Bereits 2010 greift - noch vor der sogenannten "Flüchtlingskrise" - der neuseeländische Autor Lloyd Jones das Thema des lebensgefährlichen, "illegalen" Übertritts von Afrika auf den europäischen Kontinent in diesem Roman ergreifend und tief bewegend auf.
Das Buch ist ausschließlich durch Berichte über eine afrikanische Frau, die Europa von der Küste Siziliens bis zu ihrem Ziel Berlin durchquert, gestaltet. All die Berichte werden von Beobachtern erzählt, die nur für einen kurzen Moment oder über mehrere Monate mit ihr zu tun hatten. Für einen großen Teil des Buches erfahren wird nichts über die intimen Gedanken der Frau. Wir erfahren nicht einmal, aus welchem Land die Frau stammt, wie sie wirklich heißt. Wir bleiben außenstehende Beobachter. Im weiteren Verlauf wird klar: Was hier wahr oder wahrhaftig ist, was erfunden, was falsch erinnert, ist nicht so einfach herauszufinden, wie man denkt. Geschickt schafft es der Autor sich zwar nüchtern auszudrücken und doch immer mehr dieser zunächst gesichtslosen Person (einer von vielen), eine Geschichte zu geben. Sie sichtbar zu machen. Genial taucht er ein in die verschiedenen Stimmen der Protokollanten, die mit umso größerem Ego, mehr von sich selbst als von der Afrikanerin berichten. Ergreifend ist das Plädoyer, welches ein befragter Igbo-Pfarrer der Afrikanischen Flüchtlingshilfe zur "Festung Europa" hält und sich damit weigert, dem Befrager irgendwelche Informationen über diese Illegale zu geben. Aus Prinzip. Wozu diese Berichte überhaupt dienen, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Dies erfährt man erst, wenn man sich auf diesen großartigen Roman bis zum Schluss einlässt.
Vieles bleibt in diesem Roman offen, trotzdem setzt sich mit jeder Seite das Puzzlebild dieses unkonventionellen Frauenschicksals ein wenig mehr zusammen. Obwohl es sich um unglaublich schwere Kost handelt, liest sich der Roman nicht tonnenschwer herunter. Nein, man fliegt durch diesen ungewöhnlichen Text nur so. Eine klare Leseempfehlung meinerseits.