In gewisser Weise war die Geschichte von Joe und Queenie und ihrer Ranch schon mit dem dritten Roman "Stein mit Hörnern abgeschlossen. Im 4. Teil nahm die Bürgerrechtsbewegung der Indianer einen wichtigen, wenn auch ungenau bestimmten Raum ein und folglich änderte sich die Handlung und die Figurenkonstellation stark.
In "Das helle Gesicht" wollte Liselotte Weiskopf-Henrich wohl die Besetzung der Eine Ridge Reservation literarisch gestalten und das ging leider gründlich schief.
Die Figuren, die vorkommen, sind von hoher Zahl, aber man hat ein wenig das Gefühl, die Autorin interessiert sich nicht besonders für sie. Ein Beispiel: Hanska, der Held des Romans, nimmt von einer Reise nach Kanada den Schüler eines Medizinmanns als guten Freund mit. Dieser Freund verliebt sich in Hanskas Frau. (Das erfährt man durch den auktorialen Erzähler ziemlich überraschend, in der Handlung gab es kein Anzeichen dafür.) Es gibt dann ein bisschen hin und her die Liebeswirrnisse lösen sich auf, der Freund kehrt nach Kanada zurück und wird künftig nur noch als Eintrag in Listen von Besuchern bei Festen erwähnt. Aber warum taucht er überhaupt auf?
So geht es oft, die Handlung ist in Episoden aufgelöst, die nicht weiter führen und an ihrem Ende keinerlei Folgen für andere Handlungsstränge haben. Oft geht es darum, dass Ita-ska-wi mit größter Anstrengung von einem Ort an einen anderen gelangt, damit dort etwas wichtiges geschieht. Das Ergebnis ist aber immer sehr mager und die junge Frau muss sich bald auf den nächsten unheimlich wichtigen Weg machen.
Und der politische Hintergrund? Sehr mau. Wikipedia informiert uns, dass es ein Ziel der Proteste war, den brutalen Chief-President abzusetzen. Aber wieso wurde dieses Monster überhaupt gewählt? Wegen Gewalt, Drohungen und falschen Versprechen informiert uns der Roman. Aber können Wähler so doof sein, so gegen ihre eigenen Interessen vorzugehen? Diese Erklärung ist doch etwas zu platt.
Dann die Haltung der Aktivisten! Die radikalsten haben einen Hügel besetzt und werden von Bundespolizei belagert und sollen ausgehungert werden. Diese Helden gelten als diejenigen, die das richtige tun, auch wenn man nicht erfährt, was sie erreichen wollen. Wer auch nur ein bisschen gemäßigter ist wird als Mitstreiter abgelehnt, gilt als Feigling oder sogar als Verräter. Aber so funktioniert politischer Kampf in einer Demokratie nicht, Da geht es darum, Mehrheiten zu organisieren und jeder, der mitmacht, ist willkommen.
Man merkt, der Roman hat mich genervt und gelangweilt. Ich stelle mir vor, "Das helle Gesicht" ist in dieser Form nur die Vorarbeit zu einem Roman, der später noch ausgearbeitet werden sollte, wozu es aber nicht mehr kam.
Ich hätte mir ein Nachwort gewünscht, wo die damalige Situation der Pine Ridge Reservation beschrieben wird und vielleicht auch etwas über die Entstehungsgeschichte dieses Romans.