Cover des Buches Der Bergführer (ISBN: 9783938305942)
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Rezension zu Der Bergführer von Liselotte Welskopf-Henrich

Kleine Erzählung - Große Wirkung. Auf mich.

von karatekadd vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Tolle Erzählung aus der Südtiroler Bergwelt mit historischem Kolorit.

Rezension

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karatekaddvor 8 Jahren
Die Berge haben es der studierten Okonomin und Historikerin Liselotte Welskopf-Henrich wohl angetan. Diese Geschichte hier spielt in Südtirol in den Dolomiten.

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Der Bergführer Karl Unteregger führt für meist schmales Geld Touristen in die Bergwelt der Dolomiten. Sein Wunsch ist es, eine kleine Hütte mit ein paar Wiesen zu erwerben, er will aus eigenem Domizil heraus leben mit seiner Moidl und dem kleinen gemeinsamen Buben, der ebenfalls Karl heißt.

Es ist das Jahr 1939 und im alpinen Club in Bozen haben die Faschisten das sagen. Doch die Leute in den Bergen sind frei und lassen sich nicht ein auf solcerart Ideologie.

Postoberinspektor Ordemann aus Berlin kommt mit seiner Verlobten in die Berge. Der herrische NSDAP-Ortsgruppenführer hat ein paar Touren gebucht. Karl soll ihn führen. Der erste Konflikt entsteht, als der feiste Berliner verlangt, der Bergführer solle seinen Rucksack schleppen. Unangenehm berührt von seinem Benehmen ist Lotte, das Berliner Arbeitermädchen, zwanzig Jahre jünger als ihr Verlobter...

Das Wetter in den Bergen ist launisch. Wenn es umschlägt, wird es gefährlich, besonders wenn ein warmer Föhn auf kalte Felsen fällt.

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Der Konflikt zwischen dem Bergführer und dem Nazi bestimmt das Büchlein. Die Entstehung der Geschichte selbst ist ebenfalls nicht konfliktlos, dem 1954 veröffentlichten Büchlein war kein Erfolg beschieden. Dr. Frank Elstner vom Palisander-Verlag macht dafür die Änderung der Handlungszeit verantwortlich, die zu Unstimmigkeiten geführt hatte. Man hatte nämlich die Zeit von 1939 in die Zeit des geteilten Berlins verschoben.
Nun wurde im genannten Verlag der Originaltext neu aufgelegt, von Unstimmigkeiten war nichts zu merken.[1]

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Die Figuren Lotte und die Tiroler werden sofort sympatisch, natürlich gilt das nicht für diesen Postbeamten. Lotte allerdings erzählt am Ende, als sie sich von ihrem Verlobten loslöst der Moidl von dessen Geschichte, eine Geschichte, derern es viele gegeben haben wird im sogenannten Tausendjährigen Reich. Bestimmende Figur ist der Tierser Karl aus der Tierser Tal im Konflikt mit dem Zwang Geld zu verdienen für seinen Traum und der gegebenenfalls vernachlässigten Klettersicherheit. Man sieht ihn vor sich, wie er durch die Berge und Hügel steigt. Geübt, kraftvoll, ausdauernd und doch durch die kräftezehrende Arbeit nicht mehr ganz gesund.

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"Die Wandernden schauten überrascht um sich, denn eine neue Felslandschaft hatte sich plötzlich vor ihnen aufgetan. Um wüste Geröllhalden reckten sich im Rund die Rosengartenspitze und die zerklüftete Laurinswand; die Vajoletttürme starrten zwischen schnellziehenden Fetzen der Morgennebel, sich entblößend und wieder verbergend, messerscharfe Kanten, kühne Sterbende in Wolken und Wind. Der Föhn pfiff durch die zerissenen Wände, hoch oben am Himmel flogen Wolken wie große Vögel. Die letzten Anemonen waren hinter den Wandernden zurückgeblieben, und die Menschen traten in das Reich der vollkommenen Unfruchtbarkeit ein. Gerundetes Geröll und spitzer Schotter, verwitterte türme, rissige Felsmauern, gestürzte Blöcke, die den Weg sperrten, Schneeflecke, die in kleinen Schluchten ihr frostgebanntes Dasein fristeten, bildeten ein eigenes Revier, die Wüste Zwerg Laurins versunkenem Garten. Der Ausblick in das fruchtbare Land war jetzt vollständig verschlossen. Einen eigenartigen Eindruck machte das völlig Wüste unter dem hohen Himmel, das den Namen 'Gartl' trug in der zur Sage gewordenen Erinnerung daran, dass auch auf dieser Höhe einst Blüte und Frucht gediehen waren." [2]

Landschaftsbeschreibungen dieser Arte kannte ich bisher nicht von Liselotte Welskopf-Henrich. Hier zeigt sie die Kunst der Beschreibung einer Gegend, die sie wohl selbst kannte.
Es sind die Vajotet-Türme, die die Kletterer zuerst besteigen, in der Rosengarten-Gruppe.
Die Kölner Hütte und die Grasleitner-Hütte gibt es auch heute noch und so könnte man sich auf die Spuren der Autorin begeben ohne gleich in ein Indianerreservat reisen zu müssen.
Die Beschreibungen sind so detailtreu, dass dies sicher ohne weiteres möglich ist.

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Der Palisanderverlag hat es geschafft, das gesamte belletristische Werk der Liselotte Welskopf-Henrich als e-Book, viele davon auch als Printausgabe, herauszubringen. Diese nahezu unbekannte Geschichte ergänzt solche Romane wie Jan und Jutta, Zwei Freunde oder Bertholds neue Welt. (Verlagsprogramm)
* * *
Liselotte Welskopf-Henrich hat auf unserem Blog eine "eigene" Autorenseite.
► DNB / Palisander Verlag / Chemnitz 2015 / ISBN: 978-3-938305-94-2 / 103 S.
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