Auf meinen zwölften Geburtstag hatte ich mich schon Monate zuvor gefreut. Geschenke gab es selten, daher wusste ich, dass ich auch dieses Jahr nicht beschenkt werden würde. Aber das war mir egal. Ich hegte nur einen Wunsch.
Hastig zog ich mir den dünnen Mantel über und trabte freudig aus meinem Zimmer.
»Mama, die Sonne geht schon unter!«, rief ich und rannte in den Wohnraum unseres Holzhauses. Meine Schuhe quietschen, als ich abrupt abbremste. Das flimmernde Licht des eingeschalteten Fernsehers ließ mein Lächeln schwinden. Dad saß wie gewöhnlich in seinem Sessel, während er gierig das Dosenbier in sich hineinkippte. Sein Blick fiel über die Schulter hinweg zu mir. Die neutrale Miene wandelte sich in Argwohn, als er mich musterte. So war es oft, wenn er mich zu Gesicht bekam. »Was schreist du so rum? Siehst du nicht, dass die Vancouver Canucks spielen?«, raunte er mich an.
Unschuldig schob ich meine kalten Hände in die Jackentaschen und linste zum Sofa, auf dem meine Mutter schlief. »Mom wollte mit mir aufs Land fahren.«
»Sie schläft«, war seine schroffe Antwort, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
Ich atmete tief durch, um meine Ungeduld im Zaum zu halten. »Sie hat es mir aber versprochen«, murmelte ich vorsichtig.
Dad ignorierte meine Worte.
»Mom. Mom!«, drängte ich mit spitzem Ton, mit dem ich die erneute Aufmerksamkeit meines Vaters auf mich zog. Genervt stellte er die Dose scheppernd auf den Steintisch und erhob seinen massigen Körper. »Siehst du nicht, dass sie schläft? Geburtstag hat man jedes Jahr! Nimm dir was Süßes und verpiss dich in dein Zimmer.«
Tränen kullerten meine Wangen hinunter und ich ballte meine Hände so fest zu Fäusten, dass sie ein ziehender Schmerz durchzog. Launisch blieb ich wie angenagelt stehen. Um keinen Preis wollte ich das einzigartige Mondspektakel verpassen, zu dem meine Mutter mit mir fahren wollte.
»Bist du taub? Ab ins Zimmer, bevor ich dir den Arsch versohle, du teuflische Göre!«, drohte Dad mir erneut und öffnete seinen Gürtel, mit dem er mich schon einmal gejagt hatte.
Winselnd entschied ich mich für den Rückzug. Schon wieder hatte er gewonnen. Schon wieder war ich egal. Die Enttäuschung in mir überschattete die Angst, sodass ich auf dem Weg zu meinem Zimmer Dads heißgeliebte Militärmedaille vom Regal schmiss. Polternd schlug das Metall auf dem Holzboden auf und tönte wie ein Warnsignal in meinen Ohren. Ich rannte die letzten Meter. Panisch schloss ich hinter mir die Zimmertür, schob einen Holzstuhl unter die Klinke und setzte mich aufs Bett. »Es tut mir leid. Es tut mir leid«, schluchzte ich vor mich hin und umschloss mit den Händen meine Schläfen.
Schritte näherten sich. Wie bei einem rauen Sturm rüttelte die Tür, bis sie aufgerissen wurde. Dad stand auf der Schwelle. Seine Augen flackerten vor Zorn, während seine Hände wie mein schmächtiger Körper zitterten.
»Es war keine Absicht «, flüsterte ich kopfschüttelnd. »Es tut mir leid!«
Keinen Moment später packte er mich am Handgelenk, zerrte mich aus dem Bett. »Du widerliches Stück. Ich hasse dich, kleines Biest!«, knurrte er kalt und rüttelte am Kragen meiner Jacke, um mich zum Aufsehen zu bewegen. Augenblicklich traf mich seine geballte Faust im Gesicht und mein Kopf flog zur Seite.
Ich kreischte. Meine Fingernägel versuchten, seinen festen Griff zu lockern. Erfolglos. Erbarmungslos traf mich der nächste Schlag an der Schläfe. Und wieder holte er aus. Kein Funken Reue war zu spüren, er tat es bei vollstem Bewusstsein.
Den nächsten Schrei verschluckte ich vor Schmerz, spürte neben dem Pochen etwas Nasses in meinem Mund. Die Flüssigkeit schmeckte metallisch und war genauso heiß wie die Tränen, die zu Boden tropften.
Dann lockerte sich seine Faust. Grob schubste er mich von sich, ehe er mein Zimmer verließ und gegen die Holztür trat.
Panisch brach ich zusammen und mit einem Mal versteiften sich meine Gliedmaßen. Gelähmt lag ich auf der Seite, ertastete den kalten Holzboden unter mir und bemühte mich, meine Finger zu bewegen. Doch sie gehorchten nicht. Während mein Körper sich kein bisschen regte, war ich apathisch vor Angst. Ich befürchtete, dass er zurückkommen würde. Doch der finstere Flur blieb leer, ließ einzig die bedrohliche Stimmung zurück.
Dir gefällt die Leseprobe? Dann freue ich mich auf Deine Bewerbung. Denk immer dran: Halte an Deine Träume fest. <3
Deine
Loredana