Selten hat mich ein Buch so zum Mitfiebern gebracht. Die Spannung versetzte mein Blut in Wallung und raubte mir teilweise den Atem. In diesem Buch geht es in meinen Augen um mehr als die Jagd. Es geht es darum, wie Menschen sich in etwas hineinsteigern können, wie ein Fieber in ihnen entfacht wird.
Aber von vorn: Hunter Whites Interesse an der Jagd wurde schon als Kind von seinem Großvater geweckt. Mit sieben Jahren bekam er sein erstes Jagdgewehr. Das Thema Jagd bestimmte sein ganzes Leben, denn er jagte auch nach Investitionen, die ihn reich gemacht haben. Zum Hochzeitstag hat er seiner Frau eine Trophäe für ihre Ausstellung versprochen. Als Leser können wir ihn bei der Umsetzung seines Vorhabens begleiten.
In kühlem, nüchternem Stil erzählt die Autorin von den Gefahren, denen sich die Jäger aussetzen. Sie ließ mich in den Jäger schlüpfen, ohne seine Gedanken oder sein Tun zu beurteilen. In meinem Kopf entstand nicht nur ein Film, sondern die Emotionen des Jägers wurden spürbar. An so intensive Gefühle beim Lesen kann ich mich bisher nicht erinnern.
Gut gefallen hat mir die Erwähnung des archaischen Wissens der Einheimischen, ohne die das Jagen gar nicht möglich wäre. „Die Spur verrät ihnen nicht nur, was schon passiert ist, sondern auch, was noch passieren wird“, steht auf Seite 125. „Indem sie sich in das Tier hineinversetzen und fühlen, was das Tier fühlt, können sie voraussagen, wo es hingeht.“ Bewundernswert - was sind wir in unserer Zivilisation dagegen doch für blinde, armselige Geschöpfe!
Trotz meiner Faszination möchte ich eine Warnung aussprechen. Empfindliche Gemüter, denen es nicht gelingt, einen gewissen Abstand zum Geschehen aufzubauen, könnten Alpträume bekommen – ebenso, wie es dem Protagonisten am Ende passiert. Wer sich allerdings ganz in die Spannung fallen lassen kann, wird die Großartigkeit dieses Buches entdecken. Nicht umsonst hat die belgische, 1976 geborene Autorin 2012 einen Preis für ihren kreativen Umgang mit der Sprache gewonnen. Sie erzählt glaubwürdig, lässt uns einmal in Hunters Kopf schlüpfen, das andere mal alles von außen betrachten.
Bei mir kam zum Schluss die Frage auf: „Denken Jäger wirklich so?“ Ähneln sie unserer Katze, deren Jagdfieber in ihrem Naturell verankert ist? Wenn die eine Maus oder einen Vogel erwischen kann, dann hält sie nichts mehr auf.
Fazit: Für mich war dieser Roman ein ausgesprochenes Lesehighlight, das noch lange in meinem Kopf nachhallen wird.