Cover des Buches Die Legende um Rajou (ISBN: 9783956671227)
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Rezension zu Die Legende um Rajou von Lisa Dröttboom

Interessante Idee, die stärker hätte umgesetzt werden müssen

von Janika_Hoffmann vor 8 Jahren

Rezension

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Janika_Hoffmannvor 8 Jahren
[Achtung, diese Rezension enthält massive Spoiler bezüglich der Handlung!]

[Da ich eine ältere Version besitze als aktuell im Verkauf ist, gibt es einige Unterschiede, beispielsweise einen neuen Prolog, den ich natürlich nicht kenne.]

[Da die Leser-Ansprache auf der letzten Seite zum größten Teil aus meiner Feder stammt, werde ich sie aus Fairness-Gründen bei der Bewertung nicht berücksichtigen.]

Der erste Band der Reihe „Die Legende um Rajou“ handelt von ebendieser Legendengestalt. Rajou ist ein sogenannter Unmensch, ein Wolfswandler, dessen Aufgabe es ist, die Menschen in seinem Gebiet vor dem Dunklen zu schützen – blutrünstigen, bösen Wesen, die es nach Blut lechzt. Diese Aufgabe und die Tatsache, dass alle Mitglieder des Rudels einst Menschen waren, machten sie zu Sagengestalten, auch wenn ihr Ruf sich nicht mit der Wahrheit deckt.
Obwohl Rajou zu einem Rudel gehört, interagiert kaum mit den restlichen Wolfswandlern, schottet sich von allem und jedem ab und zieht die Einsamkeit vor. Als er die verletzte Menschenfrau Kala trifft und ihr Leben rettet, ändert sich das. Auf geradezu magische Weise gelingt es ihr, seine Mauern einzureißen, und schnell wachsen in ihm Gefühle für sie. Doch die Sache hat einen großen Haken: Unmenschen dürfen sich normalen Menschen nicht offenbaren, und denen, die dennoch eingeweiht werden, blüht kein rosiges Schicksal. Noch dazu ist unklar, wie Kala auf die Wahrheit reagieren würde. Die Ereignisse überschlagen sich und die Zuneigung zwischen den beiden wird auf eine harte Probe gestellt …

