Cover des Buches Titanic (ISBN: 9783406624247)
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Rezension zu Titanic von Linda Maria Koldau

Rezension zu "Titanic" von Linda Maria Koldau

von Mr. Rail vor 12 Jahren

Rezension

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Mr. Railvor 12 Jahren
Eine Katastrophe ist keine Sache – ein Traum ist keine Sache – Leid ist keine Sache und Schicksal ist keine Sache. Dieses Buch mag ein Sachbuch sein – aber es ist keine Sache… es lebt… Vermag die Geschichte der Titanic uns heute auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen? Vermag sie es, nach 100 Jahren unsere Augen zu öffnen und ein stückweit illusionsloser auf unsere moderne Technik zu blicken? Und zwar genau in den Moment hineinzuschauen, in dem diese versagt oder zum Versagen gebracht wird… Linda Maria Koldau sagt „JA“! Sie schlägt in ihrem Buch “Titanic – Das Schiff – Der Untergang – Die Legenden“ (C.H. Beck 2012) eine Brücke von der Brücke der Titanic bis zu den Brückenköpfen, die jene Katastrophe in unserem kollektiven Gedächtnis geschlagen hat. Wie lange können wir dem vertrauen, was wir selbst erschaffen haben und wie laut sind unsere eigenen Klagerufe, wenn wir wieder einmal an den Grenzen unserer Fähigkeiten angelangt sind – oder diese schon längst überschritten haben? Koldau holt weit aus. Vom Wettlauf um die schnellste Atlantiküberquerung bis zu den technischen Möglichkeiten des aufstrebenden 20. Jahrhunderts. Vom Stapellauf über die Hoffnungen und Träume der Passagiere aller Klassen bis hin zur Katastrophe und den Auswirkungen bis in unsere, ach so moderne Zeit. Nichts lässt sie unbeleuchtet – keine offene Frage bleibt ohne Antwort und doch gelingt es ihr eindringlich in der Darstellung ihrer Fakten ein berührendes und greifbares Buch zu schreiben, das nicht durch altbekannte neu präsentierte Fakten besticht. Jede Seite ihres Buches lässt uns in die heutige Zeit blicken. Wenn sie vom unternehmerischen Wagnis einer Reederei und der Inkaufnahme von Risken schreibt, dann sehen wir die Costa Concordia vor unseren Augen. Wenn sie von einer Verkettung unglücklicher Zufälle und von menschlicher Panik spricht, dann sehen wir Bilder von Großveranstaltungen vor unseren Augen, die ebenso wenig beherrschbar und sicher sind, wie es die Massenevakuierung eines Schiffes seit jeher war. Und wenn sie von der Romantisierung des Grauens spricht, dann sehen wir Camerons Titanic-Film vor unseren Augen ablaufen und müssen innehalten um darüber nachzudenken, was dieser Film eigentlich in uns ausgelöst hat. Koldau betrachtet alle Facetten der Katastrophe und bewertet hierbei auch die Stilblüten, die sich bis in unsere Zeit gerettet haben. Die Autorin präsentiert ein brandaktuelles Buch zum 100. Jahrestag der Katastrophe. Sie wirft einen geschulten Blick hinter die Kulissen des Dramas und lässt uns teilhaben an dieser präzisen und gehaltvollen Collage, die zu berühren und zu warnen vermag. Ihr Blick auf die menschlichen Schicksale an Bord ist eindringlich, einfühlsam und zum ersten Mal hat sie mir bewusst gemacht, dass man seit jeher lediglich die Dramen der Ersten und Dritten Klasse in den Mittelpunkt gestellt hat. Der Unterschied vom Millionär zum armen Auswanderer war wohl zu faszinierend. Koldau zeigt, wie wenig wir von den 285 Passagieren der Zweiten Klasse wissen. Es war eine Katastrophe der Extreme – die Mittelklasse fand da keinen Platz. Das Drama selbst jedoch hat sich tief verankert. Schon bei der nächsten – absolut überraschenden – Katastrophe werden wir uns wieder erinnern. Wir werden ständig an sie denken: An die Titanic, das Schiff der Träume, das schwimmende Paradies und das Symbol für die Bezwingbarkeit der Elemente. Und wieder und wieder werden wir den Eindruck nicht los, dass wir aus diesem Drama nichts gelernt haben. Aktueller kann ein Sachbuch nicht sein und wenn die Sachlichkeit so beseelt ist, wie in diesem Werk, dann berührt es seine Leser. Auftakt zur Artikelserie über die Titanic-Katastrophe auf Literatwo: http://literatwo.wordpress.com/2012/02/24/titanic-von-linda-maria-koldau-oder-warum-ein-sachbuch-keine-sache-ist/
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