Rezension zu "Meine Welt schmilzt" von Line Nagell Ylvisaker
Gerade in den Beschreibungen von großen und kleinen Momenten liegt die Stärke von „Meine Welt schmilzt“. Voller Schönheit beschreibt Nagell Ylvisaker die Natur: Gletscher, Berge, Buchten und Tiere konnte ich richtig vor meinem inneren Auge sehen. Das Buch liefert so auch immer den Subtext mit: Wie können wir diese einzigartige Welt nur sterben lassen?!? Mit der Autorin gehen wir auf ein Forschungsschiff und in den Urlaub mit ihren Kindern. Das Buch bringt uns wirklich ganz nah an die Menschen aus Spitzbergen ran. Als kurz vor Weihnachten 2015 eine Lawine auf mehrere Häuser niedergeht, sind wir quasi hautnah bei den Verschütteten mit dabei und können ihren Schmerz nachvollziehen.
„Elke und Malte gehen mit den Kindern hinüber, wo früher ihr Haus stand. Nichts ist davon übrig geblieben außer einem Transformatorenkasten, der an der Hauswand stand. Sie stapfen durch den nassen Schnee. Hier war der Flur, und hier war die Küche, erzählen Elke und Malte ihren Kindern.“
Das tragische Ereignis gab auch für Nagell Ylvisaker den Auslöser sich mehr mit der menschengemachten Klimakrise zu beschäftigen. Und Spitzbergen ist in vieler Hinsicht genau der richtige Ort, die Klimakrise zu beobachten, denn hier kommt so einiges zusammen.
„Spitzbergen ist ein großes Umweltparadoxon. Die Inselgruppe liegt in dem Teil der Welt, der sich am schnellsten erwärmt. Gleichzeitig sind es die Siedlungen hier, die, misst man den CO2-Ausstoß pro Einwohner, die größten Verunreinigungen zu verantworten haben.“
Gleichzeitig merken die Menschen hier massiv, wie sehr sich schon in den letzten Jahrzehnten und besonders in den letzten Jahren, die Klimakatastrophe teil des Lebens wird. Genau darum habe ich das Buch zur Hand genommen und hier gab es ganz viel was ich mitnehmen konnte. Und so wie die Dinge liegen, werde ich dieses sterbende Paradies wohl nie bereisen. Das Buch geht auch auf den immer stärkerwerdenden Tourismus nach Spitzbergen ein – mit massiven Auswirkungen für die Umwelt. Dabei sind die schon so stark genug, im ganz Alltäglichen.
„Lottes Kindergarten auf der Westseite des Tals, zwischen Kirche und Friedhof gelegen, wurde aufgrund von Lawinengefahr geschlossen.“
Ja, aber selbst in einer solchen Welt, wo es so viele Anzeichen gibt, gibt es noch zwei, drei Leute, die diese Fakten leugnen. Ich finde es zwar durchaus wichtig, dass man im Buch mitbekommt, dass es immer noch und auch dort solche Leugnung gibt, die Reaktion der Autorin darauf fand ich aber irgendwie immer unbeholfen und zögerlich. Die Aussagen lässt sie erstmal so stehen, ohne sie einzuordnen, als hätte sie nicht die richtigen Argumente zur Hand. „Es hat uns noch nie an Propheten gefehlt, die das Jüngste Gericht kommen sehen“, antwortet ihr so ein Jäger, der nicht wirklich daran glaubt, dass der Mensch das Klima beeinflusst haben könnte. Einmal frage sie sogar bei ihrer Freundin, einer Wissenschaftlerin nach, ob das denn wirklich so sei. Diese Stellen fand ich dann auch sehr befremdlich.
Gerade die Auswirkungen auf die Meeresströmungen waren sehr anschaulich erklärt, aber manchmal bin ich über die Sachinfos drübergefolgen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schon alles kannte, oder es mir zu trocken dargestellt wurde.
Fazit: Spitzbergen ist ein Brennglas für die menschengemachte Klimakrise. Die Insel und ihre Menschen bringt mir das Buch sehr nahe und hier hat das Buch eine große Stärke. Aber über manche Seiten konnte ich nur drüberfliegen. 3,5 von 5 Sternen, die ich gerne aufrunde, weil die Spitzbergen-Aspekte das Buch doch besonders machen.