Schon länger hatte ich Band 1 von „Die Legende um Rajou“ im Regal stehen. Jetzt, wo drei der fünf Bände erschienen sind, war es für mich an der Zeit, endlich mit der Reihe zu beginnen.
Das Cover macht sofort neugierig, der Schriftzug ist einprägsam und das Motiv mit dem schattenhaften Wolf im verschneiten Wald geheimnisvoll. Zusätzlich ist jedes Kapitel am Anfang mit einer großen Skizze eines Wolfs versehen, dazu sind einzelne Abschnitte durch einen Wolfs-Schattenriss getrennt. Neben den Seitenzahlen sind zwei winzige Pfotenabdrücke zu entdecken. Eine Notiz, die Rajou einmal hinterlassen wird, ist nicht einfach als Text hervorgehoben, sondern ebenfalls als Grafik eingebunden. Alles in allem ist die Gestaltung voll und ganz gelungen und es macht Spaß, durch das Buch zu blättern.
Die Grundidee von den gewissermaßen magisch begabten Fabelwesen, die aus Menschen entstehen können und diese schützen, finde ich sehr gut, ebenso wie die angedeuteten Systeme zwischen den einzelnen Rassen und die Existenz des Schicksalspartners, die in manchen Fällen eine ziemliche Zwickmühle bedeuten kann. Auch das Setting, das mit Sibirien sehr ungewöhnlich ist, hat mich gereizt.
Leider hat mich das Debüt von Lisa Dröttboom dennoch nicht wirklich packen und überzeugen können. Ich hatte bei dem relativ schmalen Buch, gerade in Anbetracht der recht großen Zeichengröße und Zeilenabstände, eine schnell zu lesende, kurzweilige Lektüre erwartet. Dies deckt sich jedoch nicht mit dem, was „Rajou“ offenbar werden sollte.
Von Anfang an werden dem Leser viele Hintergrundfakten und Elemente der Vorgeschichte in großer Ballung präsentiert. Natürlich ist ein gewisses Vorwissen notwendig, um einige Dinge verstehen zu können, doch das schlichte Präsentieren von Fakten zieht sich durch den ganzen Roman und erschlägt ziemlich. Es entsteht zeitweise der Eindruck, der Leser sei nicht in der Lage, Zusammenhänge und Hintergründe selbst zu entdecken oder sich ein wenig zu gedulden, bis sich alle Fragen klären. Das geschieht stellenweise leider auch in langen Abschnitten wörtlicher Rede, die mehr wie Monologe als Unterhaltungen wirken und so die kompletten Gedanken der Handlungsträger offenlegen.
Das Buch enthält definitiv genug Handlung für einen dickeren Roman, die jedoch auf eine Geschichte von gut 200 Seiten komprimiert wurde. Die Autorin rennt nur so durch die Handlung und lässt keine Zeit, zu verweilen und die Geschehnisse voll und ganz zu erfassen. Ich hätte sehr gerne einen Roman mit 400 oder auch 500 Seiten gelesen, wenn die vorhandene Handlung dadurch detaillierter und etwas gesetzter beschrieben worden wäre.
Auch das Prinzip des „Constant Try and Error“, also des wiederkehrenden Bemühens und Scheiterns, ist leider quasi nicht vorhanden. Um welchen Perspektivträger es auch geht, besonders bei Rajou - die Probleme, die sich stellen, werden stets beinahe auf Anhieb gelöst. Das ist auch dann der Fall, wenn die Unmöglichkeit oder extreme Schwierigkeit des Unterfangens erst kurz zuvor hervorgehoben wurde.
Das spiegelt sich auch in der Beziehung von Rajou und Kala wieder. Ich sehe ein, dass füreinander bestimmte Menschen (und Unmenschen) sich sofort zueinander hingezogen fühlen, dennoch ist das im Buch so extrem, dass es absolut unglaubwürdig ist, dass nicht klar sein soll, ob sie seine Schicksalsgefährtin ist. Genauso unglaubwürdig ist es, dass Kala Rajou von Anfang an bedingungslos vertraut und sich vor seiner Wolfsgestalt nicht erschreckt, dass sie bei Blickkontakt ein Knurren als nicht gegen sie gerichtet erkennt und sich nach einem Biss schlagartig vollkommen sicher fühlt. Auch wenn die beiden füreinander bestimmt sind, trennen sie Welten, und das erzeugt immer Reibung und Probleme. Das hätte ich gerne deutlich stärker herausgearbeitet gesehen.
Um zu den Perspektiven zurückzukehren: Diese wurden leider extrem vermischt. Die Geschichte aus einer Menge verschiedener Perspektiven zu beleuchten, finde ich grundsätzlich gut, nur leider wurden die einzelnen Perspektiven nicht voneinander getrennt. In einem Absatz hat die eine Figur die Perspektive, im nächsten die zweite, dann wieder die erste und eine halbe Seite später womöglich eine dritte Person. Auch werden die Wolfswandler und sonstigen Unmenschen häufig als solche bezeichnet, selbst wenn sie in Menschengestalt unterwegs sind, sodass man nie genau weiß, welche Gestalt eine Figur gerade hat. Dadurch ist es schwer, ein Bild im Kopf entstehen zu lassen. Auch hier hätte es mich sehr gefreut, die einzelnen Perspektiven näher auszuführen, dann hätten sie auch voneinander abgetrennt werden können, ohne eine nicht enden wollende Abfolge einzelner Absätze und Seiten zu erhalten.
Was mich jedoch am meisten gestört hat, waren unzählige Grammatik- und Rechtschreibfehler. Wüsste ich durch das Impressum nicht, dass es ein Lektorat gegeben hat, hätte ich vermutet, dass es keinerlei Überarbeitung gegeben hätte. Häufig waren Sätze oder Artikel in sich falsch, aufeinanderfolgende Absätze enthielten Widersprüche. Mehrfach fehlten auch einzelne Wörter und Anführungszeichen, und einige waren auch falsch geschrieben. Als Beispiel wurde „über die Strenge geschlagen“, wobei hier „Stränge“ gemeint gewesen wäre. Kommata wurden ebenfalls weggelassen oder überergänzt. Teils wurden Abkürzungen wie ca., cm, usw. und andere verwendet, die in einem Roman nichts zu suchen haben. Sie wurden allerdings nicht durchgängig einheitlich genutzt. Auch die umgangssprachlichen Begriffe, die an einigen Stellen sicher durchaus gezielt eingesetzt wurden, ergeben leider kein einheitliches Muster und wirken so nicht wie ein eigener Stil, sondern vielmehr holprig. Dasselbe gilt für die teilweise auftretenden Häufungen von bis zu vier Adjektiven hintereinander. Hier wäre eine subtilere Atmosphäre wieder schön gewesen.
Ich persönlich bin solchen Fehlerhäufungen gegenüber sehr empfindlich, daher wäre das für mich ein Kriterium gewesen, die Reihe nicht weiterzulesen. Glücklicherweise habe ich jedoch in Erfahrung gebracht, dass der Lektor der Reihe später gewechselt hat, sodass ich berechtigte Hoffnung habe, dass dieses Problem sich in den kommenden Bänden bessern wird. Dass Band 1 dahingehend vielleicht noch einmal angepasst wird, wäre natürlich äußerst wünschenswert.


Alles in allem steckt hinter „Rajou“ eine sehr interessante Idee, deren Umsetzung ihr und dem grandiosen Design aber nicht gerecht wird. Debütantenschwächen treffen hier auf ein extrem mangelhaftes Lektorat, dazu kommt ein hektisches Erzähltempo, dem mehr Details und Tiefe sowie weniger Adjektivhäufungen gutgetan hätten. Somit komme ich leider nur auf zwei Sterne, auch wenn ich nach wie vor Potenzial in der Idee sehe.
Meine Hoffnung ist jetzt, dass die Autorin und die Geschichte sich mit den folgenden Bänden gleichermaßen weiterentwickeln, gemeinsam wachsen und unter der Obhut eines neuen Lektorats eine deutliche Steigerung geschieht. Es würde mich sehr freuen, den nächsten Teilen drei oder mehr Sterne verleihen zu können, und ich werde den Werdegang von „Die Legende um Rajou“ weiter verfolgen.
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