zu sein, als gut für sie ist.


Wenn man dieses Buch zu Ende gelesen und schon den ein oder anderen Thriller-Reihenauftakt gelesen hat, wird man erkennen, dass Die Zahlen der Toten einem ganz genretypischen Schema folgt, und hier findet man alles, was das Erster-Fall-für-Ermittler-XY-Herz begehrt: einen sehr brutalen Serienmörder, einen Ermittler mit einem traumatischen Erlebnis in der Vergangenheit, man tappt lange Zeit im Dunkeln, die Leichen stapeln sich schon bald, der Ermittler gerät selbst in die Fänge des Mörders ... Aber trotzdem würde ich nicht sagen, dass es nichts gibt, was man nicht schon gelesen hätte.


Linda Castillo legt hier zwar einen Reihenauftakt nach Schema F vor, trotzdem schmückt sie ihn mit so vielen eigenartigen Details, dass es mir fast gar nicht aufgefallen ist. Besonders ihre Protagonistin, Kate Burkholder, kommt erfrischend real und greifbar daher. Sie ist erst 30 und schon Polizeichefin, aber nicht, weil sie so super-genial wäre, ein Wunderkind der Polizeiarbeit, sondern weil sich irgendein Politiker gedacht hat, das ehemalige Mitglied der Amishen Gemeinde könne super mit den hier lebenden Familien umgehen. Sie trinkt ein bisschen zu viel, ist ein bisschen zu brutal zu Verdächtigen, macht einiges während der Ermittlungen falsch und drückt sich davor, ihre Familie zu besuchen. Und (vielen vielen Dank!!) sie lamentiert nicht 300 von 400 Seiten darüber, wie schwierig es als Frau im Polizeidienst ist. Außerdem nimmt sie Hilfe an und fordert diese sogar ein, wenn sie sie braucht, sogar von Männern.


Aber auch ihr Sidekick, John Tomasetti, der aus der großen Stadt herbeordert wird, um auszuhelfen, hat mir trotz stereotypischem Charakterbau sehr gut gefallen. Noch viel schwerer traumatisiert als Kate Burkholder ist er längst dem Alkohol anheimgefallen und macht mittags erstmal Päuschen, um in der Kneipe an der Ecke ein paar Schnäpse zu kippen - "dauert nicht lange". Vielleicht wird hier und da die Alkohol-ist-die-Lösung-für-alles-Message nicht gerade energisch zurückgewiesen, macht die Charaktere aber trotz des ganzen Trauma-Krams, den halt jeder unbedingt in so einem Thriller haben muss, realistisch.


Ein paar ebenfalls sehr typische Nebencharaktere gibt es auch noch (der harte afro-amerikanische Cop, der junge Polizist mit Hundeblick, die unterforderte Büroangestellte, der überhebliche Sheriff, der fiese Politiker ...), aber trotzdem hatten alle irgendwie das gewisse Etwas, das sie dann doch zu etwas besonderem machten (leider tauchte einer von denen irgendwann einfach nicht mehr auf, was ich sehr schade fand).


Was mich jedoch gestört hat (Apropos realistisch) war, dass es in Painter's Mill bzw. in der nächstgelegenen größeren Stadt keine Spurensicherungseinheit zu geben scheint. Zwar machen sich die Kleinstadtpolizisten hin und wieder mal Sorgen, sie könnten an den diversen Tatorten Spuren verwischen, mähen aber trotzdem großzügig durch Blutlachen, Reifenspuren und sonstiges Geäst, bevor auch nur einer mal die UV-Lampe gezückt hat.


Ebenfalls gestört hat mich der hier und da etwas hölzern wirkende Schreibstil, der aber trotz allem sehr gut zu lesen ist und von dem ich glaube, dass er sich im Laufe der Reihe noch entwickeln könnte. Wir sind ja erst bei Teil 1.


Fazit: Wer bei Die Zahlen der Toten einen umfassenden Einblick in die Amishe Gemeinde der USA erwartet, wird etwas ausgebremst. Auch folgt der Auftakt der Kate Burkholder-Reihe einem dem Genre entsprechenden Schema, das jedoch mit so liebevollen Details gespickt ist, dass mir dieser Thriller einfach gut gefallen hat. In Sachen Brutalität steht Linda Castillo ihren männlichen Kollegen in nichts nach, kann jedoch in der Charakterzeichnung einige in die Tasche stecken. Von mir erhält Die Zahlen der Toten daher 4****.
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