Da ich ein wirklicher Fan der Erfolgsautorin Tanja Kinkel bin, habe ich sogar ihre Doktorarbeit "Naemi, Ester, Rachel und Ja'ala: Väter, Töchter, Machtmenschen und Judentum bei Lion Feuchtwanger" gelesen und rezensiert.
Besonders Feuchtwangers Roman "Jefta und seine Tochter" und deren Deutung durch Kinkel hatten es mir angetan. Doch bevor ich mich dem Werk direkt zuwandte, las ich noch das Buch "Jiftach und seine Tochter: Eine biblische Tragödie" von Rüdiger Lux.
So vorbelastet konnte ich mich lange nicht auf Feuchtwangers "Jefta und seine Tochter" einlassen. Verstand nicht, warum Jefta hier nicht nur der uneheliche Sohn, sondern auch noch der jüngste ist.
Im Nachwort schreibt der Autor: "Als ich an den Jefta heranging, sagte ich mir denn auch, es sei eine in unserer Zeit fast unlösbare Aufgabe, das Buch mit jener Geschichtlichkeit zu durchtränken, die der wahre biblische Roman erfordert. Ich wagte es dennoch. Ich hoffte, der Versuch werde seinen Lohn in sich selber tragen."
Feuchtwangers Roman hat so viel Geschichtlichkeit, dass ich das hier kaum zusammenfassen kann. Sein Jefta ist der Lieblingssohn des Jakob, ist der Josef, der von seinen Brüdern beneidet und verstoßen wird, aber am Ende trotzdem oder gerade deshalb zum großen Friedensstifter wird.
Immer wieder blitzen andere alttestamentliche Geschichten durch. Ketura lacht hinterm Zeltvorhang, wie es von Sara berichtet wurde. "Hier bei Penuel, war der Gott des Flusses dem Stammvater Jakob entgegengetreten und hatte die ganze Nacht hindurch mit ihm gerungen. Der Stammvater aber hatte ihm die Hüfte ausgerenkt und ihn nicht freigelassen, bevor er ihn segnete. Von da an wurde der Stammvater 'Israel' genannt, der Mann, der auch mit einem Gott streiten und ihn besiegen kann."
Wem die Landnahme in der Richterzeit im 13. Jahrhundert vor Christus zu fremd und vergangen erscheint, den verweise ich auf die jüdische Herkunft des Schriftstellers. Sein letzter Roman erschien 1957, also ein Jahr nach der Sues-Kampagne. Am 29. Oktober 1956 waren israelische Truppen in den Gazastreifen und den Sinai vorgestoßen, und am 5. November hatten britische und französische Truppen mit mit der Landung begonnen. Doch unter dem Druck der Vereinigten Staaten und der UNO hatten sich die drei Angreifer bis zum März 1957 aus den besetzten Gebieten zurückziehen müssen.
Wer immer noch an der Aktualität des Werkes zweifelt, der schaue sich seine Konflikte mit seinen Nachbarn oder anderen Nächsten an.
Sehr gefallen hat mir die Darstellung der Ja'ala, der Tochter Jiftachs. Sie ist die Debora, die Sängerin, eigentliche Richterin und Prophetin, die nicht zögert, das Gelübde des Vaters durch ihren Opfertod zu erfüllen. Ihr Sühneopfer erinnerte mich sofort an das Jesu.
Ja'ala heißt kleine Ziege, während es im Christentum von Jesus als dem Lamm Gottes gesprochen wird.
Jefta kann mit "Jahwe öffnet" übersetzt werden. Jahwe eröffnet Jefta die Möglichkeit seinen Hochmut in Demut zu wandeln.
Der hochmütige Sohn des Richters Gilead wird nach dem Tod des Vaters von seinen Halbbrüdern vertrieben, rottet sich in der Wildnis mit Gleichgesinnten zusammen, erstarkt und wird schließlich als Feldherr und Richter zurückgeholt, um die Ammoniter zu schlagen. Damit ihm dies gelingt, gelobt er Jahwe, ihm denjenigen zu opfern, der ihm nach seinem Sieg zuerst von seinem Gut entgegenkommen würde, "und wenn er mir das Teuerste ist."
Im anschließenden Siegeswahn lässt Jefta dann auch noch die Efraimiter abschlachten, die ihm zur Hilfe geeilt waren.
Der Fall nach diesem Hochmut tritt ein, als ihm seine einzige Tochter Ja'ala entgegeneilt, die zu opfern er keinen Ausweg findet.
Danach ist Jefta ein gebrochener Mann. "Er selber fühlte sich manchmal wie ein Toter, der aus der Höhle herausgedrungen war. Er war wie aus Luft und Nebel, so als ob das Blut des Lebens aus ihm geflossen sei."
"Die Männer von Gilead verehrten ihn mehr als irgendwen seit Menschengedenken. Aber ein Unwirkliches war um ihn, er war unter ihnen gegenwärtig und war dennoch abwesend. Ein leises Grauen wich nicht, sie konnten ihm nicht mehr näher kommen. Sogar die Kinder spürten es und ließen ab vom Spiel und Greschrei, wenn sie ihn sahen."
Mit jenem Grauen zwingt Jefta am Ende jeden Feind in die Knie und es kommt durch ihn auch zu einer Einigung der Stämme, wie ihm verheißen worden war.
Jahwe öffnet, Jahwe öffnet den Frieden. Aber zu welchem Preis?
Unter den sogenannten kleinen Richtern ist Jiftach derjenige mit der kürzesten Amtslaufzeit.
Der Roman endet mit den Worten: "Im siebenten Jahre seiner Richterschaft, im vierzigsten seines Lebens, wurde er versammelt zu seinen Vätern."
Am Ende war mir dieser Jefta lieb geworden. Ich hatte großes Mitgefühl für ihn. Für ihn und auch für dessen Verfasser, der ein Jahr nach dem Erscheinen seines Romans seinem Krebsleiden erlag. Ich danke der Seele von Lion Feuchtwanger herzlich für seinen "Jefta und seine Tochter".
"Darin magst du recht haben, daß Jahwe, wenn weitere sieben oder zweimal sieben Geschlechter gekommen und gegangen sind, Opfer wie das deine nicht mehr wird haben wollen. Taten des Mutes und der Hingabe indes, wie du sie getan hast, wird er immer brauchen."
Schalom
Vera Seidl