Zuerst einmal, wie immer, was ich an dieser Geschichte mag: ich liebe diese intensive, schwüle, New-Orleans-Sumpf-Voodoo-Jazz-Atmosphäre, das ist großartig und war der Hauptgrund, warum ich das Buch gekauft habe! Dann spielt das ganze hauptsächlich in einer geheimnisvollen Bibliothek - eine Geschichte umgeben von Büchern, das ist fantastisch! Ich mag auch, dass sich ein Großteil der Handlung tatsächlich dort abspielt. Wobei mir auch die Ausflüge in den Sumpf und in die Stadt gefallen - besonders ins "the hanged one". Außerdem finde ich es super, dass das Thema Freundschaft eine so zentrale Rolle einnimmt und das auch trotz der Liebesgeschichten wichtig bleibt, ich mag diese Dynamik, wie sie sich weiterentwickelt und für einige richtige Wohlfühlmomente sorgt. Die ersten ca 100 Seiten war ich auch durchweg begeistert von dem Buch, auch wenn ich Taleyi nicht so gefühlt habe, aber da war ja noch jede Menge Entwicklungspotential für sie.
Was für mich dann leider eher enttäuschend war, war Keos, der Chaosdämon: Das war wieder ein typischer, männlicher Hauptcharakter - unfassbar schön, groß, geheimnisvoll, arrogant etc, aber natürlich harte Schale, superweicher, verletzter Kern, an den nur die eine rankommt. Etwas mehr echtes Chaos und Impulsivität hätte ihm gut zu Gesicht gestanden, ich fühlte das mit dem Chaosdämon einfach nicht, er hätte alles mögliche sein können.
Taleyi ist für meine Begriffe auch ein bisschen zu sehr die Standard-Hauptprotagonistin, wie man sie in zu vielen Fantasy-Büchern hat - einerseits cool und tough, aber vor allem auch klein und süß und unsicher und weiß natürlich ihre eigene Stärke nicht zu schätzen - leider ein bisschen das übliche. Aber sie hätte Potential gehabt, individueller zu werden. Leider benimmt sie sich, sobald Keos auftaucht, ein wenig zu hormongesteuert und bisweilen wie ein verknallter Teenie. Das war mir teilweise ehrlich zuviel. Hier entwickelt sich leider die Standard-Dynamik, was ich ehrlich schade fand. Wie oft kann man in kurzer Zeit beschreiben, wie toll und sexy er aussieht und wie viel muss man die ständigen Blicke beschreiben? Ich hätte mir mehr von dem ganzen Rundherum gewünscht und weniger gegenseitiges Anschmachten - denn das ganze Setting, die Nebenfiguren, die Atmosphäre, die Magie, die Wesen sind mega cool! Leider umrahmt es mir zu oft eine Standard-Romantasy-Dynamik.
Auch hätte ich über die skurrilen Situationen, die Keos hervorruft, gern ausführlicher gelesen, das klang interessant und dafür etwas weniger Gefühlsgedusel zwischen den beiden. Der Showdown und die Auflösung waren dann stimmig, wenn auch etwas vorhersehbar. Es war recht schnell klar, worauf es hinausläuft.
Die magische Gemeinschaft hätte mich auch sehr interessiert, da hätte ich gern mehr gelesen, was machen die so, wie funktionieren die, wie setzen die sich zusammen?
Einen Lieblingscharakter hab ich aber auch und das ist ganz klar Necdet: er ist stark, cool und vielschichtig, trotzdem auch verletzlich und hat Schwächen und er wirkt einfach individuell und authentisch. Das und auch seine Entwicklung hat mir gefallen und über den und seine Kräfte hätte ich sehr gern noch mehr gelesen! Mama Safiya ist natürlich auch super, die hab ich gefeiert.
Und Überraschung: natürlich liebe ich, dass es eine Ich-Erzählung ist! Wobei ich mich da auch über weitere Perspektiven gefreut hätte.
Noch eine kleine Anmerkung über die sonst sehr ausführliche Triggerwarnung: ich hätte die Spinnen erwähnt. Über alles andere kann ich entspannt lesen, aber Spinnen schaffen mich.
Fazit: das einzige, was mir wirklich nicht besonders gefallen hat, war das Geschmachte und Gesäusel zwischen Taleyi und Keos (sowas ist grundsätzlich nicht mein Ding, weder beim Lesen, noch in echt, ich mag's etwas "handfester"), alles andere hab ich aber verschlungen. Wenn es einen zweiten Teil geben wird, wäre ich wahrscheinlich dennoch sehr neugierig drauf, in der Hoffnung, mehr New Orleans Stimmung zu bekommen und mehr übers Rundherum zu erfahren.
Ich schwanke zwischen drei und vier Sternen. Weil ich die Atmosphäre aber echt mag, für Necdet, das tolle Setting und weil ich einen zweiten Teil lesen würde, gebe ich vier von fünf Sternen und natürlich eine Leseempfehlung! 📚
Magische, schwüle New Orleans Atmosphäre, düstere Geheimnisse und Romantik